Mittwoch, Februar 12

Den neuen VBS-Chef erwarten zahlreiche Baustellen. Oberste Priorität solle nun aber die Verteidigungsfähigkeit haben, erklären Armeeverbände. Dass ein Verband die Noch-Verteidigungsministerin Viola Amherd kritisiert, kommt bei den Schweizer Offizieren allerdings gar nicht gut an.

Was bleibt politisch von Viola Amherd nach ihrem Rücktritt? Das analysieren nicht nur Journalisten, sondern offenbar auch Milizorganisationen der Armee. Im «Blick» äusserte sich der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz (VMG) kritisch zur Bilanz der Noch-Verteidigungsministerin. Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) findet dieses Vorgehen «nicht die feine Art». Die beiden Organisationen wünschen sich aber vom neuen Chef des Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) dasselbe: dass er der Verteidigungsfähigkeit in den nächsten Jahren volle Aufmerksamkeit schenkt.

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Der neue Verteidigungsminister müsse «anpacken», «führungsstark sein» und sich mit dem Departement voll und ganz «identifizieren», so dass er den Namen Verteidigungsminister «auch verdient». Dies erklärte Stefan Holenstein, Präsident des VMG, vor zwei Tagen. Der Verband hat rund 100 000 Mitglieder aus 36 militärischen Verbänden.

Die indirekte Kritik an der Noch-Verteidigungsministerin Viola Amherd sei durchaus gerechtfertigt, meint Holenstein auf Anfrage. Schliesslich sei es der Bundesrätin im letzten Jahr immer weniger gelungen, Allianzen zu schmieden und Anliegen im Regierungsgremium durchzubringen. In der Armee habe sie einen Kulturwandel vorangetrieben und den Frauenanteil erhöht.

Neues Dienstpflichtmodell steht in den Sternen

Der «Gipfel» sei die kürzlich gescheiterte Reform des Dienstpflichtmodells gewesen. Der Bundesrat konnte sich lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: den obligatorischen Informationstag für Frauen. Nun ist unklar, wann ein neuer Reformvorschlag auf dem Tisch liegen wird. Insbesondere für den Zivilschutz sind das keine guten Nachrichten. Er ist heute schon in etlichen Kantonen stark unterdotiert. Auch die Armee wird gemäss Bundesrat in absehbarer Zeit Probleme haben, ihren Bestand zu sichern.

Die geopolitische Lage zeige klar, dass die Zeit dränge, meint Holenstein. Die Schweiz müsse wieder verteidigungsfähig werden. Er verweist auf Aussagen des Chefs der Logistikbasis der Armee, der in der NZZ erklärte, Russland könnte den Krieg ausweiten. Doch die Stimmung hierzulande sei heute eine andere als vor drei Jahren, als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann. «Damals unterstützten viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier den schnelleren Aufwuchs der Armeefinanzen», sagt Holenstein.

Auf dem Tisch lag der Vorschlag des Bundesrates: Das Armeebudget sollte bis 2035 auf ein Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) erhöht werden. Der bürgerlichen Mehrheit im Parlament ging das zu lange, sie plädierte für 2030. Doch woher das Geld kommen sollte, bei gleichzeitiger Einhaltung der Schuldenbremse, wusste niemand.

Sicherheit hat einen Wert

Letzten Dezember dann der Kompromiss: 2032. Doch auch bei dieser Variante ist die Finanzierung unklar. Holenstein fordert vom neuen Verteidigungsminister deshalb: «Er muss der Bevölkerung und der Politik aufzeigen, dass Sicherheit ihren Preis hat.» Prioritäten müssten endlich gesetzt werden.

Auch im VBS selber. Viola Amherd habe einiges angepackt, breit Reformen vorangetrieben in ihren Ämtern, jetzt müsse die Verteidigungsfähigkeit wieder voll im Fokus stehen. Dieser Meinung ist auch Dominik Knill, der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Er vertritt 18 000 Offiziere.

Aus seiner Sicht ist es jedoch «nicht die feine Art», eine abtretende Bundesrätin so öffentlich zu diskreditieren und ihren Leistungsausweis zu hinterfragen. Stefan Holenstein vom VMG spreche ausserdem mit seinem Votum nicht für die Mehrheit der Milizoffiziere. Viola Amherd habe einige Erfolge vorzuweisen: «Sie hat beispielsweise massgeblich zum Erfolg der Abstimmungskampagne zur Beschaffung des Kampfjets F-35 beigetragen sowie die internationale Zusammenarbeit mit Nachbar- und Nato-Staaten weitergebracht.»

Knill wünscht sich vom künftigen Verteidigungsminister, dass er Grossprojekte, die in den letzten Wochen für Negativschlagzeilen gesorgt haben, erfolgreich zu Ende bringt und möglichst rasch Mehrheiten findet für die Revision des Dienstpflichtmodells. Der jetzige Stand sei sehr unbefriedigend.

Bundesratskandidaten sollen zum Hearing antreten

Stefan Holenstein will zum ersten Mal in der Geschichte des Verbands die Bundesratskandidaten zu einem Hearing einladen. Dabei wolle er vor allem wissen, wie sie die zentralen Herausforderungen der Sicherheitspolitik sähen und wie sie sich die Zusammenarbeit mit den Milizorganisationen vorstellten: «Die Miliz ist nicht nur das Rückgrat der Armee, sondern auch staatstragend, weshalb sich der neue Verteidigungsminister mit uns auseinandersetzen muss.»

Von diesem Vorgehen distanziert sich der SOG-Präsident Dominik Knill dezidiert. Solche Anhörungen seien den politischen Parteien vorbehalten: «Sonst könnte ja irgendein Verein auf die Idee kommen und Bundesratskandidaten zum Hearing vorladen.» Doch Holenstein findet sowieso, dass sich die militärischen Verbände wieder vermehrt in politische Diskussionen einbringen müssten: «Die Miliz hat schleichend an Bedeutung und Einfluss verloren, das müssen wir ändern.» Nach 35 Jahren Friedensdividende, mit einem Krieg auf europäischem Boden und einer Schweizer Armee, die nicht vollständig ausgerüstet sei, sei dies ein notwendiger Schritt.

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