Dienstag, Februar 25

Zwei mächtige Polit-Clans streiten und lähmen damit die Philippinen. Dabei geht es um weitaus mehr als Innenpolitik.

Auf den Philippinen droht der politische Stillstand. Eine Fehde zweier Politiker-Clans lähmt das Land und die Hauptdarsteller sind die Kinder zweier berüchtigter Autokraten: Auf der einen Seite ist Ferdinand Marcos. Er ist seit 2022 Präsident der Philippinen. Marcos ist der Sohn des 1986 aus dem Land gejagten Diktators Ferdinand Marcos senior.

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Seine Widersacherin ist die Vizepräsidentin Sara Duterte. Tochter von Rodrigo Duterte, Präsident der Philippinen bis 2022. Er ist weltweit bekannt geworden durch seinen Drogenkrieg: Im Kampf gegen die Drogenepidemie im Land nutzte Duterte die Polizei und Todesschwadronen, um Tausende Menschen ohne Gerichtsverfahren umzubringen – laut offiziellen Stellen lag die Opferzahl bei 6500, Menschenrechtsorganisationen gehen von bis zu 30 000 Toten aus, die vom Staat hingerichtet wurden.

2022, bei den nationalen Wahlen, traten Ferdinand Marcos und Sara Duterte noch gemeinsam an: er als Präsident, sie als Vizepräsidentin. Es ist eine Eigenheit des philippinischen Systems, dass die Vizepräsidentin separat vom Volk gewählt wird. Es schien ein unschlagbares Erfolgsrezept: Zwei der mächtigsten Polit-Dynastien des Landes teilen sich dessen höchste Ämter. Die Marcos sind eher populär im Norden des Landes, die Dutertes im Süden. Der Wahlsieg fiel überwältigend aus.

Zerbrochene Allianz

Nun ist die Allianz zerbrochen. Schon lange gab es Gerüchte über Risse in der Beziehung zwischen Marcos und Duterte. Es schien immer mehr eine Zweckgemeinschaft zu sein denn eine echte politische Allianz.

Vergangenen November liess die Vizepräsidentin die Situation eskalieren. In einer zweistündigen Video-Pressekonferenz spann sie wilde Theorien, dass Marcos sie umbringen wolle – sie habe ihrerseits einen Auftragsmörder engagiert, der solle Marcos und dessen Frau ermorden, falls ihr selber etwas zustosse. Duterte erzählte von ihrer Drohung, die Knochen von Marcos senior auszugraben und sie ins Meer zu werfen. Und sie sprach darüber, dass sie Marcos’ Kopf habe abschneiden wollen, als sie gemerkt habe, dass die Beziehung zu ihm eine toxische geworden war.

Anfang Februar stimmte das Parlament für eine Absetzung Dutertes als Vizepräsidentin. Sie bleibt im Amt, bis der Senat, die kleine Kammer, denselben Beschluss fasst. Duterte akzeptiert das Urteil nicht und appelliert an das höchste Gericht. Gegenüber Medien sagte sie, die Absetzung durch das Parlament störe sie nicht, Liebeskummer sei schlimmer. Sollte Duterte tatsächlich abgesetzt werden, könnte sie nicht für die Präsidentschaftswahlen kandidieren – ein Plan, der ihr von Beobachtern immer wieder nachgesagt wird. Präsident Marcos gibt sich vor den Medien nicht beeindruckt von der ganzen Affäre.

Derweil hat ihr Vater, Rodrigo Duterte, die Rhetorik weiter verschärft. Bei einem Auftritt Ende Februar sagte er, man sollte ein paar Senatoren mit einem Bombenanschlag umbringen, um Platz für bessere zu machen. Dutertes Drogenkrieg wird derzeit vom Internationalen Strafgerichtshof untersucht. Ihm droht eine Auslieferung nach Den Haag.

Die Beliebtheitswerte von Marcos und Duterte sind bei der Bevölkerung abgestürzt. Das Land ist wieder einmal blockiert durch den Zwist von politischen Eliten und Familien, die die Macht seit Jahrzehnten unter sich aufteilen. Laut einer Recherche des Philippine Center for Investigative Journalism sind die Familienclans bis weit in die Regionalpolitik vernetzt und besetzen nicht nur nationale, sondern auch regionale Posten mit ihren Mitgliedern.

Im Mai wählen die Philippinen ein neues Parlament. Mindestens zehn Mitglieder des Marcos-Clans sind für verschiedene nationale und regionale Posten aufgestellt, bei den Dutertes sind es mindestens fünf. Beide Lager versuchen zudem ihre Verbündeten ins Parlament zu bringen, um ihre Agenden durchzusetzen: Duterte will die Absetzung verhindern, um dann später selber Präsidentin zu werden. Marcos will die Amtszeitbeschränkung aufheben und ein weiteres Mal kandidieren.

Dabei gäbe es auf den Philippinen dringende politische Probleme zu lösen, die Armut oder die hohe Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Oder den Zwist mit China. China erhebt Anspruch auf fast das gesamte Südchinesische Meer, auch auf jenen Teil, der laut modernem Seerecht zu den Philippinen gehört. Seit Rund zwei Jahren machen die Philippinen Übergriffe von chinesischen Schiffen öffentlich: Die Küstenwache veröffentlicht Videos, in denen philippinische Schiffe von chinesischen mit Wasserwerfern beschossen oder abgedrängt werden.

Öffnung gegenüber den USA

Der Zwist zwischen Duterte und Marcos bekommt damit auch eine geopolitische Komponente: Duterte tendiert wie schon ihr Vater stärker nach China, dieser verkündete bei einem Staatsbesuch in Peking einst die «Trennung» von den USA, der ehemaligen Kolonialmacht der Philippinen. Marcos seinerseits orientiert sich stärker in Richtung der USA.

Marcos ist einer der wenigen Staatschefs in Südostasien, die im Konflikt zwischen den Grossmächten offen eine Seite gewählt haben – die meisten Länder in der Region versuchen die Beziehungen zwischen den USA und China irgendwie zu balancieren. Unter Marcos wurden alte Verteidigungsverträge mit den USA erneuert und den Amerikanern Zugang zu philippinischen Militärbasen gewährt. Es waren die USA, die Marcos’ Vater nach dessen Absetzung einst Asyl gewährten, 1986 flüchtete die ganze Familie nach Hawaii. Erst nach dem Tod des Diktators 1989 durfte auch sein Sohn auf die Philippinen zurückkehren.

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