Die Schweiz ist verpflichtet, Teile des neuen Asyl- und Migrationspakts der EU zu übernehmen. Die SVP ist dagegen, und auch Flüchtlingsorganisationen sind skeptisch.
Die Dublin-Regel klingt einfach: Der Staat, in dem ein Flüchtling zuerst den Boden betritt, ist für das Asylverfahren zuständig. Doch die Umsetzung ist schwierig, wie sich bereits in der Folge des syrischen Bürgerkriegs 2015 zeigte. 2,4 Millionen Menschen kamen über die südlichen und südöstlichen Aussengrenzen der Europäischen Union. Viele reisten direkt weiter nach Deutschland, ohne sich zu registrieren.
In den letzten Jahren ist die Akzeptanz der Migration in Europa weiter gesunken. Darauf weisen der Erfolg rechter Parteien sowie das verschärfte Grenzregime diverser Staaten hin. Für einen grossen Teil der europäischen Politik ist daher klar: Das System muss sich ändern, die irreguläre Migration sowie die Sekundärmigration müssen eingedämmt werden.
Das will der EU-Asyl- und -Migrationspakt erreichen, den das Europäische Parlament und der EU-Rat im Mai 2024 verabschiedet haben. Die Schweiz hat gemäss den Schengen- und Dublin-Abkommen zwei Jahre Zeit für die Umsetzung der für sie geltenden Bestimmungen.
Am Mittwoch hat der Bundesrat die Botschaft verabschiedet. Die Schweiz sei aufgrund ihrer geografischen Lage stark von der Wirksamkeit der europäischen Migrationspolitik abhängig, schreibt er. Daher möchte er sich auch an einer der zentralen Massnahmen beteiligen, die für die Schweiz freiwillig ist: dem Solidaritätsmechanismus.
Länder wie Griechenland oder Italien, in denen besonders viele Migranten ankommen, sollen entlastet werden, etwa durch Zahlungen oder durch die Abnahme von Geflüchteten. Der Bundesrat hat das Departement von Asylminister Beat Jans beauftragt, mögliche Massnahmen aufzuzeigen.
Menschenrechte schützen
Keinen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung dagegen bei den geplanten Asylverfahren an der EU-Aussengrenze. Personen und Familien, die wahrscheinlich kein Asyl erhalten oder die als Sicherheitsrisiko eingestuft werden, sollen in Auffanglagern aufgehalten werden. Innert zwölf Wochen werden ihre Verfahren abgewickelt, bei einem negativen Entscheid sollen sie in weiteren zwölf Wochen rückgeführt werden. Eine Ausnahme sind unbegleitete Minderjährige.
Die Schweiz habe bereits ein funktionierendes Verfahren an ihrer Schengen-Aussengrenze, schreibt der Bundesrat. Gemeint sind die internationalen Flughäfen Zürich und Genf. Allerdings unterstütze die Schweiz sämtliche Elemente, die zur Sicherung der grundrechtskonformen Abwicklung der Grenzverfahren beitrügen. Mängel aufgrund von Überbelegung oder ungeeigneten Einrichtungen könnten gegen Menschenrechtsstandards verstossen und die Legitimität der Grenzverfahren beeinträchtigen, so der Bundesrat warnend.
Ein Referendum ist wahrscheinlich. Denn die Auffanglager sorgen auch unter Flüchtlingsorganisationen, bei den Grünen und der SP für Kritik. Sie fordern weitere Massnahmen zum Schutz von Flüchtlingen. Auch die SVP lehnt die gesamte Vorlage kategorisch ab, aber aus anderen Gründen. Die Schweiz müsse souveräne, einseitige und unabhängige Kontrollen an ihren Landesgrenzen durchführen können. Die FDP, die Mitte und die GLP begrüssen den Pakt mehrheitlich, ebenso wie die Kantone, von denen einige allerdings Mehraufwand befürchten.