Nikki Haley hat Trump in den republikanischen Vorwahlen scharf kritisiert. Nun stellt auch sie sich hinter den ehemaligen Präsidenten. Alles läuft derzeit rund für die Republikaner. Die Delegierten erwarten im November nichts anderes als einen Erdrutschsieg.
In den republikanischen Vorwahlen war Donald Trumps frühere Uno-Botschafterin seine schärfste Kritikerin. Nikki Haley war nicht einverstanden mit seiner Schuldenpolitik, seinem Schmusekurs mit Wladimir Putin und seiner impulsiven Persönlichkeit. Sie nannte Trump «toxisch» und «verrückt». Eine zweite chaotische Amtszeit mit ihm werde Amerika nicht überleben, meinte die frühere Gouverneurin von South Carolina. Nachdem sie den Vorwahlkampf um die Nominierung ihrer Partei als Präsidentschaftskandidatin beendet hatte, sprach sie sich nicht für Trump aus.
Der Graben zwischen Haley und Trump war so tief, dass sie bis vor wenigen Tagen keine Einladung zum republikanischen Parteitag erhalten hatte. Dies änderte sich allerdings nach dem Attentat auf Trump am Samstag. Nun sagte Haley bei ihrem Auftritt im Basketballstadion der Milwaukee Bucks am Dienstagabend: «Der Präsident hat mich gefragt hier zur reden im Namen der Einigkeit.» Und diese Einladung habe sie gerne angenommen.
Nicht alle klatschten zunächst, als Haley die Bühne betrat. Aber sie eroberte ihr Publikum spätestens, als sie sagte: «Donald Trump hat meine volle Unterstützung.» Sie wolle zu allen sprechen, die wie sie nicht in allen Punkten mit dem ehemaligen Präsidenten einverstanden seien, holte Haley aus. Vor einem Jahr habe sie gesagt, dass eine Stimme für Biden eine Stimme für seine Vizepräsidentin Kamala Harris sei. Und dies habe sich nach Bidens katastrophaler Fernsehdebatte bewahrheitet.
«Wir einen die Nation»
Harris habe als Vizepräsidentin nur eine Aufgabe gehabt: die wachsenden Migrationsströme über die Südgrenze aus Mexiko in den Griff zu bekommen. «Man stelle sich vor, Harris wäre für das ganze Land zuständig!»
Haley übernahm auch Trumps Narrativ zum Ukraine-Konflikt. Als Obama im Weissen Haus war, habe Putin die Krim annektiert. Als Biden die Präsidentschaft übernommen hatte, sei Putin in die ganze Ukraine einmarschiert. Als Trump an der Macht war, habe Putin nichts getan. «Das ist kein Zufall. Er wusste, dass Trump stark war.»
Immer wieder erntete Haley lauten Applaus für ihren Auftritt. Und auch Trump verfolgte die Rede aus seiner Loge mit Genugtuung. Will er die Wahl im Herbst gewinnen, muss er die Partei einen. Mit Haleys Rede hat er in diesem Bemühen einen wichtigen Etappensieg errungen. Bisher verläuft der Parteitag auch in den Augen der Delegierten auf perfekte Weise. Mit wem man auch spricht, alle erwarten sie, dass Trump sie im Herbst zu einem grossen Sieg führen wird.
Ein amerikanischer Parteitag ist gewöhnlich ein wohl inszenierter Steigerungslauf. An den vier Tagen sollten die Reden auf der grossen Bühne des Basketballstadions in Milwaukee immer besser werden bis zum Höhepunkt am Donnerstag mit dem Auftritt des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. «Aber ich weiss gar nicht, wie es noch besser werden soll», sagte Greg Lussier, ein Delegierter und Immobilienmakler aus Hawaii, bereits am Dienstag. Ihm gefiel bis jetzt vor allem der Auftritt des Gewerkschaftsführers Sean O’Brian, der die Transportarbeiter vertritt. «Die Republikaner galten bisher als die Partei der Reichen», meint Lussier. Aber das habe sich gewandelt. Die Konservativen kümmerten sich nun auch um die Arbeiter. «Wir einen die Nation.»
Neben Gouverneuren, Senatoren und Abgeordneten treten bei dem Parteitag auch Normalbürger und Celebrities auf. So erzählte am Montag etwa eine Einwanderin aus Nicaragua, wie schwierig es angesichts der gestiegenen Preise ist, noch über die Runden zu kommen. Das Model Amber Rose – Tochter eines weissen Vaters und einer dunkelhäutigen Mutter – erklärte, sie habe den linken Propaganda-Medien irrtümlicherweise geglaubt, dass Trump ein Rassist sei. «Die Wahrheit ist, die Medien haben uns belogen.»
Viele Redner auf der Bühne seien Schwarze oder Latinos gewesen, betont Lussier, der Delegierte aus Hawaii. «Sie sagten, dass wir keine Partei von Rassisten sind.» Nicht die Republikaner, sondern die Demokraten würden das Land spalten. Biden habe Trump mit Hitler verglichen. «Und nachdem Trump fast erschossen worden war, begann er, seine aggressive Wahlwerbung zurückzuziehen.» Wie viele der Delegierten ist auch Lussier überzeugt, dass Biden eine Mitverantwortung für das Attentat am Samstag trägt.
Vance gilt als Hoffnungsträger
Die Kugel, die sich durch Trumps Ohr bohrte, hat vieles verändert, glaubt der texanische Politikberater Luke Tschritter. Er ist Gast am Parteitag und sagt: «Dieser Samstag hat die Wahl entschieden.» Das Attentat wirke wie ein Weckruf. Die republikanischen Wähler würden sich sagen: «Sie (die Demokraten) versuchten Trump zu eliminieren und wir werden uns wehren.» Dadurch sei es nicht mehr schwierig, die Wähler oder auch Wahlhelfer zu motivieren. «Es geht darum, das Land zu retten.»
Diese Energie ist auch am Parteitag spürbar. Verstärkt wird sie zusätzlich durch die Begeisterung für Trumps Vizepräsidentschaft-Kandidaten. Die Nominierung des 39-jährigen J. D. Vance ist gut aufgenommen worden. «Er ist jung und die Wähler haben es satt, alte Leute im Weissen Haus zu sehen», erklärt Tschritter. Da die Republikaner derzeit die Reihen schliessen und die Demokraten mit Joe Bidens Kandidatur hadern, ist die konservative Zuversicht gross. «Das Gefühl ist, es wird ein Erdrutschsieg.»
Biden scheint zwar den ersten internen Sturm nach seiner katastrophalen Fernsehdebatte überlebt zu haben. Aber hinter den Kulissen gärt der Konflikt über seine Kandidatur weiter. Der Präsident sollte noch vor dem Parteitag im August auf virtuelle Weise zum offiziellen Kandidaten der Demokraten nominiert werden. Doch eine wachsende Anzahl demokratischer Abgeordneter lehnt sich nun dagegen auf.
Der Kontrast zur aktuellen Stimmung am republikanischen Parteitag könnte kaum grösser sein. Die Demokraten hadern nicht nur mit Biden, sie sind sich auch nicht sicher, ob seine Vizepräsidentin Kamala Harris ihn erfolgreich ersetzen könnte. Ganz anders die Republikaner: Die texanische Delegierte Toni Anne Dashiell ist überzeugt von Vance. «Er inspiriert mich sehr», sagt die 70-Jährige. Der Politiker beweise mit seinem Aufstieg als Sohn einer drogensüchtigen Mutter, dass es den American Dream noch gebe. Vance werde damit vielen Leuten Hoffnung machen: «Du kannst ein Niemand sein und trotzdem jemand werden.»
Mit fast blindem Vertrauen
Mit wem man in Milwaukee auch spricht, niemand fürchtet wegen Trump um die amerikanische Demokratie oder die Zukunft der Nato. Es sei nicht so, dass der ehemalige Präsident nicht bereit sei, die Verbündeten der USA zu schützen. «Aber Trump sagt, dass die Verbündeten den Willen haben sollten, sich selbst zu verteidigen.» Die liberale Weltordnung werde besser geschützt sein, wenn nicht alle Demokratien für ihre Sicherheit von den USA abhängig sein würden.
Viele Amerikaner machen sich indes nicht solch komplexe Gedanken über das Weltgeschehen. Dashiell, die Mitglied des Nationalen Parteikomitees der Republikaner ist, vertraut auch in der Aussenpolitik fast blind auf Trump: «Die Leute haben Angst vor Trump und er liebt Amerika. Er wird das beste für das Land machen.»
Auch Dashiell spürt die spezielle Energie nach dem Attentat auf Trump. Sie betreibt in ihrer Heimatstadt an Wochenenden einen Stand, wo sie Trump-T-Shirts und andere Fan-Artikel des republikanischen Präsidentschaftskandidaten verkauft. «Vor dem Attentat machten wir an einem Wochenende einen Erlös von rund 1500 Dollar. Danach verkauften wir Waren für 3500 Dollar.»

