Barton Silverman / NYT/ Laif
Donald Trump ist eine Ausnahmeerscheinung. Eine Reise zu Gebäuden, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Es gibt dieses Staunen, auch fast zehn Jahre nachdem Donald Trump die politische Bühne betreten hat. Das Staunen darüber, wie er mit seiner polarisierenden und disruptiven Art Faszination und Abscheu hervorrufen kann, oft beides gleichzeitig. Donald Trump treibt die Politik nun schon so lange vor sich her, dass man sich fast nicht mehr erinnern kann, wer Trump vor dem Trumpismus war. Woher kommt dieser Mann, der im Gegensatz zu anderen Politikern so gut wie nie seine Herkunft thematisiert?
Drei Generationen lang drehte sich bei den Trumps fast alles ums Bauen. Donald Trumps Vater, Fred, war zu seiner Zeit einer der grössten Bauunternehmer in New York. Seine ersten Häuser entstanden auf Bauland, das bereits Trumps Grossvater, Frederick, gekauft hatte. Donald wurde dann ein Turmbauer.
Der F-Train der Subway bringt einen zu den Schauplätzen von Queens über Manhattan nach Brooklyn. Ein Besuch von drei Gebäuden, die die Familie Trump geprägt haben, eine Reise durch New York.
Erster Halt – Trump Tower: Ein Mann braucht eine grosse Bühne
Ein Schauspieler mit Trump-Maske bewegt sich quer über die Fifth Avenue und posiert inmitten der stehenden Fahrzeuge vor dem Gebäude. Er zeigt mit dem Finger auf Passanten, klatscht in die Hände, richtet seinen Anzug, der wie beim Original leicht zu gross geschnitten ist. Die Leute bleiben stehen und filmen. Beim Trump Tower in Midtown Manhattan herrscht also schon Spektakel, bevor man den Eingang dieses 200 Meter hohen Hochhauses erreicht.
In Manhattan befinden sich in Gehdistanz zum Trump Tower das Rockefeller Center und der Carnegie Hall Tower. Beide sind in Beton und Stahl gebaute Reverenzen an Männer, die im 19. Jahrhundert Amerika gross gemacht haben. Rockefeller war der Ölmagnat, Carnegie der Stahltycoon.
Mit dem Trump Tower hat seit 1983 auch Donald Trump in Midtown ein Gebäude, das nach ihm benannt ist. Sich in die Reihe dieser amerikanischen Übermänner zu stellen, mag gewagt erscheinen. Nicht für Trump: Er vermarktet sich als erfolgreichster Geschäftsmann «aller Zeiten», einer, der sich, wie er behauptet, mit einer von seinem Vater geliehenen Million Dollar Startkapital in die Sphäre der Milliardäre aufgeschwungen hat.
Das ist Humbug. Donald Trump ist Erbe eines grossen Vermögens. In seinen jüngeren Jahren stand Fred Trump, der Vater, jeweils als Retter bereit, wenn sein Sohn geschäftlich in Schwierigkeiten geriet. Auch agierte er oft als stiller Partner.
Für manch einen symbolisiert der Trump Tower den ausgeprägten oder gar pathologischen Narzissmus seines Erbauers. Für andere steht er für Trumps Erfolg als Immobilienunternehmer. Klar ist: Ohne Erfahrung, Durchhaltewillen und die richtigen Kontakte baut niemand in New York City 58 Stockwerke.
Dem Turm mit der abgestuften Fassade aus verdunkeltem Glas sieht man die achtziger Jahre an. Innen dominieren Gold und rosafarbener Marmor – ein exquisiter Stein, schrieb der damalige Architekturkritiker der «New York Times», den die New Yorker so nirgends sonst zu Gesicht bekämen. Das sechsstöckige Atrium hat viel Platz, auch für Pflanzen. Die kleine Terrasse, zu der die Rolltreppe führt, ist für Besucher zugänglich. Fast nirgends kommen Besucher Trump so nahe wie hier.
Es gibt im Atrium auch eine kleine Gedenkstätte für den 45. Präsidenten, flankiert von den Flaggen der amerikanischen Streitkräfte, zudem den Trump-Grill, die Trump-Bar mit Weinen von Trump-Weingütern und einen Trump-Golfshop. Im Untergeschoss befindet sich ein Souvenirladen mit viel Maga-(Make American Great Again-)Merchandise. Der Kaffee an der Trump-Bar wird im Pappbecher serviert, die Brownies schmecken nach Fertigmischung. Immerhin sind sie mit kleinen Sternen dekoriert.
Trump besitzt ein dreistöckiges Apartment zuoberst im Turm, wo er heute noch wohnt, wenn er in New York weilt. Diese Wohnung war unlängst Gegenstand eines Gerichtsprozesses, weil die Trump Organization – auch sie ist hier im Turm zu Hause – in ihrer Buchhaltung die Quadratmeterzahl um das Dreifache aufgeblasen hat, um den Wert der Wohnung zu steigern.
Donald Trump ist spätestens seit der Einweihung des Trump Tower 1983 eine Berühmtheit in New York: weil er waghalsige Projekte fertigstellte; weil er, begleitet von grossem Brimborium in der New Yorker Presse, mitunter auch Schiffbruch erlitt; weil er sein Liebesleben und den Scheidungskrieg mit Ivana öffentlich austrug. Als «the boss» in der Reality-Sendung «The Apprentice» zwischen 2004 und 2014 wurde er dann landesweit eine fixe Grösse in Sachen Unterhaltung. Die Kulisse für die Show, in der sich Trump als erfolgreicher Geschäftsmann inszeniert, bot ebenfalls der Trump Tower.
Mehrmals kündete Trump seinen Einstieg in die Politik an – und verabschiedete sich wieder vom Vorhaben. Bis 2015. Damals gab er seine Kandidatur im Trump Tower bekannt. Unvergessen sind die Bilder, die zeigen, wie die vergoldete Rolltreppe ihn und seine dritte Ehefrau, Melania, ins Atrium herunterbefördert. Typisch Trump war diese Inszenierung. Ein Moment für die Ewigkeit, mit symbolischem Wert für seine Anhänger: Da steigt einer hinunter, zum Volk, um eine Mission zu erfüllen.
Zweiter Halt – Jamaica Estate, Queens: Trumps frühere «Oase» ist ein Ort der Härte
Ist das hier noch New York? Wenn man Manhattan für New York City hält, dann sicherlich nicht. Hier im Stadtbezirk Queens ist das soziale Klima rauer, die Strassen sind schmutziger, die Gebäude glanzloser. Jamaica / 179. Strasse – hier endet der F-Train der New Yorker Subway. Vierzig Minuten dauert die Fahrt vom Trump Tower in Midtown nach Jamaica Estate in Queens.
Die Gegend ist ein Ort für Ankömmlinge. Ende des 19. Jahrhunderts gehörte auch Donald Trumps Grossvater Frederick zu jenen, die sich in Queens niederliessen. Der Deutsche kam im Zuge des Goldrausches nach Amerika. Er hatte die Goldgräber im Yukon an der Grenze zwischen Alaska und Kanada mit Werkzeug beliefert, bevor er nach New York zurückkehrte.
Die Restaurants in der Gegend sind heute indisch, honduranisch, salvadorianisch. In den Läden an der Hillside und der Jamaica Avenue wird Spanisch gesprochen und nicht mehr Deutsch wie früher.
Zu Fuss dauert es zehn Minuten, bis man von der Subway-Endhaltestelle vor dem zweistöckigen, unscheinbaren Tudor-Haus am 85-15 Warham Place steht – das Haus von Donald Trumps früher Kindheit. Wer hier wohnt, ist die soziale Leiter schon ein paar Sprossen höher geklettert.
Das Einfamilienhaus mit der verputzten Fassade, den Sichtbalken und dem Giebeldach hat der Vater Fred Trump 1940 selbst geplant und angeblich Teile davon auch selbst gebaut. Das Land gehörte bereits der Familie. Der Grossvater Frederick Trump hatte sich an mehreren Orten in Queens Bauland gesichert und besass einige Immobilien. 1918 starb er an der Spanischen Grippe. Fred Trump war damals erst 13 Jahre alt.
Frederiks Frau, Donald Trumps Grossmutter, führte die Geschäfte weiter und spannte früh ihren Sohn Fred ein. Dieser besuchte neben der Schule Kurse in Schreinern, Bodenlegen und Mauern. Sein erstes Gebäude baute Fred angeblich mit 16 Jahren, eine Garage für einen Nachbarn. Fred war ein Schwerarbeiter, der den richtigen Riecher hatte und später mit Immobilien schwerreich wurde.
Als die Trumps 2004 sämtliche Immobilien aus Fred Trumps Besitz verkauften, lösten sie angeblich über 700 Millionen Dollar. Dank hohen Mieteinnahmen konnte vor und nach Freds Tod 1999 viel Geld in der Familie verteilt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass Donald Trump über eine halbe Milliarde Dollar erbte oder geschenkt bekam.
Schaut man auf das Leben des Vaters und auf die Erzählungen seines Sohnes, so bekommt man den Eindruck, dass der Sohn sich zusätzlich zur eigenen Biografie auch das Leben des Vaters einverleibt hat, ganz in seiner Art, Fiktives und Reales zu vereinen.
Hier am Warham Place, in diesem unscheinbaren Haus, kam Donald Trump 1946 als viertes von fünf Kindern zur Welt. Der spätere Präsident soll die Wohngegend, die damals eher als wohlhabend galt, als eine «Oase» bezeichnet haben. Aus dieser Zeit ist wenig überliefert. Gwenda Blair, eine frühe Biografin der Familie, konnte noch mit Nachbarn reden, die sich an die Trumps erinnerten. Fred, auch daheim stets im Anzug, soll ein steifer Mann gewesen sein, streng mit den Kindern und extrem fordernd, vor allem gegenüber seinen Söhnen.
Der Vater schickte Donald früh in die Militärakademie, damit dieser Disziplin lernte. Es heisst, Trumps Mutter, eine gebürtige Schottin, habe die Kinder verwöhnt. Vor dem neuen, viel grösseren Haus mit Säuleneingang und angeblich neun Badezimmern, das Fred Trump Anfang der fünfziger Jahre an der Midland Avenue baute, einer Prachtstrasse gleich um die Ecke des unscheinbaren Tudor-Hauses, standen zwei Cadillacs. Bei Regen soll der Chauffeur den jungen Donald gefahren haben, wenn dieser Zeitungen austragen musste.
Trumps Geburtshaus stand in den letzten Jahren vier Mal zum Verkauf und wechselte gemäss dem «Wall Street Journal» 2021 für über zwei Millionen Dollar die Hand. Wie viel ein Käufer im Januar bei der letzten Auktion bezahlt hat, ist nicht bekannt. Noch immer steht das Haus leer. Es würde sich als kleines Museum eignen, als Gedenkstätte für Trump, eine Hommage an eine Aufsteigerfamilie. Ob das einer wie Trump will, der sein Luxusleben zelebriert und seine Herkunft verschweigt?
Schwarze Abfallsäcke stapeln sich vor dem Hauseingang. Zwei heranwachsende Katzen putzen sich in der Vorfahrt. Ein Schild weist darauf hin, dass keine Kätzchen vom Vorplatz entfernt werden dürfen. Das Trump-Haus ist zum Katzenhaus geworden, unbewohnt, ungepflegt und unbeachtet.
Dritter Halt – Trump Village: woher das Geld kommt und wie das System Trump funktioniert
Der Name Trump steht nicht nur auf einem halben Dutzend Hochhäusern in Manhattan. Es gibt auch in anderen Teilen der USA Trump-Immobilien, Trump-Hotels und Trump-Golfplätze. Und auch international ziert der Name Trump Hochhäuser und einige Golf-Resorts: in Manila, Istanbul, Mumbai, Schottland. Das ist Donald Trumps Umtriebigkeit, Fleiss und Selbstvermarktungstalent zuzuschreiben.
Es gibt allerdings eine grosse Siedlung, das Trump Village, die nicht nach Donald benannt ist, sondern nach Fred, dem Vater. Sie besteht aus sieben 23-stöckigen Backsteinblocks, die in einem Kreis um einen Park am äussersten Zipfel Brooklyns angeordnet sind.
Fred Trump hat mehrere Siedlungen gebaut, doch keine wurde so gross wie das Trump Village. 3200 Wohnungen befinden sich in den Blocks auf Coney Island. Von den obersten Wohnungen aus kann man über die Schienen der Subway hinweg aufs Meer blicken.
Die Gegend war lange jüdisch und russisch geprägt. Als das Trump Village fertiggestellt war, konnten viele Familien ihre lausigen Behausungen verlassen und fanden in der neuen Wohnsiedlung am Rande New Yorks einen angemessenen Standard. Eine Gruppe Pensionierter trifft sich in einem kleinen Park zwischen ihren Wohnblocks und einem grossen Parkplatz. Vom Meer her weht eine Brise. Endlich ist es einmal nicht ganz so heiss. Sie kämen seit vielen Jahren jeweils nachmittags auf einen Schwatz herunter, erzählen sie, zumindest im Sommerhalbjahr. Einige der Alten erinnern sich noch, wie Fred Trump persönlich vorbeikam, um Unterhaltsarbeiten zu kontrollieren und mitunter auch Mieten in bar einzutreiben. Als sie einzogen, war Donald Trump noch Student an der Wharton Business School.
Stört es sie heute, dass die Siedlung Trump Village heisst? «Wieso sollte mich das stören?», antwortet eine der Bewohnerinnen und beäugt die Besucherin skeptisch. Die Siedlung habe schon immer so geheissen. Das Trump Village sei ihr Zuhause. Wo sonst könnten sie in New York so günstig wohnen? Bis vor einigen Jahren unterlag die Siedlung dem staatlichen Programm der Mietkontrolle. Seit 2007 können die Wohnungen zu Marktpreisen verkauft werden. Wer das tut, kommt auf einen Schlag zu viel Geld.
In Manhattan sind Bewohner von Trump-Immobilien weniger gelassen. Es gab nach 2016, also nach Donald Trumps Wahl zum Präsidenten, mehrere Gerichtsverhandlungen, in denen diese durchgesetzt haben, dass ihre Wohngebäude umbenannt werden.
Die Siedlung hier in Brooklyn war für die Familie Trump über Jahrzehnte eine zuverlässige Geldquelle. Schon beim Bau hat Fred Trump angeblich, wie er das bei allen seinen Bauprojekten tat, so effizient und sparsam gewirtschaftet, dass eine stattliche Rendite herausschaute. So hat er nicht den teureren braunen Backstein verbaut, sondern nur den roten, weil er so einige Cents pro Quadratmeter sparen konnte.
Bei den meisten der 27 000 Wohneinheiten, die Fred Trump im Laufe seines Lebens baute, profitierte er von der Wohnbauförderung, die der US-Bundesstaat und der Gliedstaat New York Immobilienunternehmern in Form von günstigen Krediten und Garantien gewährte. Damit sollte die Bautätigkeit angekurbelt und die Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg bekämpft werden.
Mitte der fünfziger Jahre fielen dem kontrollierenden Senatsausschuss in Washington allerdings Unregelmässigkeiten auf. Fred Trump stand im Verdacht, Geld abzuzwacken und mit Preisen zu hantieren, die nicht stimmten. Der Ausschuss lud den Bauunternehmer vor und setzte ihn danach auf eine schwarze Liste.
Nach dem Bau des Trump Village sperrte ihn auch das New Yorker Programm. Die Siedlung in Brooklyn wurde deshalb zum letzten grossen Bauprojekt, das Fred Trump stemmte und 1963 abschloss. Der damals 58-Jährige stellte danach das Bauen ein und verlagerte seine Geschäftstätigkeit auf den Unterhalt und das Management seines riesigen Immobilienparks.
Etwa zu dieser Zeit stieg Donald Trump in die Firma ein, die er dann 1971 übernahm. Es war unter anderem das Trump Village, das ihn bald beschäftigen sollte. Es gab Beschwerden, dass die Trumps systematisch weisse Mieter bevorzugten. Das brachte den Trumps eine Klage des Justizdepartements wegen Diskriminierung ein. Mehrere Zeugen bestätigten das Vorgehen. Es sah nach einer hohen Busse aus. Doch was tat Trump?
Er führte medienwirksam eine Gegenklage gegen das Justizdepartement auf 100 Millionen Dollar Schadenersatz wegen falscher Anschuldigungen. Der Fall endete mit einem Vergleich und der Auflage, dass die Trump Organization, wie die Firma Trump and Son nun hiess, Inserate in Zeitungen schalten musste, in denen ausdrücklich geschrieben stand, dass auch schwarze Bewohner in den Trump-Wohnungen willkommen seien.
Donald Trump hat früh die Ambition geäussert, dass er mehr will als sein Vater. Queens und Brooklyn, das war nett und brachte Geld, aber die Musik spielte in Manhattan. 1974 kaufte er das heruntergewirtschaftete Commodore Hotel im Stadtzentrum und baute es luxuriös um. Das Geld dafür stammte von den Einnahmen von den Siedlungen, die sein Vater Fred gebaut hatte. Es war sein erster Schritt ins Herz von New York.