Mittwoch, November 12

Die Gräben zwischen Republikanern und Demokraten verlaufen so tief wie lange nicht mehr. Doch nun erschüttern Bilder des blutverschmierten Donald Trump alle Amerikaner.

Die Nachricht vom vereitelten Attentat auf den früheren Präsidenten Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania hat die USA am Samstagnachmittag erschüttert. Bilder des blutverschmierten republikanischen Präsidentschaftskandidaten liefen auf allen Nachrichtensendern und zirkulierten in den sozialen Netzwerken.

Präsident Joe Biden verurteilte an einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz politisch motivierte Gewalt: «Es ist krank», sagte er. Solche Gewalt in den USA sei nicht angebracht. Im Laufe des Samstagabends rief er «Donald» persönlich an und wünschte ihm gute Besserung, wie eine Sprecherin des Weissen Hauses mitteilte.

Die linksliberal orientierte «New York Times» nannte «jeglichen Versuch, eine Wahl durch Gewalt zu entscheiden, abstossend». In ähnlichen Worten verurteilte das konservative Meinungsressort des «Wall Street Journal» die Tat und appellierte an Donald Trump, nun «das Land zu einen». Ebenso müssten beide politischen Parteien aufhören, die anstehende Präsidentenwahl in «apokalyptischen Termini» zu beschreiben.

Politisch motivierte Gewalt nimmt zu

Tatsache ist, dass es in den USA immer wieder Fälle politisch motivierter Gewalt oder Gewaltandrohungen gegeben hat. Diese haben in den vergangenen Jahren aber deutlich zugenommen. Spitzenpolitiker und ihre Familien werden zum Ziel: Der Ehemann der früheren Speakerin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi war beispielsweise 2022 im Privathaus der Familie Pelosi von einem Mann schwer verletzt worden; dieser bekannte sich als Gegner der Demokraten.

Die demokratische Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, sollte 2020 von einer Gruppe teilweise paramilitärischer Anhänger entführt werden. Die Bundespolizei FBI vereitelte den Plan.

Auch Kongressmitgliedern und Richtern wurde jüngst mit Gewalt gedroht: Gemäss der Strafverfolgungsbehörde United States Marshals Service haben sich im Fiskaljahr 2023 Drohungen gegen Bundesrichter auf 457 Vorfälle verdoppelt.

Selbst lokale Beamte sind nicht gegen politische Gewalt gefeit: Im Gliedstaat Arizona, der beim Ausgang der Präsidentenwahl 2020 eine wichtige Rolle gespielt hatte, erhielten Mitarbeiter von Wahlbehörden Morddrohungen. Auch ihre Haustiere wurden vergiftet. Es scheint, dass bei manchen Bürgern der Hass gegen den politischen Gegner so tief sitzt, dass alle Mittel gerechtfertigt scheinen.

In Umfragen des Pew Research Center geben inzwischen 55 Prozent der Bürger an, der Gedanke an die Politik mache sie «wütend.» Zwei Drittel antworteten, sie seien «erschöpft».

Donald Trump ist keineswegs unschuldig an der zunehmenden politisch motivierten Gewaltbereitschaft. Seine Anhänger stürmten nach seiner Rede beim Weissen Haus am 6. Januar 2021 das Capitol. Bis heute erkennt er den Wahlausgang 2020 nicht an. Vor aggressiver Rhetorik schreckt er nicht zurück. So bezeichnete er im November 2023 seine politischen Gegner als Ungeziefer, das auszurotten sei. Erst vor wenigen Wochen hatte ihn das Magazin «Time» in einem Interview gefragt, ob er politische Gewalt ausschliessen würde, sollte er die Wahl verlieren. «Es hängt immer davon ab, ob die Wahlen fair verlaufen sind», antwortete er.

Offenbar hatte Trump nicht in Erwägung gezogen, dass er selbst zum Ziel einer Gewalttat werden könnte. Auf die grundsätzliche Frage, ob er sich sorge, dass es im Kontext der Präsidentenwahl zu politischer Gewalt kommen könnte, hatte er geantwortet: «Nein, ich glaube nicht, dass das passieren wird.»

Wahlempfehlung von Elon Musk

Trotz dem Schock über den Anschlag auf einen Präsidentschaftskandidaten ging in den USA am Samstagabend schnell der Wahlkampf weiter. Der Tesla-CEO Elon Musk nutzte den Moment für eine klare Wahlempfehlung. «Ich unterstützte Trump vollkommen und hoffe auf seine schnelle Genesung», schrieb er auf der ihm gehörenden Plattform X.

Auch der Milliardär und Hedge-Fund-Manager Bill Ackman stellte sich kurz nach dem vereitelten Anschlag hinter Trump als Präsidentschaftskandidat.

Ebenso nutzten einige Republikaner den Vorfall für Kritik an den Demokraten. Der republikanische Abgeordnete Steve Scalia aus Louisiana, der 2017 selbst bei einem Anschlag von einem politischen Gegner verletzt worden war, kritisierte auf X die Demokraten dafür, dass sie lächerliche Hysterie geschürt hätten, dass die Wahl von Trump das Ende der Demokratie bedeuten würde. «Diese aufwieglerische Rhetorik muss aufhören.»

Auch J. D. Vance, Senator aus Ohio und potenzieller Vizepräsidentschaftskandidat von Trump, ergriff die Gelegenheit für harsche Vorwürfe an den politischen Gegner. Die Rhetorik von Bidens Wahlkampfteam «hat direkt zum versuchten Mordanschlag gegen Präsident Trump geführt», sagte er.

Einige Beobachter befürchteten bereits, dass es bei einem Auftritt von Joe Biden oder anderen demokratischen Spitzenpolitikern zu einem vergleichbaren Attentatsversuch kommen könnte.

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