Mittwoch, Oktober 2

Ein gelernter Drucker und sein Komplize stellten Falschgeld im Wert von 8 Millionen Dollar her. Nun behandelte das Bundesstrafgericht den Fall.

Am 16. November 2022 steht die Kantonspolizei Zürich bei Aleksandar Stankovic vor der Tür. Die Polizisten wollen prüfen, ob Stankovic in seiner CBD-Anlage in Urdorf nur legales Cannabis herstellt – eigentlich eine Routinekontrolle. Doch als Stankovic die Tür aufmacht, bietet sich den Einsatzkräften ein aussergewöhnliches Bild.

Die Polizisten treffen die beiden Schweizer Aleksandar Stankovic und Kurt Fehlmann (beide Namen geändert) bei der Arbeit in einer improvisierten Druckerwerkstatt an. Wie sich herausstellt, produzieren die beiden dort gefälschte 50-Dollar-Noten. Die halbfertigen Drucke haben gemäss der späteren Anklageschrift einen Wert von 8 Millionen Dollar. Daneben befinden sich in der Halle 600 Kilogramm legaler CBD-Hanf, 256 Kilogramm illegales Marihuana, 24 Kilo Haschisch, 16 Liter Cannabis-Extrakt und – in einem Safe – 15 000 THC-Samen.

Es ist der grösste Fall von versuchter Geldfälschung der letzten 30 Jahre. Er kam am Mittwoch vor der Strafkammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona zur Verhandlung. Das Bundesstrafgericht ist für sämtliche Verbrechen zuständig, die sich gegen die Interessen des Bundes richten.

Durch Zufall wird ein Drucker zum Kriminellen

Der heute 72-jährige Kurt Fehlmann ist Buch- und Offsetdrucker. Nach seinem Lehrabschluss wechselt er häufig die Stelle. Während einiger Monate ist er bei der Hochsicherheitsdruckerei Orell Füssli beschäftigt. Dort werden auch Banknoten hergestellt, zum Beispiel jene der Schweiz, die zu den sichersten der Welt gehören.

Vor Gericht sagt Fehlmann allerdings, dass er schon vor seiner Zeit bei Orell Füssli gewusst habe, wie man Geld druckt: «In der Lehre arbeitet man mit allen Druckverfahren. Danach weiss man alles, was man wissen muss, um Geld herzustellen.» Es klingt so, als könnte jeder ausgebildete Drucker Geld herstellen.

Den Job bei Orell Füssli nutzt Fehlmann als Referenz für einen Posten im Ausland. Nach einem Abstecher nach Brasilien am Anfang der neunziger Jahre zieht er nach Thailand. Wann genau das war, weiss er nicht mehr. In Bangkok gründet er eine Druckerei für Bierdeckel, die jedoch nicht rentiert. «In Thailand laufen die Geschäfte nur, wenn man bereit ist, Leute zu bestechen.» Das habe er nicht gewollt.

Per Zufall wird er später dennoch kriminell: Er soll einem Freund dabei helfen, die Umschläge seiner Schallplatten zu digitalisieren. Also schafft er einen Scanner an. Es handelt sich um ein älteres Modell, das noch ohne Kopierschutz für Banknoten ausgeliefert wurde. Fehlmann scannt eine 1000-Baht-Note ein – «aus Jux», wie er am Mittwoch zum Richter sagte. Die Qualität des Scans sei hervorragend gewesen.

Fehlmann zeigt den Scan einem Bekannten. Die beiden beginnen Pläne auszuarbeiten. Sie wollen thailändische Baht-Noten fälschen. Nebenbei experimentieren sie mit US-Dollars. Die Dollar-Noten stehen im Ruf, einfacher zu fälschen zu sein als die Scheine anderer Währungen.

Aber aus dem Vorhaben wird nichts: Die thailändische Justiz verurteilt Kurt Fehlmann 2011 zu einer fünfjährigen Haftstrafe. Drei davon sitzt er in Thailand ab, eines in der Schweiz. Dann spricht der thailändische König eine Amnestie aus, Fehlmann kommt frei.

Sogar die Bundespolizei ist von der Arbeit beeindruckt

Seine kriminellen Ambitionen sind jetzt geweckt. Aber allein kann Fehlmann nicht arbeiten. Ihm fehlt das Geld: Der Pensionierte Kurt Fehlmann lebt von nicht einmal 1000 Franken AHV-Rente und Ergänzungsleistungen. Davon zahlt er 700 Franken Miete in einem möblierten Zimmer im Kanton Thurgau. Ausserdem überweist er seiner Geliebten auf den Philippinen jeden Monat 400 Franken – diese lebt davon mit ihren drei Kindern.

Aleksandar Stankovic ist Fehlmanns perfekter Partner. Er ist ein umtriebiger Geschäftsmann. Er führt eine Autogarage im aargauischen Spreitenbach, die offenbar gut läuft. Bald eröffnet Stankovic in Urdorf jedenfalls eine Filiale. Daneben produziert er seit 2015 legales CBD. Damit verdient er in seinen besten Zeiten etwa 12 000 Franken pro Monat.

Stankovic kauft sich ein Einfamilienhaus, eine Harley Davidson, ein Corvette Cabriolet sowie einen Lamborghini mit 700 PS. Doch laut dem Staatsanwalt treibt ihn die Hoffnung auf weiteres schnelles Geld an, die Geldfälscherwerkstatt zu finanzieren. Ihm habe gedämmert, dass die Hochkonjunktur im CBD-Geschäft vorüber war.

Die beiden Männer schliessen einen Pakt: Kurt Fehlmann ist für den Aufbau der Fälscherwerkstatt verantwortlich. Er beschafft mehrere Maschinen für unterschiedliche Druckverfahren, massenweise Papier und Chemiekalien. Aleksandar Stankovic amtet als Financier und verspricht, das Falschgeld später zu waschen. Er stellt das Lokal in Urdorf zur Verfügung und zahlt Fehlmann ein Zimmer.

Stankovic zweifelt an den Fähigkeiten seines Partners

Die Einrichtung der Fälscherwerkstatt kostet gut 132 000 Franken: Fast 85 000 Franken davon übergibt Aleksandar Stankovic Kurt Fehlmann in Form von Bargeld. Weitere fast 50 000 Franken gibt er über ein Firmenkonto selbst aus.

Dann macht sich Fehlmann an die Arbeit. Er stellt erste Drucke her, wobei ihm anfangs grobe Fehler unterlaufen. Den Text «50 USA» druckt er zum Beispiel sechs- statt fünfmal. Fehlmann ist ein Perfektionist. Seine Fälschungen werden besser und besser – aber nie gut genug. Drei Mal beginnt er mit dem Druckprozess von vorn. Er ist überzeugt, dass es ihm gelingen würde, eine «perfekte Fälschung» der 50-Dollar-Note herzustellen.

Fehlmann glaubt, dass seine Blüten so echt wirken würden, dass sogar Geldautomaten und elektronische Prüfgeräte sie akzeptieren würden.

Aleksandar Stankovic dagegen ist weniger zuversichtlich. Die vielen unbrauchbaren Probedrucke lassen ihn mehr und mehr an den Fähigkeiten seines Komplizen zweifeln. Ausserdem befindet er sich bereits in Schwierigkeiten. Gemäss dem Staatsanwalt hat Stankovic 400 000 Franken Schulden und steht im Konflikt mit dem Gesetz. In der Schweiz läuft ein Verfahren gegen Stankovic wegen Unterlassung der Buchführung. Und französische Behörden beschuldigen ihn der Geldwäscherei. Zeitweise will Stankovic wohl aus dem Unternehmen aussteigen.

Am Mittwoch schwieg Stankovic beinahe während der gesamten Verhandlung. Zu seiner Rolle bei der Geldfälschung verweigerte er die Aussage gänzlich. Hinsichtlich der Unmengen an illegalem Cannabis, die in seiner Halle gefunden wurden, sagte Stankovic nur, er habe das illegale Material von jemand anderem bekommen und es für diese andere Person nur aufbewahrt.

«Es ist der grösste Fehler meines Lebens», sagte Stankovic

Für den Staatsanwalt des Bundes besteht trotzdem kein Zweifel an der Schuld der beiden Männer. Sie hätten eine professionelle Geldfälscherwerkstatt aufgebaut und die Absicht gehabt, mindestens 5 Millionen US-Dollar in Umlauf zu bringen. Stankovic habe sich zudem der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht.

Für Stankovic beantragte der Staatsanwalt eine unbedingte Strafe von 52 Monaten sowie eine bedingte Geldstrafe von 10 Tagessätzen. Für Kurt Fehlmann, der sich schon seit anderthalb Jahren im vorzeitigen Strafvollzug befindet, forderte er eine unbedingte Freiheitsstrafe von 46 Monaten.

Kurt Fehlmann versicherte vor Gericht zwar, dass er nie wieder gegen das Gesetz verstossen werde. Aber Reue zeigte er keine. Er gab im Gegenteil zu verstehen, dass er die Geldfälscherei als eine Art Sport versteht, in der er möglichst gut sein wolle. Er gab auch an, stets Tagebuch geführt zu haben und diese Aufzeichnungen zu einem Roman ausarbeiten zu wollen.

Seine Verteidigerin machte geltend, dass sich Fehlmann mit den gefälschten Dollarnoten «nicht übermässig» habe bereichern wollen. Er habe nur 500 000 Franken für seine Dienste verlangt, weil er seinen Lebensabend mit seiner Geliebten und deren Kinder in Frieden habe verbringen wollen. Sie argumentierte, dass die 18 Monate, die F. bereits im Gefängnis zugebracht hat, Strafe genug seien und dass ihr Mandant per sofort auf freien Fuss zu setzen sei.

Aleksandar Stankovic gab unumwunden zu, dass er die Machenschaften mit Kurt Fehlmann bereue: «Es ist der grösste Fehler meines Lebens. Es tut mir leid, dass ich das gemacht habe.» Sein Verteidiger argumentierte, dass Stankovic zwar als Financier der Druckerwerkstatt gewirkt habe, an der Herstellung der Noten aber nicht beteiligt war. Den Drogenhanf habe sein Mandant nicht besessen, sondern nur aufbewahrt. Er sei deshalb …

Das Urteil wird am Dienstagnachmittag eröffnet.

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