Donnerstag, Januar 2

Ein Sangestalent aus Biel, ein Spitzenkoch, der keine Spitzengastronomie mehr mag, ein stinkender Schüttelzug und ein respektierter Sparfuchs: Das Jahr 2024 war nicht mit allen gleich freundlich.

Aufsteiger

Susanne Wille:

Es war ein Routineakt der Bundesverwaltung, der Susanne Willes Karriere Ende August 2023 in eine neue Richtung lenkte. Die Bundeskanzlei hatte die Unterschriften für die Halbierungsinitiative für zustande gekommen erklärt. Das Volk wird also darüber abstimmen, ob die SRG deutlich weniger Geld bekommt. Seither herrscht in Leutschenbach Alarmstimmung.

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SRG-Generaldirektor war damals noch Gilles Marchand, ein Westschweizer Soziologe, der mit dem Volk stets etwas fremdelte. Marchand, gewählt bis 2027, entschied sich, die Initiative mit Pathos, Gejammer und Drohungen zu bekämpfen. Die Vorlage sei nicht weniger als «ein Angriff auf die Schweiz», verkündete er. Als Bundesrat Rösti als Gegenmassnahme eine moderate Gebührensenkung vorschlug, fiel Marchand nichts Besseres ein, als vor dem baldigen Ende des medialen Service public zu warnen. Spätestens dann muss dem SRG-Verwaltungsrat aufgefallen sein, dass mit dem Mann kein Kampf mehr zu gewinnen ist.

Seit November ist Susanne Wille, Jahrgang 1974, SRG-Generaldirektorin. Wille ist im Gegensatz zu ihrem Vorgänger eine anerkannte Journalistin und exzellente Kommunikatorin. Sie startete ihre Laufbahn beim Aargauer Regionalfernsehen, bekannt wurde sie als Moderatorin von «10 vor 10». 2020 stieg sie zur SRF-Kulturchefin auf. Dort zeigte sie, dass sie sparen kann. Kurz nach ihrem Antritt strich sie die Sendung «52 beste Bücher», ein in die Jahre gekommenes Flaggschiff der SRF-Kultur. Die Reaktionen waren heftig, Wille hatte den ganzen Literaturklüngel von Bern bis Berlin gegen sich. Doch die Sendung gibt es heute nicht mehr.

Als SRG-Generaldirektorin wird Wille noch mehr streichen müssen. Das Unternehmen betreibt immer noch 7 TV- und 17 Radioprogramme. Doch das Lagerfeuer der Nation ist am Verglühen. Die linearen Programme verlieren an Bedeutung, die Werbeeinnahmen brechen weg, das Publikum wendet sich ab. Und da ist noch die Halbierungsinitiative. Wille muss den medialen Service public in ein neues Zeitalter retten, das eine Grundbedingung kennt: Es gibt immer weniger Geld.

Martina Bircher: pragmatische Hardlinerin

Als Martina Bircher elf Jahre alt war, sagte ihr Lehrer den Eltern: «Martina kommt in die Realschule, sie wird ja eh mal nur Hausfrau und Mami.» Es ist ihr oft passiert: Man unterschätzt sie gerne, diese Frau, die eher klein gewachsen ist. Die aber einen eisernen Willen hat.

Mami ist Martina Bircher 2018 zwar geworden, und ab und zu macht sie auch den Haushalt. Aber vor allem ist die 40-Jährige eine erfolgreiche Politikerin: Im Oktober wählten die Aargauer sie mit einem Glanzresultat in den Regierungsrat. In nur zehn Jahren schaffte Bircher so den Aufstieg vom Gemeinderat in der Kleinstadt Aarburg in die Exekutive des nach Einwohnern viertgrössten Kantons.

Einen Namen machte sich die SVP-Frau bereits in Aarburg als «härteste Sozialvorsteherin der Schweiz». Sie drückte mit rigiden Massnahmen die Sozialhilfequote der Gemeinde von einst 6 Prozent auf unter 2 Prozent. Als Nationalrätin, die sie ab 2019 auch noch war, kämpfte Bircher vor allem gegen die «unkontrollierte Zuwanderung».

Doch sie ist nicht nur rechte Ideologin und Hardlinerin. Weggefährten attestieren ihr, dass die Betriebswirtschafterin Probleme pragmatisch angehen kann. Und sie hat auch eine progressive Seite: Ihr Sohn geht in die Kita, sie ist für die Individualbesteuerung und befürwortete die Ehe für alle.

Nun betritt Bircher politisches Neuland: Sie wird Bildungsdirektorin – zum Entsetzen der Aargauer Linken und der Pädagogen. «Bircher wäre zwar umsetzungsstark. Ich bezweifle aber, dass sie sich inhaltlich bereits gut genug mit den Dossiers auskennt», sagte die kantonale Lehrerpräsidentin der «Aargauer Zeitung».

Wird sie wieder einmal unterschätzt? Auf jeden Fall hat Bircher bereits einen 10-Punkte-Plan für die Bildung vorgelegt. Und scheut sich auch da nicht, heisse Eisen anzufassen: Sie will die integrative Schule abschaffen und die Sonderklassen wieder einführen.

Serge Gaillard: der freudigste Sparer der Schweiz

Was wäre zu erwarten gewesen? Leidende Gesichter vielleicht, zerfurcht von der unmöglichen Aufgabe, die Ausgaben des Bundes zurückzufahren, gezeichnet von der Verantwortung, überall sparen zu müssen. Aber als Serge Gaillard im September mit seiner Expertengruppe vor die Medien trat, war er bestens gelaunt.

Er war vom Bundesrat gebeten worden, Sparvorschläge im Umfang von mehreren Milliarden Franken zu unterbreiten. Jetzt konnte er bekanntgeben, dass dieses Ziel sogar noch übertroffen worden sei. Begeistert referierte er die Sparpotenziale, die er fast überall im Bundesbudget entdeckt hatte. Manchmal musste er sich in seinem Eifer selbst bremsen. Der entgeisterten Journalistin der «WoZ», die zu fragen gewagt hatte, ob nicht die Schuldenbremse viel zu rigide sei, erklärte er: «Sie wirkt jetzt genau so, wie sie wirken soll!» Die «WoZ» schrieb später von einer «unerträglichen Leichtfertigkeit des Sparens», Gaillard und seine Leute seien «verstörend guter Laune» gewesen. In der SP sprach man von einem «Frontalangriff auf die soziale Schweiz», Nationalrätin Tamara Funiciello warf den Gaillard-Bericht medienwirksam in den Abfallkorb.

«Solche Dinge gehören zum Geschäft», sagte er in einem Interview in der «NZZ am Sonntag», «von Kaputtsparen kann nicht die Rede sein.»

Er war doch einst einer von ihnen gewesen: Serge Gaillard ist bei der Revolutionären Marxistischen Liga eingestiegen, später absolvierte er seinen ganz eigenen Marsch durch die Institutionen. Er wurde Zentralsekretär beim Gewerkschaftsbund und dann Spitzenbeamter im Finanzdepartement. Nach seiner Pensionierung schien er nun seine wahre Berufung gefunden zu haben: als Präsident des eidgenössischen Verzichts.

Es ist unklar, ob sich die Politik zum Sparen durchringen kann. Klar ist aber, dass Serge Gaillard grosse Freude daran gefunden hat.

Ruth Metzler: zurück im Licht

Die Karriere von Ruth Metzler glich lange der einer Sportlerin: In jungen Jahren bereits erlebte sie ihren Höhepunkt, im Jahr 1999 wurde sie im Alter von 34 Jahren in die Landesregierung gewählt. Auf dem Bundesratsfoto sah sie aus wie eine Departementsvorsteherin aus der Zukunft. Neben ihr standen Kaspar Villiger im Zweireiher und Adolf Ogi, die beide noch zur Zeit des Kalten Kriegs in den Bundesrat gekommen waren. Es war noch das Briefzeitalter, aber jetzt wurde geraunt, Metzler führe per E-Mail oder ab und zu sogar per SMS. Sie sagte, Probleme gehe sie mit der Einstellung an: «Juhui, ein neues Problem!» Der «Blick» schrieb: «Ruth Metzler Strahlefrau!» Sie übernahm das Justiz- und Polizeidepartement und sagte Sätze wie: «Die Schweiz kann Europa mitgestalten.»

Nur vier Jahre später aber liess ihre Partei, die damalige CVP, die noch bei ihrer Wahl von «Generationenwechsel» und «Symbolwirkung» gesprochen hatte, sie fallen. An ihrer Stelle wurde Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt.

Metzler schrieb ein bitteres Buch namens «Grissini & Alpenbitter», in dem sie mit ihrer Partei abrechnete. Dann ging sie zuerst für Novartis nach Paris. Später übernahm sie verschiedene Mandate: als Verwaltungsrätin bei den Axa-Versicherungen oder den Appenzeller Bahnen, als Stiftungsrätin bei Avenir Suisse oder der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan. Sie führt bis heute die Metzler Strategie, Führung, Kommunikation AG, sie ist zurück nach Appenzell gezogen. Es sah aus, als habe sie sich von der grossen politischen Bühne zurückgezogen.

Seit diesem Jahr ist sie zurück im Licht: Sie hat sich einem medial ausgetragenen Wahlkampf gestellt – und die Wahl zur neuen Präsidentin von Swiss Olympic gewonnen. Ab Januar wird sie die Interessen der Sportlerinnen und Sportler vertreten – und ihnen aus eigener Erfahrung mitgeben können, dass auch nach einem frühen (und sogar einem erzwungenen) Rücktritt immer noch ein Comeback folgen kann.

Nemo: zweieinhalb Oktaven und drei Register

La Suisse: nicht einmal «zero points», sondern ausgeschieden. DJ Bobo, Paolo Meneguzzi, Lovebugs, Michael von der Heide, Sinplus, Takasa, Rykka, Timebelle, Zibbz – mehr als zehn Jahre lang blamierte sich die Schweiz am European Song Contest (ESC) mit Nullnummern. Luca Hänni brachte 2019 die Wende. Mit seinem «She Got Me» schaffte er es auf den vierten Platz. 2021 erreichte Gjon’s Tears Platz 3. 2022 und 2023 überstanden Marius Bear und Remo Forrer den Wettbewerb mit mässigen, aber blamagefreien Platzierungen.

Und dann kam Nemo. Eine schmale Person in einem lächerlichen rosa Tüll-Kostüm, die auf einem Riesenkreisel herumturnte. Doch da waren diese Stimme und dieses Lied. Ein Lied, das von einer Person erzählt, die den Code geknackt hat und nicht mehr 0 oder 1, männlich oder weiblich, sein will. Eine Melodie, die über zweieinhalb Oktaven reicht, gesungen von einem jungen Menschen, der mühelos drei Stimmregister beherrscht.

Nemo überzeugte am ESC in Malmö musikalisch. Das Talent aus Biel profitierte aber auch vom Zeitgeist. Gefühlt die Hälfte der Showcases bewegte sich irgendwo zwischen weiblich und männlich, der Code der Veranstaltung oszillierte zwischen Grusel-Goth und Plüsch-Puff; er war aber eindeutig nonbinär. Dies allerdings nur bezüglich Geschlecht und Gender. Aus politischer Sicht war der Anlass ein Inferno aus Nullen und Einsen. Die Interpretin aus Israel wurde gnadenlos ausgebuht, weil sie aus Israel kam. Vor der Halle demonstrierten wütende junge Leute, in der Halle verbündeten sich mehrere Interpreten gegen die Teilnahme Israels. Die junge Interpretin, die das Land vertrat, wurde regelrecht gemobbt.

Welche Rolle Nemo dabei spielte, ist unklar. Sicher ist die Autorschaft bei einem Brief, der sich klar auf den Gaza-Krieg und Israel bezieht. Nemo redet lieber über die Anerkennung eines dritten Geschlechtseintrags. Geschadet hat das politische Versteckspiel nicht. Vor einem Monat trat das ehemalige Bieler Nachwuchstalent an der Royal Variety Performance in der Londoner Royal Albert Hall auf. Im Publikum: König Charles.

Kernkraft: die Schweiz, wieder ein Atomkraftvolk?

Im Sommer haben führende Kernforscher der ETH ein umfangreiches und beachtliches Kompendium zur Kernkraft veröffentlicht. Im Auftrag des Bundesamts für Energie – und vielleicht auch darum ziemlich versteckt. Das Papier liest sich wie ein Eingeständnis. Atomkraftwerke werden immer sicherer, können schneller gebaut werden, und Kernkraft ist nicht teurer als andere Energien.

Vorbei die Zeiten, als die Bürger beseelt das Versprechen einer grünen Energiewende abgenickt haben. Einen Strommix aus Wasser, Wind, Sonne, alles erneuerbar, für mickrige 40 Franken pro Familie zu haben (in Deutschland sollte die Wende sogar nur eine «Kugel Eis» kosten).

Heute gilt wieder: Atom, Atom, Atom.

Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), verweist gerne auf die klimafreundliche Emissionsbilanz der Technologie. Und er sagt: «Deshalb wollen Länder, die Atomenergie haben, mehr Atomenergie. Und viele Länder, die keine Atomenergie haben, wollen Atomenergie.»

Ob in der Schweiz je wieder ein Atomkraftwerk gebaut wird, ist keineswegs sicher, das gehört zur Wahrheit dazu. Die Frage, wie wirtschaftlich Atomkraftwerke sind, ist berechtigt – und wer dieses Risiko eingeht und bezahlt, ist ebenso eine berechtigte Frage. Das Technologieverbot, das mit der missglückten Energiewende beschlossen worden ist, soll aufgehoben werden. Das ist zumindest ein Anfang. Und die Stimmungslage im Land scheint wieder auf die Linie der wenigen noch existierenden Kernkraftdörfer gerutscht. Niemand will eine «Dunkelflaute» erleben.

Michael Mäder (SVP), Gemeindeammann von Döttingen im Kanton Aargau, liefert dieser neuen Kernkraft-Verzückung die perfekte Tonspur. Er ist der Mann, der dem Land zeigt, dass sich Bewohner ganz gut mit einem AKW (in diesem Fall: Beznau) arrangieren können. Und er möchte «Herrn und Frau Schweizer als Gedanken mitgeben», dass ein neues AKW in der Schweiz, «wo wir die Sicherheit selbst garantieren können», vielleicht besser ist, als von einem im Ausland abhängig zu sein. Und der Strombedarf nehme ja zudem laufend zu: «Irgendwo müssen die Käferli aus der Steckdose kommen.»

Mäder sagt, auch wenn es noch Jahre dauern werde, bis es zu einem neuen AKW komme: Er und seine Gemeinde wären sofort bereit zum Spatenstich.

Absteiger

Beat Jans: Es knistert nicht mehr

Im Advent war es für Beat Jans wieder einmal ein bisschen wie früher, wie in seinem alten Leben. In der «Schweizer Illustrierten» durfte er seine Erfolge als Asylminister aufzählen und von seinem Leben als Bundesrat schwärmen. Von der Unterstützung seiner Frau, den «Date-Nights» in Bern. «Es knistert.»

Als Regierungspräsident im rot-grünen Kanton Basel-Stadt war er diese Wohlfühlambiance gewohnt. Er musste niemanden fürchten, schon gar keine Bürgerlichen. Die «Basler Zeitung» titelte kurz nach seinem Amtsantritt: «Der Macher. Der Anpacker. Der Verknüpfer.» Es knisterte.

In der Realität knistert’s eher weniger. Nach einem soliden Start – «Wer denkt, linke Politik heisst wegschauen, irrt sich» – hat sich Jans selbst entzaubert. Er konnte sein erstes Versprechen (24-Stunden-Verfahren) nicht halten. Seine vermeintliche Stärke, die Kommunikation, der joviale Auftritt, wurde seine Schwäche. Nicht nur bei der SVP («Ankündigungsminister») stand er bald in der Kritik. Auch bei der FDP wurde der Ton schroffer: «Wachen Sie auf, Herr Jans.»

Er sorgte bis in die Mitte für Ärger, als er in der NZZ ein Bekenntnis zu den Bilateralen III ablegte. Er kam, von allen Parteien kritisiert, zu selten in die Kommissionen. Wichtige Informationen erfuhren die Politiker aus der Presse. Er verstehe seine Dossiers zu wenig, heisst es. Er stottert bei Fragestunden im Parlament. Und von den Kantonen wird der Asylminister wegen seines Lavierens immer stärker unter Druck gesetzt. Verteidigen will ihn kaum mehr jemand.

Das dürfte auch daran liegen, dass er schlecht beraten wird: Seine Co-Generalsekretäre sind dieselben wie in Basel. Dort fand man «top sharing» modern, in Bern reichen Grünschnäbel nicht. Vor allem, wenn auch sonst kaum erfahrene Beamte im Kernteam sind.

Dass die zuvor so arg gescholtene Elisabeth Baume-Schneider, die ihn kühl ins Justiz- und Polizeidepartement bugsiert hat, an Einfluss gewinnen konnte: Das ist vielleicht Jans’ grösste Leistung. Und eine Pointe, die knistert. Immerhin.

Brigitte Hauser-Süess: das Verteidigen verlernt

Besonders ärgerlich für Brigitte Hauser-Süess muss es sein, wenn Brigitte Hauser-Süess in die Öffentlichkeit, konkreter: in die Medien, gelangt. Sie, die lieber im Hintergrund agiert für wichtige Frauen dieses Landes: Metzler, Widmer-Schlumpf, Leuthard, Amherd. (Und für Christoph Blocher.) Wenn diese im Rampenlicht stehen und gelobt werden, steht sie abseits, im Schatten – und lächelt zufrieden. Hauser-Süess, die Strippenzieherin. Für sie zählt nur das Recht auf Macht. Applaus interessiert sie nicht. Das ist das Bild, das stets vermittelt werden sollte.

Die (ehemaligen) Bundesrätinnen waren mit ihrer Arbeit so zufrieden, dass sie etwa von Widmer-Schlumpf am Ende ihrer Amtszeit als «Freundin» geadelt wurde. Bei Amherd, heisst es, könnte es sein, dass sie und ihre treue Begleiterin beide halbe Bundesrätinnen sind. So wichtig ist Hauser-Süess für die Verteidigungsministerin.

Nur gelang es Hauser-Süess immer weniger, ihre Chefin zu verteidigen. Amherd steht in der Kritik. Auch wegen Schlagzeilen, die auf Hauser-Süess zurückgehen. Sie hat nicht geschickt kommuniziert, als das VBS ausgerechnet ihren Schwager als Verwaltungsratspräsidenten der Ruag installierte. Sie hat ihre Karriere in diesem Jahr so lukrativ verlängert, dass Beraterhonorare wieder zum politischen Thema wurden.

Schuld an diesen Schlagzeilen sind jedoch immer die anderen. Jedenfalls sagt das Hauser-Süess in der Altjahreswoche dem «Walliser Boten». Die Medien berichteten undifferenziert – und das nur, lässt sie durchschimmern, weil sie eine Frau sei. Das habe sie, so liest es sich, auch die politische Laufbahn gekostet. Dass die «Mutter der Fristenlösung» vielleicht auch mit ihrer Zeitgeist-Politik gerade in der CVP einfach keine Mehrheiten hatte: Darauf kommt sie nicht. Für eine Beraterin mit erfolgreicher Laufbahn im innersten Schweizer Machtzirkel, die nun mit 70 Jahren endet, wirkt das eigenartig eingeschnappt und wie Nachtreten.

Und dass das in der Schweiz nicht gut ankommt: Das müsste eine Strippenzieherin wissen.

Dosto: Zug der Zumutungen

Nur schon das Akronym hätte die SBB-Verantwortlichen stutzig machen müssen. Denn zum Rüttelzug Dosto gehört eine Technologie namens Wako. Ausgeschrieben: Wankkompensation. Diese sollte das Rumpeln abfedern und verhindern, dass sich die Waggons bei Kurvenfahrten zu stark nach aussen neigen, was schnelleres Kurvenfahren gegenüber konventionellen Doppelstock-Kompositionen erlauben sollte.

Mit Betonung auf «sollte»: Die SBB-Triebzüge des Typs FV-Dosto von Alstom (ehemals Bombardier) wankten nämlich mitunter so stark, dass Kaffeebecher von der Ablage rutschten und sich die Passagiere mit grünen Gesichtern an die Armlehnen klammerten.

Nun ist endgültig Schluss: Zehn Jahre nachdem ihn die SBB voller Hoffnung bestellt hatten, steigt der Zug der Zumutungen in den Hades der schlechten Bahnerinnerungen ab. Die SBB haben genug und planen alle Drehgestelle der 62 Doppelstöcker umzubauen und die Wankkompensation auszubauen.

«Der Zug, den wir bekommen haben, ist nicht der Zug, den wir bestellt haben», sagte der SBB-CEO Vincent Ducrot kürzlich in einem selbstkritischen Interview. Es habe nachträglich über tausend Anpassungen gegeben. «Das ist für uns eine Lehre.»

Die späte Einsicht freut die durchgeschüttelten Passagiere. Sie können nun auf bequemere Fahrten hoffen. Bleibt nur noch ein Problem: Der Dosto wackelt nämlich nicht nur, er stinkt auch. Grund dafür ist eine Mini-Kläranlage in den Zug-Toiletten, die die Bakterien nicht schnell genug abbaut. Die SBB haben zwar mittlerweile ein Software-Update durchgeführt, aber es stinkt immer noch.

Bis auch dieser Defekt behoben wird, bleibt den Passagieren nur eines: Nase zu und durch.

Sanija Ameti: hochgejubelt und heruntergeschrieben

Sanija Ameti ist eine der bekanntesten Politikerinnen des Landes, obwohl sie politisch kaum eine Rolle spielt. Sie ist die Co-Präsidentin der in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Operation Libero und Mitglied des Zürcher Stadtparlaments. 2023 kandidierte sie für die GLP erfolglos für den Zürcher Kantonsrat und ebenso erfolglos für den Nationalrat.

1992 in Bosnien geboren, kam sie als Dreijährige mit ihren Eltern in die Schweiz. Sie machte in Zürich die Matura, studierte dort Rechtswissenschaften und dissertiert an der Universität Bern zum Thema «Public-Private Cyber Defence».

Ameti ist klug und engagiert, doch sie lässt keine politische Provokation aus. Sie liess sich in Che-Guevara-Pose mit Zigarre abbilden, stritt, in eine Schweizer Armeejacke gekleidet, mit Christoph Blocher über die Neutralität der Schweiz und sagte in einer Talkshow, die beiden SVP-Bundesratskandidaten Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt könne sie sich politisch nicht schöntrinken. In einem Land von Konformisten wirkte sie wie Gulliver bei den Liliputanern.

Doch im September machte sie eine Riesendummheit. Sie postete ein Bild von sich, das sie bei Schiessübungen auf eine Mariendarstellung mit Kind zeigt. Die Folgen waren brutal: Parteiausschlussverfahren, Job weg, Hasshetze, Morddrohungen.

Ameti löschte den Post, bat beim Bischof um Vergebung und tauchte ab. Nach zweieinhalb Monaten kehrte sie in die Zürcher Stadtpolitik zurück und versuchte sich in einem grossen Mea-culpa-Interview zu erklären.

Doch das grosse Comeback ist bis jetzt ausgeblieben: Die Frage des Parteiausschlusses ist nach wie vor ungeklärt, und ihr Verhältnis zur GLP Schweiz bleibt getrübt. Die grosse Provokateurin hat eine Provokation zu viel begangen. Ihre politische Karriere endet wohl im Zürcher Gemeinderat.

Damien Germanier: ein Koch steigt freiwillig ab

Ist man wirklich ein Absteiger, wenn man seinen Abstieg selbst gewählt hat? Wenn man, wie der Walliser Koch Damien Germanier, auf Gastronomie-Ehren verzichtet, um wieder alltäglicher zu kochen? Oder hat man dann nicht vielmehr sein Leben fest entschlossen in beide Hände genommen, im Gegensatz zu typischen Absteigern, denen ihr Schicksal entglitten ist?

Damien Germanier, 45 Jahre, lebt lieber ungewöhnlich. Er ist so tätowiert wie die Menschen auf den Fotodrucken, die sein Restaurant in Sitten zieren. Er lässt in dem Lokal, das seinen Namen trägt, Rockmusik laufen. Und er wird dafür seit Jahren von der Fachpresse gelobt: Der «Michelin» bescheinigt ihm «kreative Finesse» und hat ihm einen Stern verliehen, der «Gault-Millau» schwärmt von «exzellenten Überraschungen» und führt ihn mit 17 von 20 möglichen Punkten.

Doch zum 1. März ist Schluss mit Nobelküche. Die Kosten seien zu hoch, die potenzielle Kundschaft zu klein, sagte Germanier sinngemäss, als er im November seinen Entschluss verkündete. Ein paar Wochen später erzählte er, dass er sich normalerweise ein Monatssalär von 6000 Franken netto auszahle und seit der Eröffnung seines Restaurants 2013 manchmal auch gar nichts. Angesichts von 15-Stunden-Tagen ergibt das einen Stundenlohn von nur 18 Franken, errechnete die Lokalzeitung «Le Nouvelliste».

Germanier hätte nun, wie zunehmend mehr Spitzenköche, auf reiche Gönner setzen oder in einem Grand-Hotel kochen können. Er hat sich einmal mehr anders entschieden: Ab Mitte März will er – im selben Lokal und möglichst mit derselben achtköpfigen Equipe – zwar weiterhin sein Brot selbst backen, aber sonst erschwinglichere Gerichte wie auch einmal Spargel mit Mayonnaise anbieten.

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