Das Tessin ist mit seiner Dichte an lokalen Medien ein medialer Sonderfall. Nun kündigt ausgerechnet der Platzhirsch eine Sparrunde an. Das bedeutet auch für die privaten Medienhäuser im Kanton nichts Gutes.
Die angekündigten Sparrunden bei privaten und öffentlichrechtlichen Medien in der Deutschschweiz und der Romandie haben viel Unmut ausgelöst. Die Anzahl der wegfallenden Stellen ist beachtlich, die Folgen für die mediale Versorgung teilweise enorm. Nun ist der Süden an der Reihe.
Bis Ende nächsten Jahres muss das Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz (RSI) 5 Millionen Franken einsparen. Bis Ende 2026 müssen es insgesamt mindestens 15 Millionen sein. Der RSI-Direktor Mario Timbal will dabei 15 Stellen abbauen, aber nur 5 Personen entlassen. Die restlichen 10 Stellen will er bis Ende 2025 durch Frühpensionierungen und natürliche Fluktuation einsparen. Damit war er schon bei der letzten Sparrunde vor einigen Jahren gut gefahren.
Das klingt wenig dramatisch im Vergleich zur grösseren Westschweizer Schwester Radio Télévision Suisse (RTS). Diese muss 10 Millionen Franken einsparen, 55 Stellen abbauen und dabei bis zu 30 Personen entlassen. Die Tessiner Sektion der Mediengewerkschaft SSM sorgt sich vor allem um die Zeit nach der Sparrunde. Bis 2029 sinken die Radio- und Fernsehgebühren von 335 auf 300 Franken, und die vor einem Jahr eingereichte Volksinitiative «200 Franken sind genug» sorgt für zusätzliche Ungewissheit.
Zu kleiner Markt für breites Kulturangebot
Der grosse Umbau ab 2027 soll das RSI an die sinkenden Werbe- und Gebühreneinnahmen sowie veränderten Publikumsansprüche anpassen. Wie das neue Unternehmensmodell aussehen soll, steht noch nicht fest.
Timbal will die Strukturen und das Angebot des RSI redimensionieren und «redesignen», wie er gegenüber dem «Corriere del Ticino» erklärte. So sollen etwa politische und investigative Hintergrundsendungen im Fernsehen nur noch eine Stunde dauern und teilweise früher am Abend ausgestrahlt werden. Zudem plant Timbal, die bereits eingeleitete Reduktion der Kulturproduktionen weiter voranzutreiben. Die italienische Schweiz sei ein zu kleiner Markt für ein umfassendes Kulturangebot des RSI.
Als regionaler Mediengigant ist das RSI einer der grössten Arbeitgeber im Tessin. Von den gesamtschweizerisch 7200 SRG-Mitarbeitenden sind 1140 für das RSI tätig. Die regionale Vormachtstellung des RSI ist ungebrochen. Ihr Anteil am TV-Markt im Tessin und in den vier italienischsprachigen Südbündner Tälern liegt in der Primetime bei rund 30 Prozent, das Radio kommt sogar auf 57 Prozent. Damit haben sich die Zahlen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht wesentlich verschlechtert.
Kritik an den Dimensionen das RSI
Das RSI hat im Vergleich zum Deutschschweizer SRF längere Nachrichtensendungen, sowohl regional als auch überregional. So werden zum Teil auch lokale Nachrichten gesendet, die es anderswo kaum in eine Sendung schaffen würden und deren Relevanz manchmal fragwürdig ist. Einzig aus den Südbündner Tälern kommt gelegentlich Kritik, sie würden zu wenig berücksichtigt.
Gelegentlich warfen nationale Politiker der SRG denn auch vor, zu viel Geld in das RSI zu stecken. Der Hauptvorwurf lautet, das Unternehmen sei angesichts der geringen Bevölkerungszahl der italienischen Schweiz überdimensioniert.
Dass die nun angekündigte Sparrunde tatsächlich zu einer relevanten Reduktion des medialen Service public im Tessin führen wird, darf deshalb bezweifelt werden. Ausserdem ist der Kanton mit seinen 355 000 Einwohnern ein medialer Sonderfall.
Neben dem RSI gibt es den privaten TV-Sender «Teleticino», zwei Tageszeitungen, eine tägliche Gratiszeitung, zwei Gratis-Sonntagszeitungen, mehrere Wochenzeitungen, eine Reihe von Online-Newsportalen sowie zwei private Radiosender. In der Schweiz gibt es kaum mehr eine Region in dieser Grössenordnung mit einem derart vielfältigen Medienangebot.
Bei dieser Mediendichte machen sich aber auch kleine Erschütterungen und Krisen schnell bemerkbar. Seit dem Ende der Pandemie ist das Informationsbedürfnis kleiner geworden, die Werbeeinnahmen gehen weiter zurück. Wenn nun ausgerechnet der Platzhirsch RSI als erstes Medium neue Spar- und Umstrukturierungsrunden ankündigt, könnte dies ein negatives Vorzeichen für die gesamte Tessiner Medienlandschaft sein.
Die beiden Tageszeitungen des Kantons legen seit einiger Zeit ihre Lokalredaktionen immer konsequenter zusammen. Den Tessiner Medien stehen schwierige Zeiten bevor.