Dienstag, Oktober 1

Eine Recherche des Onlinemediums «Politico» wirft neues schlechtes Licht auf ein Gasprojekt des französischen Energieriesen in Moçambique. Mit den Gasfunden in dem armen Land waren einst grosse Hoffnungen verbunden.

Auf dem Gelände eines Milliardenprojekts des französischen Energiekonzerns Total in Moçambique sollen 2021 Dutzende von Personen gefoltert und getötet worden sein. Das steht in einer Recherche, die das Onlinemedium «Politico» am Donnerstag veröffentlicht hat. Laut dem Bericht sollen mosambikanische Soldaten, die beim Firmengelände stationiert waren, 180 bis 250 Zivilisten in Schiffscontainer gesperrt und dort während dreier Monate festgehalten haben. Nur rund zwei Dutzend der Gefangenen überlebten. Die anderen wurden zu Tode geprügelt, erstickt oder mit Schüssen exekutiert.

Der Bericht beruft sich auf Überlebende und einen anonym zitierten Mitarbeiter auf dem Firmengelände. Total hat die Vorwürfe in einem Statement dementiert.

Ein 20-Milliarden-Dollar-Projekt

Die Berichte über das Massaker betreffen ein Projekt, das oft als die grösste Einzelinvestition auf dem afrikanischen Kontinent bezeichnet wird. 2010 entdeckten Ingenieure vor der Küste von Moçambique riesige Gasfelder. Dies löste in Moçambique, einem der ärmsten Länder der Welt, Hoffnungen aus, dass man in die Liga der grössten Gasproduzenten der Welt aufsteigen werde – in eine Reihe mit Ländern wie den USA, Russland, Iran oder Katar. Das Projekt von Total allein hat ein Investitionsvolumen von 20 Milliarden Dollar.

Doch die Gegend, in der die Gasprojekte lanciert wurden, ist auch Schauplatz einer jihadistischen Rebellion, die über eine Million Menschen vertrieben hat. Cabo Delgado, die betroffene Gegend, ist die ärmste Provinz von Moçambique, sie liegt mehr als 2000 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Maputo und spielte vor den Gasfunden kaum eine Rolle in den Plänen der Regierung.

Ab 2017 griffen Islamisten, unter denen sich viele arbeitslose Jugendliche befanden, zuerst Polizeiposten an. Später eroberten sie ganze Orte. Im März 2021 richteten die Terroristen, die vor Ort als al-Shabaab («die Jugend») bekannt sind, ein Massaker in der Stadt Palma an. Sie töteten laut Schätzungen mehr als tausend Personen. Palma liegt bei der Afungi-Halbinsel, auf der Total das Firmengelände für das Gasprojekt gebaut hat.

Kein Essen, keine Toiletten

Nach dem Palma-Massaker stoppte Total das Projekt. Es ruht bis heute. Im Juli sagte der Total-CEO Patrick Pouyanné, er hoffe, nach der Präsidentschaftswahl in Moçambique einen Zeitplan zum Neustart entwerfen zu können. Die Wahl findet am 9. Oktober statt.

Das Massaker an Zivilisten, über das «Politico» nun berichtet, soll drei Monate nach dem Angriff auf Palma begonnen haben. Mehrere hundert Männer, Frauen und Kinder suchten Zuflucht bei einer Militärbasis in der Nähe des Total-Firmengeländes. Die mosambikanische Armee war zu der Zeit daran, Gebiete von den Islamisten zurückzuerobern. Zivilisten riskierten, zwischen die Fronten zu gelangen.

Laut der «Politico»-Recherche trennten die Soldaten die Männer von Frauen und Kindern und schlossen sie in Schiffscontainer ein, die beim Eingang des Firmengeländes platziert waren. Die Gefangenen erhielten oft während Tagen kein Essen, sie hatten keinen Zugang zu Toiletten. Sporadisch wurden Gruppen von Gefangenen abgeführt, die nicht mehr zurückkamen. Nur 26 Personen überlebten.

Wurden die Soldaten von Total bezahlt?

In Moçambique und anderen afrikanischen Ländern mit jihadistischen Rebellionen kommt es häufig vor, dass Soldaten Zivilisten töten, weil sie ihnen vorwerfen, mit Terroristen gemeinsame Sache zu machen. Ein Massaker wie jenes, über das «Politico» berichtet, ist aber ungewöhnlich. Im Bericht wird die Frage aufgeworfen, ob die Soldaten zu einer von Total bezahlten «Joint Task Force» genannten Truppe von rund 700 Soldaten gehörten, die für den Schutz des Firmenareals zuständig waren.

In der Mitteilung, mit der Total auf den «Politico»-Bericht reagierte, heisst es, zum Zeitpunkt der mutmasslichen Vorfälle habe sich kein Firmenpersonal auf dem Gelände aufgehalten. Man habe bisher auch nie Informationen erhalten, dass ein Massaker stattgefunden habe. Angesichts ihrer Schwere nehme man die Vorwürfe aber ernst.

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