Der Mischkonzern OC Oerlikon hält am geplanten Ausstieg aus dem Chemiefasergeschäft fest. Für ein IPO in China fehlt die Zeit. Eher dürfte die Sparte bei einem asiatischen Konkurrenten landen.
In der Schweiz befindet sich ein weiteres Industriekonglomerat in Auflösung.
Doch während der bisherige Schaffhauser Mischkonzern Georg Fischer Mitte vergangener Woche mit United Grinding bereits einen Käufer für seine Maschinenbausparte präsentieren konnte, dauert bei OC Oerlikon die Suche nach einem Abnehmer für das Textilmaschinengeschäft an, wie das Unternehmen anlässlich der Verkündung seiner Quartalszahlen am Dienstag mitteilte.
Fokussierung auf Oberflächentechnologie
Laut dem geschäftsführenden Verwaltungsratspräsidenten (Executive Chairman) Michael Süss laufen noch keine Verhandlungen mit möglichen Kaufinteressenten. «Wir halten uns weiterhin alle Optionen offen», sagte Süss an einer Telefonkonferenz für Medienvertreter.
Allerdings bleibt man bei OC Oerlikon bestrebt, sich aus dem stark zyklischen Geschäft mit Anlagen für die Herstellung von Chemiefasern zurückzuziehen und sich auf die breiter abgestützte Oberflächentechnologie sowie die additive Fertigung (3-D-Druck) zu konzentrieren. Der strategische Schritt, der den jahrelangen Umbau von einem Mischkonzern auf ein fokussiertes Industrieunternehmen abschliessen soll, war bereits im vergangenen Februar angekündigt worden.
Gleichzeitig hatte das Management eine Umsetzung innerhalb von ein bis drei Jahren in Aussicht gestellt. An diesem Zeitplan hält es fest.
Abschreckendes Beispiel Syngenta
Trotz aller Offenheit gegenüber der Ausgestaltung der Abspaltung dürfte ein Börsengang des Chemiefasergeschäfts nicht mehr zu den Optionen zählen. Wegen der starken Verankerung dieses Bereichs in China wäre eine chinesische Kotierung auf der Hand gelegen. Doch nach Angaben von Süss spricht der hohe Zeitaufwand, der in Kauf genommen werden müsste, dagegen.
Wie langwierig Vorbereitungen für ein Initial Public Offering (IPO) in China verlaufen, musste vor wenigen Monaten erst der Basler Agrochemiekonzern Syngenta schmerzlich erfahren. Das Unternehmen entschied sich im Frühjahr nach dreijährigem Vorlauf, die Übung abzubrechen.
Rieter winkt ab
OC Oerlikon dürfte stattdessen das Chemiefasergeschäft am ehesten einem Konkurrenten oder einem Finanzinvestor zu verkaufen versuchen.
Wohl kaum infrage dafür kommt Rieter. Das Management des Winterthurer Textilmaschinenherstellers, das zurzeit stark mit der Bewältigung eigener Probleme beschäftigt ist, signalisierte an einem Investorentag Anfang vergangener Woche Desinteresse.
Wie Süss durchblicken liess, gibt es neben einem Hauptkonkurrenten mit Sitz in Japan aber mehrere chinesische Wettbewerber. Auch in Indien hat OC Oerlikon bei der Herstellung von Maschinen zur Produktion von Polymeren Konkurrenz erhalten.
Ähnlich wie Rieter kämpft OC Oerlikon mit einer starken Abschwächung in seinen Absatzmärkten. Es werden derzeit viel zu wenig Kleider gekauft, als dass Textilhersteller in ihren Maschinenpark investieren würden. In den ersten neun Monaten dieses Jahres verlor die Chemiefasersparte des Konzerns aus dem schwyzerischen Pfäffikon fast ein weiteres Drittel an Umsatz.
Restrukturierung in Deutschland zahlt sich aus
Noch stärker gegenüber der Vorjahresperiode bildete sich mit 44 Prozent der Betriebs-Cashflow (Ebitda) zurück. Die Ebitda-Marge sank dadurch um weitere 2,3 Prozentpunkte, verblieb mit 11,4 Prozent aber gleichwohl auf einem zweistelligen Niveau.
Süss verwies auf frühzeitig ergriffene Personalabbaumassnahmen an den deutschen Standorten in Remscheid und Neumünster beziehungsweise die Verlagerung von Tätigkeiten in Richtung Indien und China. Man sei so deutlich widerstandsfähiger gegenüber früher geworden, sagte er. Zur Zeit der letzten zwei Abschwünge in der Textilbranche, 2009/10 sowie 2016, sei die Profitabilität erst katastrophal gewesen, und beim zweiten Mal habe man es gerade so geschafft.
Die deutlichen Fortschritte bei der Ertragskraft sollten, so zeigen sich Analysten von Baader Helvea Equity Research überzeugt, dem Unternehmen auch in Verhandlungen mit Kaufinteressenten zum Vorteil gereichen.
Dennoch geriet der Aktienkurs von OC Oerlikon am Dienstag abermals unter Druck und verlor bis zum frühen Nachmittag um 4,5 Prozent auf 3.80 Franken. Die Zuversicht, von der die Notierung ab Ende April 2024 profitierte und die sie vorübergehend auf bis zu über 5 Franken gehievt hatte, scheint verflogen zu sein.
Stellenabbau in Pfäffikon
Nach Einschätzung von Süss ist die Börsenkapitalisierung mit 1,3 Milliarden Franken auf ein «lächerlich tiefes Niveau» gesunken. Sie bilde in keiner Weise ab, was OC Oerlikon wert sei, wenn man die einzelnen Teile bewerten und die entsprechenden Beträge dann zusammenzählen würde. Offenbar wollen Investoren aber erst abwarten, wie viel der Konzern bei der geplanten Abspaltung des Chemiefasergeschäfts herauszuholen vermag, ehe sie eine Neueinschätzung vorzunehmen bereit sind.
In einem weiteren nächsten Schritt wird OC Oerlikon den Personalbestand in der Zentrale in Pfäffikon um ungefähr 30 Personen auf rund 100 Mitarbeitende verringern. Ohne Chemiefasergeschäft wird der Konzern weniger Fachkräfte für den Support unter anderem im Personalwesen, in der IT sowie in der Finanzabteilung benötigen.