Donnerstag, August 21

Das Lucerne Festival steht im Sommer 2025 unter dem Motto «Open End». Was hat es mit diesem vieldeutigen Titel auf sich?

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Albert Einstein jonglierte nicht nur virtuos mit Zahlen, er war auch ein Meister des treffsicheren Worts. Von ihm stammt unter anderem der Ausspruch «Abschiede sind Tore in neue Welten.» Ob der geniale Physiker dabei ans Lucerne Festival gedacht hat? Sicher nicht. Aber das Bonmot trifft verblüffend genau auf die besondere Situation zu, in der sich die wichtigsten Musikfestspiele der Schweiz in diesem Sommer befinden.

Denn deren Intendant Michael Haefliger hat beschlossen, dass es auch für ihn noch einmal «neue Welten» geben soll – er wird dem Festival nach 26 Spielzeiten Ende Jahr den Rücken kehren.

Schwebezustand

Wenn jemand, der eine Institution so tiefgreifend geprägt hat wie Haefliger, nach mehr als einem Vierteljahrhundert geht, führt so ein Abschied zwangsläufig zu einem Wechselbad widersprüchlicher Stimmungen – nicht nur bei Kollegen und Weggefährten, sondern vermutlich auch bei manchen Besuchern, die dem Festival seit langem die Treue halten. Was wird kommen? Was wird bleiben von diesen 26 Jahren, die man fraglos eine «Ära» nennen darf? Wird jetzt alles ganz anders werden? Bietet ein Neuanfang nicht auch Chancen? Entsprechend wechseln die Gemütslagen derzeit nahtlos zwischen Ungewissheit, Nostalgie und Bedauern, aber auch vorausblickendem Optimismus und sogar ein wenig Aufbruchsstimmung hin und her.

Das Lucerne Festival macht genau diesen Schwebezustand zum Thema der finalen Haefliger-Saison: «Open End» steht als Motto über dem Programm der Luzerner Sommerkonzerte. Darin wird es ab Mitte August knapp fünf Wochen lang um die Frage gehen: Wie hört man auf, ohne zu enden? Und das Paradoxe an dieser Frage ist beabsichtigt.

Denn einerseits gilt es, den Einschnitt zu markieren, den solch ein Wechsel der künstlerischen Leitung immer bedeutet, zumal nach einem so langen Zeitraum. Andererseits steht aber schon jetzt fest, dass Haefligers designierter Nachfolger, Sebastian Nordmann, in Luzern vieles fortführen wird. Zentrale Einrichtungen wie die von Haefliger und Pierre Boulez gegründete Festival Academy oder das zusammen mit Claudio Abbado ins Leben gerufene Lucerne Festival Orchestra standen und stehen nicht zur Disposition.

Berühmte Fragmente

Folgerichtig will man im diesjährigen Sommerprogramm die Türen nicht mit theatralischer «Nach uns die Sintflut»-Geste zuwerfen. Vielmehr wird Offenheit hier auch musikalisch zum Thema gemacht. Etwa dadurch, dass etliche Konzerte den Fokus auf Werke richten, die sich durch ein besonderes Ende auszeichnen. Oder dadurch, dass sie gar kein Ende haben – wie zahlreiche berühmte Fragmente der Musikgeschichte, die sich als roter Faden durch die Programme ziehen, von Schuberts «Unvollendeter» bis zu Bruckners Neunter und Alban Bergs «Lulu».

Den Ton setzt Riccardo Chailly schon im Eröffnungskonzert: mit der 10. Sinfonie von Gustav Mahler. Das Stück wurde vollständig entworfen, aber nicht mehr in allen Details ausgearbeitet; es hat ein bewegendes Ende, lässt aber zugleich Raum, das Erreichte weiterzudenken. Das ist das Leitmotiv für diese ungewöhnliche Saison in Luzern.

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