Die Verlagerung von Gütern auf die Bahn ist in der Schweiz weit fortgeschritten. Kurzfristig ist diese Option bei Engpässen wie der Sperrung der A 13 aber weniger geeignet.

74 Prozent des internationalen Transitverkehrs über die Alpen finden in der Schweiz auf der Schiene statt. Das ist ein deutlich höherer Anteil als etwa in Frankreich oder Österreich.

Doch noch immer wird ein substanzieller Anteil der Transporte mit Lastwagen erbracht. Der alpenquerende Güterverkehr mit schweren Güterfahrzeugen auf der Strasse ist seit der Jahrtausendwende bis heute als Ganzes zwar deutlich zurückgegangen. Diese Entwicklung hat sich während der Pandemie noch verstärkt. Seither hat die Anzahl Lastwagen auf der Strasse laut Verlagerungsbericht des Bundes, der allerdings nur die Zahlen bis und mit 2022 enthält, wieder leicht zugenommen.

Mit 927 000 Fahrten wird der Zielwert von 650 000 Fahrten, der laut dem Güterverkehrsverlagerungsgesetz spätestens im Jahr 2018 hätte erreicht werden sollen, noch immer deutlich überschritten.

Rund drei Viertel (73 Prozent) dieses Lastwagenverkehrs entfielen auf den Gotthard und 14 Prozent auf den San Bernardino. Fällt die letztere Route nun aufgrund der zerstörten Autobahnbrücke der A 13 aus, muss für die betroffenen Transporte eine Alternative gefunden werden. Falls alle auf den Gotthard ausweichen würden, wären das im Schnitt 350 Lastwagen mehr pro Tag. Statt 1860 Fahrzeuge müssten dann knapp 20 Prozent Transporter mehr den Strassentunnel durchfahren.

Das Tropfenzählersystem am Gotthard, das im Nachgang zum Tunnelbrand von 2001 eingeführt wurde, beschränkt die Durchfahrt auf 1000 Personenwagen pro Stunde. Ein Lastwagen gilt für diese Berechnung wie drei Personenwagen.

Schrauben am Dosiersystem?

Mit einer Lockerung dieser Massnahme könnte man rein theoretisch die Kapazität des Gotthardtunnels für den Mehrverkehr an Last- und Personenwagen ein Stück weit erhöhen. Diese Massnahme stehe für den Verband Astag zwar nicht im Vordergrund. «Aber angesichts der heutigen Lkw-Assistenzsysteme hätte eine Lockerung keine Sicherheitsreduktion zur Folge», lässt die Astag im Namen ihres Zentralpräsidenten Thierry Burkart verlauten.

Hingegen fordert der Verband andere Massnahmen wie zum Beispiel eine Aufhebung des Nacht- und Sonntagsfahrverbots. Heute dürfen zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens nur Lebensmittel transportiert werden.

Für Django Betschart, den Geschäftsführer des Vereins Alpeninitiative, kommt dies nicht infrage. Das Nachtfahrverbot schütze die Menschen in der ganzen Schweiz vor gesundheitlichen Schäden. «Wegen einer kurzfristigen Autobahnsperrung dürfen wir dieses und andere bewährte Instrumente der Verkehrspolitik nicht einfach über Bord werfen», sagt er.

Vielmehr fordert Betschart, dass die Schweiz es gleich macht wie Frankreich, das in den Sommermonaten Lastwagenverkehr nur von Montag bis Freitag zulässt, um am Wochenende die Strassen für den Ferienverkehr frei zu machen. «Auf der Schiene hätte es am Wochenende noch Platz für die Güter», erklärt der Vertreter der Alpeninitiative. In der Schweiz gilt nur ein Sonntagsfahrverbot.

Man darf gespannt sein, ob die Forderung nach einer vorübergehenden Aufhebung des Nachtfahrverbots vom Verkehrsdepartement aufgenommen wird, das seit der Amtsübernahme durch Albert Rösti nach langen Jahren der SP-Dominanz nun unter SVP-Führung ist.

Umleitung um die Schweiz herum

Ebenfalls schlägt die Astag eine internationale Koordination zur Umleitung des Transitverkehrs von Deutschland via Österreich vor. Konkret müssten Transporteure aus dem Norden, die nach Italien unterwegs sind, bereits bei München gebeten werden, via Brenner zu fahren. Dies war bereits nötig, als der Gotthardtunnel im September 2023 wegen Reparaturarbeiten für ein paar Tage geschlossen war.

Eine stärkere Verlagerung der Strassentransporte auf die Bahn sei aus Kapazitätsgründen beim Lastwagenverlad kurzfristig kaum möglich, denn auch unter normalen Bedingungen könne die Bahn nicht mehr aufnehmen, heisst es bei der Astag. Zudem handle es sich bei einem grossen Teil des verbliebenen Schwerverkehrs um Binnenverkehr zwischen dem Tessin und der übrigen Schweiz, bei dem ein Umstieg auf die Bahn zu umständlich wäre.

Aber auch beim Transitverkehr und abgesehen von den gegenwärtigen unwetterbedingten Behinderungen dürfte es eine ganze Weile dauern, bis die Verlagerung auf die Schiene nochmals einen Schub erhält.

Flaschenhals Süddeutschland

Die Qualität des alpenquerenden Schienengüterverkehrs hat in den letzten Jahren laut Astag abgenommen. Der Verband begründet das mit einer starken Zunahme von Zugsausfällen und Verspätungen von bis zu mehreren Tagen. Da sei oft der Lastwagen trotz Stau am Gotthard zuverlässiger.

Der Grund für die Probleme bei der Bahn liegt nicht in der Schweiz, sondern in Süddeutschland. Baustellen jenseits der Grenze bei Basel sorgen für einen Flaschenhals auf der Nord-Süd-Achse. Dieser dürfte nicht vor 2040 behoben sein. Somit wird es noch länger dauern, bis die Lastwagenfahrten auf das angestrebte Niveau zurückgehen.

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