Mittwoch, Januar 29

Das Buch «Bumerangfamilie» sprüht vor Funken, ist aber zu filmisch gemacht.

Der Regisseur Inmo ist gescheitert. Bloss einen einzigen Film hat er gedreht, und der ist gefloppt. Irgendwann ist der 48-Jährige so blank, dass er wieder bei Mutti einzieht. Auch sein älterer Bruder ist zurück und hat sich häuslich eingerichtet. Der dicke Hanmo sass schon fünfmal im Knast; ausserdem frisst er und furzt viel. Ein Screwball-Charakter. Die Brüder verhauen sich oft, zumal sie ein Zimmer teilen müssen, denn auch ihre promiske Schwester Miyon zieht mitsamt ihrer pubertären Tochter wieder ein.

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So ist das in Cheon Myeong-kwans turbulenter «Bumerangfamilie»: Auch wenn man die Kinder mit Schwung ins Leben entlässt, kommen sie irgendwann in hohem Bogen zurück. Die belastbare Mutter nimmt sie alle wieder auf. Ihr schärfstes Schwert gegen das Schicksal sind regelmässige Mahlzeiten.

Erkennbar vor #MeToo

Cheons Roman ist ziemlich witzig, dabei aber nicht unhistorisch. Da er bereits 2010 auf Koreanisch erschien, gehört zum Beispiel die gut 70-jährige Mutter zur Generation Korea-Krieg. Bis in die siebziger Jahre erlebte Südkorea Armut und Diktatur. Wer diese Zeiten zu meistern wusste, lässt sich später vom Schlingerkurs der taumelnden Brut nicht ängstigen. Unerschrockene Mütter dieser Generation gibt es häufig auch im koreanischen Film. Man denke zum Beispiel an die rabiaten Sohn-Retterinnen in Bong Joon-hos «Mother» (2009) oder Kim Ki-duks «Pieta» (2012).

Auch «Eine Bumerangfamilie» wurde 2013 als Heldinnengeschichte gelungen verfilmt. Wirklich modern sind die Frauenfiguren in diesem Roman aber leider nicht. Während Männer darin die unterhaltsamsten Fehler machen dürfen, kann man die Verfehlungen der Frauenfiguren so zusammenfassen: irgendwas mit Unzucht. Dass Hanmo unter anderem für wiederholte Vergewaltigung im Knast sass und Inmo später aus beruflicher Verzweiflung zwei aberwitzige Pornos dreht, gehört zu den heute ebenfalls befremdlich wirkenden «fun facts» des Romans, der erkennbar vor #MeToo erschien.

Cheon Myeong-kwan hat wie seine Hauptfigur Inmo übrigens selbst lange in der Filmbranche gearbeitet. Er schrieb mehrere Drehbücher und führte mit 55 Jahren auch erstmals selbst Regie für «Hot Blooded» (2019), eine Verfilmung von Kim Un-sus Thriller «Heisses Blut». Die Liebe zum Kino spricht deutlich aus Cheons Romanen, mit denen er von jeher erfolgreicher ist als mit seinen Filmen. In seinem herausragenden Roman «Der Wal» etwa, der 2023 auf der Shortlist für den International Booker Prize stand, erzählte er von einer betriebsamen Unternehmerin, die Ende der sechziger Jahre in einem südkoreanischen Städtchen ein Kino gründet, um Western zu zeigen.

Tiefe Spuren von Film

Auch in «Eine Bumerangfamilie» zitiert der Regisseur Inmo zahlreiche Filme. Tiefere Spuren aber haben Filme in der Erzählstruktur selbst hinterlassen. So artet die familiäre Soap-Opera aufgrund von Hanmos Unterweltkontakten noch in einen gewalttätigen Gangster-Thriller aus. Nebenbei ereignen sich Serienmorde, über die im Fernsehen berichtet wird, und Inmo versucht sich eben auch als Regisseur von breit auserzählten Pornos.

Man merkt: Cheon Myeong-kwan kann die Finger vom Genre nicht lassen, und das macht diesen Roman leider arg disparat. Seine Figuren gehen im Erzähltrubel geradezu unter. Trotzdem schlagen seine Ideen Funken. Cheon hat einen bunten Kopf und Talent zu epischen Verwicklungen und witzigen Dialogen. Diese Komik vermittelt sich auch durch die glänzende Übersetzung von Matthias Augustin und Kyungee Park. Mit Cheons sprunghaften Ideen halten sie locker mit und geben seinem etwas unsteten Roman auch auf Deutsch das passende Funkeln.

Cheon Myeong-kwan: Eine Bumerangfamilie. Roman. Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park. Verlag Weissbooks, 280 S., Fr. 38.90.

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