Dienstag, Oktober 8

Kinder spielen auch in der Schweiz kaum noch in freier Natur. Umso wichtiger sind für sie Spielplätze geworden. Bei der Ausstattung knausern die Gemeinden und die meisten Liegenschaftsbesitzer nicht.

Es sind nicht mehr viele, aber vor allem bei älteren Überbauungen haben sie bis heute überlebt: einfache Spielplätze, die sich auf eine Rutschbahn, ein Klettergerüst aus Stahl sowie ein, zwei Schaukeln beschränken.

Viel Platz zum Klettern

Die meisten dieser lieblos anmutenden Anlagen werden kaum noch benutzt – mit gutem Grund, denn Kinder finden in ihrer Umgebung heutzutage meist attraktivere Angebote. In öffentlichen Grünanlagen, aber auch auf Schulhöfen sowie bei neuen Wohnsiedlungen sind in der Schweiz vielerorts moderne Spielplätze entstanden.

Auf ihnen gibt es nicht selten Pumpen sowie Leitungen aus Holz oder Metall zum Spielen mit Wasser. Zum Bächlein-Stauen gingen Schweizer Kinder früher zumeist in den Wald. Heutzutage, wo die Verstädterung auch in der Schweiz rasant fortschreitet, sollen auch Stadtkinder naturnahe Spielorte finden.

Bei Spielplätzen ist landesweit mächtig aufgerüstet worden. Exemplarisch zeigt sich dies bei Ausflugszielen in den Bergen. Im Zuge des Klimawandels setzen Kurvereine und Bergbahnen verstärkt auf den Sommertourismus. Doch um Familien in die Berge zu locken, braucht es attraktive Angebote. Grossflächige Spielplätze gehören dazu.

Marktführer aus Dänemark

Der Boom beim Bau neuer Spielplätze erfreut in erster Linie die Kinder selbst. Doch auch für Eltern ist er eine positive Entwicklung. Sie können sich darauf verlassen, dass ihre Sprösslinge in einer anregenden und vergleichsweise sicheren Umgebung herumtoben sowie Kontakte mit Gleichaltrigen knüpfen können. Gegen die körperliche Inaktivität und die wachsende Vereinsamung, die im Zeitalter des ständigen Konsums von digitalen Angeboten bereits unter den Kleinsten um sich greifen, gibt es kaum etwas Besseres als das Spielen auf dem Spielplatz.

Rund um die Spielplätze ist eine spezialisierte Industrie entstanden, die prächtig läuft. Das beste Beispiel dafür ist der dänische Familienkonzern Kompan, der mit einem Umsatz von umgerechnet 440 Millionen Franken als globaler Marktführer gilt. Seine Spielgeräte stehen mittlerweile in über neunzig Ländern.

In den vergangenen fünf Jahren stiegen die Verkäufe der Firma, zu denen neben der Familie Dyvig auch die Nachfahren des Gründers des Spielzeugherstellers Lego gehören, um durchschnittlich 12 Prozent pro Jahr. Auch in der Schweiz sowie in Deutschland und in Österreich ist das Unternehmen damit laut eigenen Angaben deutlich stärker als der Gesamtmarkt gewachsen.

Auftraggeber akzeptieren hohe Preise

Bemerkenswert ist indes nicht nur das Tempo, das Kompan bei der weltweiten Expansion angeschlagen hat. Die Firma beeindruckt auch durch ihre Ertragskraft. Im vergangenen Jahr erreichte die Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis 18,4 Prozent. Dies stellt für ein Unternehmen der verarbeitenden Industrie einen stolzen Wert dar.

Kompan profitiert davon, dass die Bauherren bei Spielplätzen meist öffentliche Körperschaften sind. Weil selbst in einer Grossstadt wie Zürich pro Jahr nur einzelne neue Anlagen entstehen, ist die Einkaufsmacht der meisten Auftraggeber beschränkt. Der Preisdruck hält sich in Grenzen. Zugleich sind Spielplätze Vorzeigeprojekte, bei denen sich die Bauherren nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, knausrig zu sein.

In der Schweiz koste der Bau neuer öffentlicher Spielplätze gut und gerne 200 000 bis 300 000 Franken, verlautet aus Branchenkreisen. Die Stadt Zürich wendete von 2012 bis 2022 pro Jahr allein im Durchschnitt 850 000 Franken für die Erneuerung von Spielplätzen auf, wie die zuständige Behörde Grün Stadt Zürich auf Anfrage mitteilt.

Spielplatz-Boom in Zürich und in Basel

Insgesamt ist die Zahl der Spielplätze im Eigentum der Stadt Zürich auf fast 640 angewachsen. 16 von ihnen kamen in den vergangenen zehn Jahren dazu. Zudem wurden in diesem Zeitraum 18 öffentliche Spielplätze in Zürcher Parkanlagen erneuert. Zürich nahm in letzter Zeit auch wegen der starken Bevölkerungszunahme eine Vorreiterrolle beim Ausbau des Spielplatzangebots ein. Auch Basel habe viel gemacht, heisst es in der Branche.

Spielplätze in Pärken, auf Schulhöfen oder in grösseren Siedlungen hätten eine Lebensdauer von fünfzehn bis zwanzig Jahren, sagt Helmar Giebel, beim Hersteller Kompan für die Absatzmärkte Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich.

Die Qualität des Materials sei nicht mit jener der Spielgeräte zu vergleichen, die von Baumärkten für Einfamilienhäuser angeboten werde, sagt Giebel. Das Preisniveau für solche Produkte liegt deutlich tiefer. Allerdings sind im privaten Bereich auch die Qualitätsstandards nicht dieselben wie auf öffentlich zugänglichen Spielplätzen.

Fragmentierte Branche mit vielen Kleinbetrieben

Kompan entstand 1970, wobei die ersten Produkte vom dänischen Künstler Tom Lindhardt entworfen wurden. Lindhardt war auch der Gründer der Firma. Mittlerweile ist das Unternehmen so gross geworden, dass es eigens eine Entwicklungsabteilung für neue Spielgeräte unterhält.

Mit über 1800 Angestellten zählt Kompan branchenweit mit Abstand am meisten Mitarbeitende. Anbieter aus Deutschland beschäftigen selten mehr als 200, 300 Personen, Schweizer Hersteller maximal wenige Dutzend. Die Branche gilt als fragmentiert. Das Mitgliederverzeichnis allein des deutschen Bundesverbands der Spielplatzgeräte- und Freizeitanlagen-Hersteller umfasst beinahe 30 Firmen.

In der Schweiz zählt das Obwaldner Unternehmen Hinnen, das unter dem Markennamen Bimbo auftritt, zusammen mit Bürli und Fuchs zu den führenden Produzenten von Spielplatzgeräten. Alle drei Firmen bearbeiten den gesamten Schweizer Markt. Zu ihnen gesellen sich mehrere Hersteller, die vorwiegend regional tätig sind.

Schweizer Anbieter bleiben hiesigem Werkplatz treu

Kompan lagerte aus Kostengründen schon vor zwanzig Jahren die gesamte Fertigung in Europa von Dänemark nach Tschechien aus. In der Schweiz produzieren hingegen auch die führenden Anbieter nach wie vor ausschliesslich im eigenen Land.

Bei Hinnen liefen die Geschäfte in den vergangenen Jahren derart gut, dass das Unternehmen 2023 in Sarnen einen neu erbauten Firmensitz mitsamt Produktionshallen auf zwei Stockwerken beziehen konnte. Die Kosten für den Landerwerb und den Bau erreichten laut dem Firmeninhaber und Geschäftsführer Ivo Kneubühler einen Millionenbetrag im zweistelligen Bereich. Man habe beim Bau aber auch viel Eigenarbeit geleistet, um den finanziellen Aufwand zu begrenzen.

Hinnen veröffentlicht keine Geschäftszahlen, doch dürfte der Umsatz des Unternehmens, das rund 50 Mitarbeitende beschäftigt, bei geschätzten 10 Millionen Franken liegen. Auch die Marke Bimbo habe, unterstreicht Kneubühler, sukzessive Marktanteile gewonnen.

Allerdings ist es dem Unternehmen ebenso wie seinen einheimischen Konkurrenten nicht gelungen, sich über die Schweiz hinaus zu etablieren. Für den Export von Spielplatzgeräten sei das Lohnniveau in der Schweiz zu hoch, sagt Kneubühler.

Es muss naturnah aussehen

In den Werkstätten von Hinnen wird nach wie vor viel Handarbeit geleistet. Maschinen sind kaum zu sehen. Produktionsprozesse zu automatisieren, lohnt sich nur beschränkt. Dafür sind die Stückzahlen im Verkauf von Spielplatzgeräten zu gering. Nicht selten handelt es sich bei den Produkten sogar um Spezialanfertigungen.

In der Schweiz hat sich ähnlich wie in Deutschland und in Österreich der Trend durchgesetzt, dass Spielplätze möglichst naturnah aussehen sollen. Bei den Konstruktionen gelangt entsprechend viel Holz zum Einsatz. Eher verpönt sind Anfertigungen aus Stahl und erst recht solche aus Kunststoff.

Gerne würde man auch bei Hinnen mehr einheimisches Holz verwenden. Doch die Branche setzt inzwischen weitgehend auf Robinienholz. Dieses gilt als besonders beständig und muss anders als beispielsweise Tannenholz nicht gegen Nässe imprägniert werden. Die Hersteller von Spielplatzgeräten müssen das meiste Robinienholz aus östlichen Ländern Europas, vorab aus Ungarn sowie aus Kroatien und Rumänien, importieren.

Unfälle trotz wachsender Bevölkerungszahl stabil

Ein grosses Thema in der Branche sind Verbesserungen bei der Sicherheit. Zwar hat sich laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) in den vergangenen zwanzig Jahren die Zahl der Unfälle auf Spielplätzen trotz der gestiegenen Bevölkerungszahl ziemlich stabil entwickelt. Doch noch immer werden pro Jahr gesamtschweizerisch über 10 000 Unfälle registriert. Die häufigste Ursache – bei etwas mehr als der Hälfte der Fälle – sind Stürze.

Als eine weitere bedeutende Gefahrenquelle nennen die BfU-Fachleute Strangulationen. Sie empfehlen denn auch dringend, auf Spielplätzen keinen Helm und keinen Schlüssel um den Hals zu tragen.

Zugleich führen verschärfte Bauvorschriften dazu, dass schwere Unfälle seltener werden. So müssen die Böden stossdämpfend sein. Die Fallhöhe darf maximal drei Meter betragen. Auch wegen solcher Auflagen verschwinden in der Schweiz alte Anlagen zusehends. Das Risiko, für schwere Unfälle haftbar gemacht zu werden, ist für die Eigentümer zu gross.

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