Montag, September 30

Der Grossbäcker hat fünf der sechs Mittelfristziele bereits erreicht, damit ist die erfolgreiche Trendwende praktisch geschafft. Die Aktien brauchen den Vergleich mit der Konkurrenz nicht zu scheuen.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Aryzta ist auf Kurs, mehr als das, Aryzta ist ihrem eigenen Plan sogar voraus. Fünf von sechs Ziele hat der Grossbäcker frühzeitig erreicht, die Finanzierungssituation hat er schrittweise verbessert und die Zukunft an der Unternehmensspitze ist auch geklärt.

Und die Anlegerinnen und Anleger? Die sind skeptisch, wie ein Blick auf den Aktienkurs vom Montagmorgen zeigt.

Die Zurückhaltung dürfte hauptsächlich an der organischen Umsatzentwicklung liegen: Im ersten Halbjahr 2024 resultierte ein Minus von 0,7%, was unter den Erwartungen lag. Und auch wenn das Management um Noch-CEO und Präsident Urs Jordi darauf verweist, dass die Schwäche mitunter bewussten Massnahmen zur Stärkung der Profitabilität geschuldet war und sich auch die äusseren Umstände im zweiten Halbjahr bessern sollen, der Konsens wankt.

Analysten stellen Wachstumsziel infrage

Ein Wachstum aus eigener Kraft von 2,9% für 2024 trauten die Analysten dem Unternehmen vor der Zahlenvorlage noch zu. Daraus wird wohl nichts – und so stellen erste Analysten bereits das Ziel eines organischen Wachstums im «unteren bis mittleren Prozentbereich» für das laufende Jahr infrage. Hauptgrund sind nicht verlängerte Verträge mit Einzelhändlern in Grossbritannien und Irland. Aber auch der Einfluss des Boykotts westlicher Produkte – sprich gegen Aryztas Grosskunden McDonalds – in der islamischen Welt, insbesondere in Malaysia, dürfte weiterhin eine wichtige Rolle gespielt haben. Darüber hinaus spürt der Grossbäcker auch die schlechte Konsumstimmung in Europa.

Während es sich beim ersten Treiber um eine temporäre Massnahme handelt, werden die anderen Effekte noch etwas zu spüren sein. Der Blick auf die kommenden Monate sorgte an der Telefonkonferenz am Montagmorgen denn auch für die meisten Fragen. Das Management zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich die Stimmung – zusammen mit dem Wetter – verbessert. Neben saisonalen Effekten und einer einfacher werdenden Vergleichsbasis soll auch die Lancierung neuer Produkte das Wachstum stützen.

Klar ist aber auch, dass Aryzta in eine neue Phase eingetreten ist, zweistellige Zuwachsraten gehören der Vergangenheit an. Wo sich die Normalität einpendeln wird, ist angesichts der konjunkturellen Schwäche aus meiner Sicht schwierig voraussehbar. Langfristig wächst der Backwarenmarkt mit der Weltbevölkerung. Aufbackwaren, wo Aryzta vielerorts Marktführer ist, zusätzliche 2 bis 3 Prozentpunkte.

Aryzta ist sehr verlässlich geworden

Diese Unsicherheit steht im Kontrast zur Verlässlichkeit, mit der Aryzta, jene Faktoren beeinflusst, die sie beeinflussen kann und damit ihre im Juni 2022 vorgestellten Mittelfristziele für das Geschäftsjahr 2025 bereits erfüllt. Das Umsatzziel von 2 Mrd. € ist bereits erreicht, ebenso das Ziel eines durchschnittlichen organischen Wachstums von 4,5 bis 5,5% im Jahr über die Periode von 2023 bis 2025. Die Rendite auf das investierte Kapital (ROIC) lag zuletzt mit 13,1% bereits über dem angestrebten Wert von 11% – und noch deutlicher über den durchschnittlichen Kapitalkosten von rund 8%.

Die gute Geschäftsentwicklung und der solide freie Cashflow – 53 Mio. € im ersten Halbjahr 2024 – führten zu einer weiteren Reduzierung der Nettoverschuldung auf das 2,9-Fache des Ebitda, wodurch das mittelfristige Ziel eines Verschuldungsgrads von unter dem 3-Fachen ebenfalls früher als geplant erreicht wurde. Nun soll dank einer neuen Kreditfazilität in Höhe von 930 Mio. € – zu den bisherigen Konditionen – der grösste Teil der noch ausstehenden Hybridschuld getilgt werden. Bis zum nächsten Kündigungstermin im Oktober will das Unternehmen Anleihen im Umfang von rund 325 Mio. Fr. zurückkaufen, wodurch im kommenden Jahr ein zweistelliger Millionenbetrag an Zinskosten wegfallen soll.

Das wird die Profitabilität weiter stützten. Bereits im ersten Halbjahr griffen die angesprochenen Massnahmen; bei einem Ebitda von fast 150 Mio. € erreichte die entsprechende Marge 14,2%. Womit das Ziel von 14,5% ebenfalls in Griffnähe ist.

Das neue Management bringt 2025 neue Ziele

Im ersten Halbjahr 2025 will das Management neue Mittelfristziele für die Periode bis 2027 kommunizieren. Gut möglich, dass diese Aufgabe dann dem neuen CEO Michael Schai zufällt. Der Betriebswirtschafter, der dank seiner Zeit bei Lindt & Sprüngli und seiner Hiestand-Vergangenheit Erfahrung in der Lebensmittelbranche mitbringt, übernimmt am 1. Januar die operativen Geschicke. Sein sehr geschätzter Vorgänger und VR-Präsident Urs Jordi hinterlässt grosse Fussstapfen. Doch auch diese Anfang Juli angekündigte Rochade kommt bei Investoren und Analystinnen bisher gut an.

Es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten und sich zu vergegenwärtigen, woher Aryzta kommt und was das Management in den vergangenen Jahren angepackt hat. Mit dem vorzeitigen Erreichen der Mittelfristziele vollzieht das Unternehmen eine Trendwende, die vor gut zwei Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten hat. Damit lässt es wieder mit den Mitbewerbern vergleichen – und den Vergleich braucht es derzeit nicht zu scheuen: Die erwartete Cashflowrendite für 2024 liegt mit rund 6% in der Grössenordnung der mexikanischen Grupo Bimbo und deutlich über einer Emmi. Die Bewertung ist dagegen moderat. Ich bleibe für die Aktien positiv gestimmt.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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