Freitag, Oktober 18

Verschiedene Studien belegen, dass Training am Morgen einen grösseren Effekt bei der Gewichtsreduktion hat. Doch zwischen den Eulen und den Lerchen der Sportwelt bleibt es kompliziert.

Mittlerweile grassiert auch im Hobbysport der Optimierungswahn. Joggen ist nicht mehr gleich Joggen; Krafttraining nicht gleich Krafttraining. Wie hoch jage ich den Puls? Wie lange dauert die Einheit? Wie oft stemme ich wie viel Gewicht? Hinzu kommen Diskussionen über Ernährung, Kleidung, Erholung. Und, und, und.

Dass sich Hobbysportler mittlerweile auch Gedanken über den idealen Zeitpunkt des Trainings machen, ist bei aller Optimierung ein neues Phänomen. Schlafforscher unterscheiden zwischen Lerchen und Eulen. Erstere sind am Morgen leistungsfähig, gehen aber früher schlafen. Die Eulen hingegen schaffen es morgens kaum aus dem Bett, erreichen am späten Abend dafür die höchste Leistungsfähigkeit.

Übertragen auf den Sport führt das zu noch mehr Fragen. Geht man am Morgen joggen, am besten mit nüchternem Magen? Dann soll der Körper die Fettreserven anzapfen müssen und verbrennt angeblich auch im weiteren Tagesverlauf effizienter Kalorien. So argumentieren die Befürworter des Morgentrainings.

Anderen ist der Gedanke ein Graus, sich direkt vom Bett auf die Joggingrunde zu begeben. Sie finden, es komme nicht darauf an, wann die Kalorien verbrannt würden. Es gehe schliesslich um die Gesamtsumme. Jedes Training wirke sich gleich positiv auf den Stoffwechsel und den Kreislauf aus. Ausserdem sei das Abendtraining eine Wohltat für den Geist und baue den Stress des Tages ab. Die Wissenschaft ist sich ebenfalls uneinig. Es gibt verschiedene Studien, die die Vorteile des jeweiligen Trainingsplans herausstreichen. Es ist kompliziert zwischen den Eulen und den Lerchen der Sportwelt.

Senkt Morgensport das Risiko einer koronaren Herzkrankheit?

Eine Untersuchung der University of California hat herausgefunden, dass Mäuse bei körperlicher Aktivität am Morgen überdurchschnittlich viel Fett verbrennen. Mensch ist nicht gleich Maus, so werden Morgenmuffel nun argumentieren und eine Studie der Universität Maastricht ins Feld führen. Diese hat anhand von 32 Versuchspersonen herausgefunden, dass diese am Nachmittag mehr Fett verbrannt haben als am Morgen. Eine Schwäche dieser Studie ist jedoch die geringe Zahl von Probandinnen und Probanden.

Eine Untersuchung aus den Niederlanden liefert wiederum den Lerchen Argumente für Morgensport. Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität Leiden haben die Daten von 86 657 Personen ausgewertet. An diese grosse Stichprobe sind sie durch die UK Biobank gekommen, eine seit 2006 laufende Langzeitstudie aus Grossbritannien, die die Entstehung von Krankheiten untersucht.

Nach der Auswertung von Zehntausenden Aktivitätsprofilen und Gesundheitsdaten kamen die niederländischen Forscher zu einem deutlichen Resultat: Menschen, die am Morgen Sport treiben, tragen ein 16 Prozent niedrigeres Risiko einer koronaren Herzkrankheit als Probanden, die das Training auf den Nachmittag legen. Die koronare Herzkrankheit führt zu verengten oder gar verstopften Herzkranzgefässen.

Der Unterschied zeigte sich bei der niederländischen Untersuchung selbst dann, wenn die Morgen- und die Abendsportlerinnen in etwa gleich viele Kalorien verbrannt hatten. Die Wissenschafter erklären diesen Unterschied mit dem grösseren Effekt auf den Stoffwechsel, den Morgentraining haben soll. Der Stoffwechsel reguliert auch das Hungergefühl und die Fettverbrennung.

Nüchterntraining kurbelt die Fettverbrennung an

Fettverbrennung. Das dürfte bei vielen Hobbysportlerinnen und Hobbysportlern die Hauptmotivation für das Training sein. Amerikanische Wissenschafter haben übergewichtige und zuvor inaktive Personen während zehn Monaten fünfmal in der Woche Sport treiben lassen. Mit einem verblüffenden Resultat: Jene Probandinnen und Probanden, die am Morgen trainiert hatten, verloren signifikant mehr Fett als jene, die sich am Nachmittag bewegt hatten. Und sie schafften es ausserdem, das Gewicht längerfristig zu senken.

Christina Spengler ist Naturwissenschafterin, Ärztin und Professorin für Sportphysiologie an der ETH in Zürich. Mit Blick auf die erwähnten Studien sagt sie: «Sie liefern einige Hinweise darauf, dass Morgensport einen grösseren Einfluss auf den Stoffwechsel und die Fettverbrennung hat als Training am Nachmittag.» Spengler vermutet, dass der zirkadiane Rhythmus, die innere Uhr, für den Effekt mitverantwortlich ist.

Ein zweiter Faktor könnte laut Spengler sein, dass die Morgensportler tendenziell mit nüchternem Magen trainiert haben. «Nüchterntraining verstärkt die Fettverbrennung, weil die Kohlenhydratspeicher nach einer längeren Fastenperiode wie einer Nacht Schlaf nicht mehr so gut gefüllt sind wie am Abend.» Sie gibt aber zu bedenken, dass ein langfristig positiver Effekt von Nüchterntraining auf diese Art von Fettabbau nicht klar sei.

Für die Eulen gibt es auch gute Nachrichten

Es deutet also vieles darauf hin, dass Frühaufsteher gegenüber Nachtschwärmern im Vorteil sind, wenn es um die Gewichtsreduktion durch Sport geht. Ist es also sinnvoll, wenn sich auch die Eulen frühmorgens aus dem Bett quälen?

Spengler hat trotz der Studienlage eine gute Nachricht für alle, die lieber länger liegenbleiben: «Ob sich auch der Trainingseffekt unterscheidet, wurde nicht untersucht.» Und es sei ohnehin schwierig, nur mit sportlicher Aktivität das Gewicht zu reduzieren und Fettpolster loszuwerden. «Es ist zielführender, die Kalorienzufuhr auch zu reduzieren, als allein den Verbrauch durch Sport zu erhöhen», sagt Spengler.

Ausserdem hänge die Fettverbrennung beim Sport – ob am Morgen oder am Abend – von zahlreichen anderen Faktoren ab, die nicht untersucht worden seien, sagt Spengler. Es bleibt also kompliziert zwischen den Lerchen und den Eulen der Sportwelt.

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