Karin Keller-Sutter hat bei ihrer ersten Auslandreise als Bundespräsidentin Wien besucht. Sie erfuhr viel Unterstützung für das Ziel, die Beziehungen zur EU weiterzuentwickeln. Ein anderes gemeinsames Projekt steht in Österreich aber auf der Kippe.
Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hat am Freitag ihre erste Auslandreise in diesem Amt nach Wien unternommen, «zu Freunden», wie sie selbst sagte. Es ist eine langjährige Tradition und Ausdruck der besonders engen Beziehungen, dass der erste Besuch eines Präsidialjahres jeweils nach Österreich führt. Geteilte Werte und Ziele prägten die Zusammenarbeit, die weit über bilaterale Angelegenheiten hinausgehe, erklärte auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der gemeinsamen Medienkonferenz.
Tatsächlich ist das bilaterale Verhältnis praktisch ungetrübt und besonders in der Grenzregion äusserst eng, wie Keller-Sutter etwa mit dem Verweis auf den im letzten Jahr mit einem Staatsvertrag beschlossenen Ausbau des Hochwasserschutzes am Rhein betonte. Im Fokus der Gespräche stand allerdings die Europapolitik: Es war der erste Besuch eines Bundesratsmitglieds in einem EU-Land seit dem Abschluss der Verhandlungen über die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge kurz vor Weihnachten – und damit gewissermassen ein Stimmungstest.
Auf europäischer Ebene sieht Wien keine Hürden mehr
Österreich zählte immer zu den besonders engagierten Fürsprechern der Schweiz in Brüssel, und das unterstrich am Freitag auch Van der Bellen. Er sei angesichts der wechselhaften Geschichte der Verhandlungen skeptisch gewesen, dass es zu einer Einigung zwischen der Schweiz und der Kommission kommen werde. «Gott sei Dank habe ich mich geirrt», räumte er ein. Die EU brauche die Schweiz, und die Schweiz brauche die EU. Österreich werde deshalb jede Anbindung unterstützen, die von der Schweiz gewünscht und akzeptiert werde.
Auf Ebene der Mitgliedstaaten sieht der Bundespräsident keine Hürden mehr für einen erfolgreichen Abschluss – auch nicht, dass der Schweiz eine Schutzklausel zur Einschränkung der Zuwanderung zugestanden wurde. Für den nun anstehenden innenpolitischen Prozess, über den ihn Keller-Sutter informierte, wünschte er der Amtskollegin und der Schweiz «aus ganzem Herzen viel Erfolg».
Die Bundespräsidentin sprach ihrerseits von einem wichtigen Etappenziel mit dem Verhandlungsabschluss. Sie bedankte sich insbesondere für die Unterstützung Wiens bei der Wiederaufnahme der Schweiz in das europäische Forschungsprogramm Horizon. Seit Jahresbeginn können sich Wissenschafterinnen und Wissenschafter wieder um Stipendien und Zuschüsse der EU bewerben. Nachdem die Schweiz 2021 die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen abgebrochen hatte, wurde sie von Horizon ausgeschlossen.
Mit Herbert Kickl könnte Wien aus Sky Shield aussteigen
Keller-Sutter besuchte Österreich inmitten von politischen Turbulenzen: Die Regierung ist nach der Parlamentswahl von Ende September nur noch geschäftsführend im Amt, und vor zwei Wochen scheiterten überraschend die Verhandlungen für eine Dreierkoalition ohne die rechtspopulistische FPÖ, die die Wahl gewonnen hatte. Die Bundespräsidentin traf deshalb auch kein Regierungsmitglied, Interims-Kanzler Alexander Schallenberg war am Freitag in Berlin. Ihm könnte im Amt des Regierungschefs der FPÖ-Chef Herbert Kickl nachfolgen, ein vehementer EU-Kritiker. Keller-Sutter äusserte sich aber zuversichtlich, dass dies nichts an den freundschaftlichen Beziehungen ändern werde. Die Bande seien stark und unabhängig von Personen.
Zur Disposition könnte in Wien jedoch ein Prestigeprojekt der scheidenden Regierung stehen: die Teilnahme am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield. Der ehemalige Bundeskanzler Karl Nehammer hatte stets betont, dass Österreich gemeinsam mit der Schweiz beitrete, was Bedenken bezüglich einer Verletzung der Neutralität zerstreuen sollte. Kickl sieht darin indes einen faktischen Nato-Beitritt und versprach im Wahlkampf einen Rückzug aus der Initiative. Für die Schweiz hätte dies keine Konsequenzen, erklärte Keller-Sutter. Es sei im sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz, mit den Nachbarn zusammenzuarbeiten, soweit es mit der Neutralität vereinbar sei.