Montag, November 10

Ahmad Vahidi soll den Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum mit 85 Toten geplant haben. Der neue argentinische Präsident Javier Milei glaubt, dass die linke Regierung von Cristina Fernández de Kirchner (2007–2015) die Beteiligung Irans vertuschen wollte.

Die argentinische Regierung hat bei Interpol einen Fahndungsaufruf gegen den iranischen Innenminister Ahmad Vahidi erwirkt. Der ehemalige Kommandant der iranischen Kuds-Brigaden soll als Drahtzieher für das Bombenattentat auf das jüdische Gemeindezentrum «Amia» im Juli 1994 verantwortlich sein, bei dem 85 Personen getötet und rund 300 verletzt wurden. Die von Interpol ausgestellte Red Notice informiert die 196 Interpol-Mitgliedstaaten über den argentinischen Haftbefehl. Allerdings ist es jedem Land überlassen, dem Fahndungsaufruf nachzukommen.

Bereits Ende 2006 hatte der damalige Sonderermittler Alberto Nisman Anklage gegen Vahidi und weitere Iraner erhoben und eine Red Notice erwirkt. Laut seinen Ermittlungen war das Attentat von der Führung Irans geplant und durch den Hizbullah ausgeführt worden, der mit Iran verbündeten Schiitenmiliz in Libanon.

Die neue Red Notice kam, nachdem sich Argentiniens höchstes Berufungsgericht in Strafsachen Mitte April zu dem Fall geäussert hatte. Die drei Richter bestätigten Nismans Anschuldigungen gegen Iran und den Hizbullah und bezeichneten den Anschlag als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das Attentat sei von der iranischen Staatsspitze im August 1993 als Reaktion auf die Entscheidung der argentinischen Regierung getroffen worden, Verträge zur Zusammenarbeit in der Nukleartechnologie aufzukündigen, so die Richter. Der damalige argentinische Präsident Carlos Menem hatte infolge einer diplomatischen Annäherung an die USA und Israel Abstand von der Kooperation genommen.

Die Einstufung des Anschlags als Staatsterrorismus dürfte Entschädigungsklagen von Opferfamilien gegenüber dem iranischen Staat nach sich ziehen. So will der jüdische Dachverband in Argentinien (Daia) eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen einreichen.

Iran auch für Anschlag von 1992 verantwortlich

Die Richter erklärten zudem, dass Iran auch für den Bombenanschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires im März 1992 verantwortlich sei. Das Attentat, bei dem 22 Personen getötet wurden, soll eine Racheaktion gegenüber Israel für die Ermordung des Hizbullah-Generalsekretärs Abbas al-Musawi gewesen sein. Dieser war mit seiner Familie im Februar 1992 in Libanon ermordet worden.

Der Bombenanschlag auf die Botschaft soll durch Mitglieder einer Terroristenzelle im Dreiländereck Argentinien-Paraguay-Brasilien ausgeführt worden sein. Sicherheitsexperten glauben, dass sich dort immer noch islamistische Terroristen aufhalten.

Iran hat stets eine Beteiligung an dem Attentat von 1994 bestritten. Irans Aussenministerium verurteilte auch jetzt die Forderung nach der Auslieferung Vahidis scharf und bezeichnete sie als illegal. Sie basiere auf «Lügen und Fabrikationen». Das Gericht habe «unbegründete Behauptungen» im Interesse «politischer Ziele» aufgestellt.

Ermittlungen voller Skandale und Mysterien

Tatsächlich gilt der Anschlag von 1994 als nicht restlos aufgeklärt. Die Ermittlungen in Buenos Aires litten über die Jahre unter politischen Ränkeschmieden und sind voller Skandale und Mysterien. Zwar kamen kurz nach dem Anschlag aus den USA Hinweise auf einen iranischen Hintergrund. In Buenos Aires wurde jedoch auch wegen einer Beteiligung lokaler Gruppen ermittelt, darunter gegen Mitglieder der Polizei von Buenos Aires. Ein Prozess gegen 22 Angeklagte endete 2004 jedoch mit Freisprüchen. Und einem Justizskandal.

So ordnete das Gericht Ermittlungen gegen den zuständigen Richter Juan José Galeano, zwei Staatsanwälte und weitere Personen an. Sie sollen Beweismittel gefälscht haben. 2009 wurden sie daher gemeinsam mit Ex-Präsident Carlos Menem und weiteren Personen aus dessen Umfeld wegen Behinderung der Justiz angeklagt. Menem soll den Befehl gegeben haben, Beweise zu verbergen, um einen befreundeten Geschäftsmann zu schützen. Während Menem 2019 freigesprochen wurde, wurde der Richter Galeano verurteilt.

Nach dem Skandal setzte Präsident Néstor Kirchner 2005 Alberto Nisman als Sonderermittler ein. Dieser erwirkte 2006 erstmals eine Red Notice gegen Vahidi. Unter der Präsidentschaft von Kirchners Ehefrau Cristina Fernández de Kirchner präsentierten Iran und Argentinien 2013 jedoch überraschend eine Vereinbarung zur Bildung einer Wahrheitskommission, die die iranischen Verdächtigen befragen sollte. Kritiker wie Nisman sahen dies als Versuch, die Ermittlungen zu verschleiern. Allerdings konkretisierte sich die Vereinbarung nicht.

Nisman beschuldigte Präsidentin Kirchner später, bereits 2011 heimlich ein Abkommen mit Iran geschlossen zu haben. Im Tausch für iranische Öllieferungen sollte Argentinien die Ermittlungen gegen iranische Funktionäre einstellen. Nisman forderte Ermittlungen gegen die Präsidentin, den damaligen Aussenminister Héctor Timerman sowie weitere Personen. Noch bevor Nisman Beweise vorlegen konnte, wurde er im Januar 2015 tot in seiner Wohnung aufgefunden.

Milei unterstützt Israel

Noch immer ranken sich Spekulationen um die Frage, ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt. Der seit Dezember regierende Javier Milei ist sich sicher, dass Nisman ermordet wurde. Die nun durch das Berufungsgericht erfolgte Bestätigung der Schuld Irans an dem Anschlag von 1994 beende zudem «die ständigen Versuche seitens der Kirchners, die Verantwortung Irans zu vertuschen und dieses historische Urteil hinauszuzögern», erklärte Mileis Büro.

Der Präsident gilt als enger Freund Israels, er soll die Konversion zum Judentum bereits begonnen haben. Als sein persönlicher Berater gilt ein sephardischer Rabbiner. Nach dem iranischen Luftangriff auf Israel Mitte April erklärte Mileis Sprecher, man prüfe den Abbruch der Beziehungen zu Iran. Gleichzeitig ordnete Milei den verstärkten Schutz jüdischer Einrichtungen in Argentinien an. Ein Attentat wie in den neunziger Jahren solle so verhindert werden.

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