Dienstag, November 5

Regierungen haben offenbar immer noch nicht den Wert von Artenschutz verstanden. Eine fehlende Abschlusserklärung darf jetzt nicht als Ausrede für zögerliches Handeln auf nationaler Ebene missbraucht werden.

Es wäre lachhaft – wenn es nicht zum Weinen wäre: Die Biodiversitätskonferenz im kolumbianischen Cali musste am vergangenen Samstag ohne Schlusserklärung beendet werden. Vor allem der Streit um die Finanzierung von Schutzgebieten und anderen Projekten zog sich derart in die Länge, dass immer mehr Delegierte zu ihren Flügen ins Heimatland eilten.

Eigentlich hätten die Regierungsvertreter beschliessen sollen, wie das vor zwei Jahren vereinbarte Kunming-Montreal-Abkommen konkret umgesetzt werden soll. Es fehlt ein weltweiter Finanzierungsmechanismus. Zudem hätte jedes Land einen Plan für nationale Aktivitäten vorlegen sollen, um das sogenannte 30-x-30-Ziel zu erreichen. Dieses besagt, dass 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche bis zum Jahre 2030 geschützt sind. Derzeit sind es 18 beziehungsweise 8 Prozent.

Des Weiteren hätte verbindlich geregelt werden sollen, was in einem Schutzgebiet erlaubt und was verboten sein soll. Weltweit wird das sehr unterschiedlich gehandhabt.

Eine intakte Natur erbringt Dienstleistungen in Milliardenhöhe

Das ergebnislose Ende in Cali zeigt: Biodiversität besitzt ausserhalb von Umweltschutzorganisationen und Gruppen von Biodiversitätsforschern keine hohe Priorität. Unvorstellbar, dass eine Klimakonferenz ohne Schlusserklärung enden würde, mag sie auch unbefriedigend sein. Da ist der weltweite Druck auf die Regierungsdelegationen viel zu gross, als dass man nach zwei Wochen Verhandlungen ohne wenigstens einige Vereinbarungen aus den Tagungshallen auftauchen könnte.

Das Ende der Biodiversitätskonferenz in Cali ist symptomatisch für die aktuelle Lage in puncto Naturschutz. Immer mehr Regierungen stehlen sich aus der Verantwortung. So wurde beispielsweise der Green Deal der EU-Kommission in den letzten Jahren gerade beim Artenschutz stark verwässert.

Dabei ist der Erhalt der Biodiversität keineswegs nur ein nettes Hobby. Wir Menschen hängen enorm von einer intakten Umwelt ab. Nur wenn viele unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten miteinander agieren, gibt es dauerhaft fruchtbare Böden, ausreichende Bestäubung, Schutz vor Naturkatastrophen und vieles mehr. Gemäss Berechnungen der OECD entspricht der Wert all dieser Leistungen der Natur weltweit 125 000 bis 140 000 Milliarden US-Dollar pro Jahr. So gibt es nur in und mit einer artenreichen Natur ausreichend Lebensmittel.

Selbst wenn diese Zahlen Schätzungen sind, ist ersichtlich, dass Biodiversität ein schützenswertes Gut ist. Daher ist es umso erschreckender, dass auch wohlhabende Länder wie die Schweiz oder Deutschland ihre Zusagen im Montreal-Abkommen nicht umsetzen. So hat die Schweiz immer noch keinen Plan vorgelegt, wie ihr Beitrag zum erwähnten 30-x-30-Ziel auf Landesebene konkret aussehen soll. Deutschlands Umweltministerin hatte zwar einen Aktionsplan mitgebracht, doch der ist noch nicht vom Kabinett bewilligt.

Eine fehlende Schlusserklärung darf jetzt keine Entschuldigung für zögerliches oder gar ausbleibendes Handeln sein.

Industrie soll für genetische Daten zahlen

Immerhin, es gibt auch zwei positive Signale aus Cali. Man plant, künftig lokalen Gemeinschaften und indigenen Gruppen ein formelles Mitspracherecht bei Projekten in ihren Territorien zu geben. Dafür soll ein eigenes Gremium eingerichtet werden.

Zudem soll ein internationaler Fonds eröffnet werden, in den Firmen einzahlen, die genetische Daten von Tieren oder Pflanzen für Medikamente, Kosmetika oder Lebensmittel nutzen. Mit den Geldern sollen Umweltschutzprojekte in ärmeren Regionen und jenen Ländern finanziert werden, aus denen die Daten herkommen. Zwar sind die Zahlungen freiwillig. Aber sie machen eines deutlich: Biodiversität hat einen Wert.

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