Der Ausfall des Sicherheitsfunknetzes Polycom im Wallis hat schweizweit für Schlagzeilen gesorgt. Schon länger ist geplant, dass diese Antennen eine 72-Stunden-Batterie erhalten, um längere Stromausfälle zu kompensieren.

Kurz vor Ostern herrschte im Kanton Wallis Ausnahmezustand. Innerhalb weniger Stunden fielen über 50 Zentimeter Schnee. Zermatt war von der Aussenwelt abgeschnitten, der Strom fiel aus. Die Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser sagte zu SRF, man könne die Bevölkerung weder per E-Mail noch per Whatsapp informieren. Alle sollten zu Hause bleiben. Auch Saas-Fee war vom Gründonnerstag bis am Abend des Ostersonntags nicht erreichbar. Die Walliser Regierung rief die «besondere Lage» aus.

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Kurz darauf wurde klar: Auch das nationale Sicherheitsfunknetz Polycom war betroffen. Es stützt sich auf rund 780 Antennen in der ganzen Schweiz. Polizei, Zoll und Grenzsicherheit, Feuerwehr, Rettungsdienste, Zivilschutz und Armee nutzen es – und müssen sich darauf verlassen können, gerade in Krisen. Doch im Wallis blieben die entsprechenden Funkgeräte an Ostern zeitweise stumm. «Zwischen 15 Minuten und weniger als 24 Stunden», erklärte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) gegenüber SRF. In dieser Zeit war keine Kommunikation mit der Einsatzzentrale in Sitten möglich. Was war passiert?

Schwierig zugängliche Standorte

Nach dem Stromausfall wurden die Antennen im Wallis mit internen Batterien weiter versorgt. Nach zwölf Stunden aber sind auch sie leer. Dann müssen die Antennen mit mobilen Diesel- oder Benzingeneratoren versorgt werden – per Helikopter. «Doch das Wetter liess dies nicht rechtzeitig zu bei diesen schwierig zugänglichen Standorten», sagte Babs-Sprecher Dennis Rhiel der NZZ. Seit 2015 arbeiten sämtliche Kantone mit Polycom. Einen vergleichbaren Ausfall habe es seither nicht gegeben.

Bislang galt das System als zuverlässig in jeder Krisensituation. Nach den katastrophalen Unwettern letzten Sommer im Maggiatal fielen Handy-, Internet- und Festnetz-Empfang aus. «Nur dank dem nationalen Funknetz Polycom» hätten Polizei und Rettungskräfte ihre Einsätze koordinieren können, sagte der Tessiner Polizeidirektor Norman Gobbi.

Der Bund spricht seit 2016 davon, die Stromautonomie der Antennen in Bundesbesitz zu erhöhen. Doch wegen «ausstehender Finanzierung und Priorisierung anderer wichtiger Vorhaben» sei das Projekt nicht sofort umgesetzt worden, heisst es in einem «erläuternden Bericht» zur Finanzierung von 2021.

Welche anderen Projekte vorgezogen wurden, wurde nicht bekannt. Laut Informationen des Babs geht es unter anderem um den Werterhalt von Polycom. Das System soll bis 2035 laufen und danach von einem neuen Sicherheitsnetz abgelöst werden. Für die Fortführung investiert der Bund 500 Millionen Franken, die Kantone 150 bis 200 Millionen Franken. In diesem Kreditrahmen war allerdings die längere autonome Stromversorgung von Antennen in den Grenzregionen nicht enthalten.

Für diese Anlagen, die rund ein Drittel aller Antennen ausmachen, ist das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit zuständig. Das Parlament sprach 2022 einen Kredit in der Höhe von 60 Millionen Franken. Damit sollten diese Anlagen mit einer 72-Stunden-Überbrückung nachgerüstet werden. Mit dabei: die betroffenen acht Anlagen im Kanton Wallis, wie das Babs auf Anfrage erklärt – «die Standorte, die den Polycom-Ausfall im Saas- und Mattertal verursacht hatten, werden im Laufe des Jahres 2025 erneuert».

Kanton Aargau hat «Back-up»

Auch im Kanton Aargau sind die Antennen des Bundes noch nicht «gehärtet», also für eine Notstromversorgung von 72 Stunden ausgelegt. Die Kantonspolizei Aargau hat jedoch ein «Back-up», bestehend aus mobilen Sendeanlagen. So könne bei einem Ausfall des kompletten Polycom-Netzes ein Notnetz sichergestellt werden, schreibt der Regierungsrat Jean-Pierre Gallati auf Anfrage. Er gehört auch der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr an. Ein Naturereignis wie im Wallis sei im Mittelland zwar unwahrscheinlich, könne aber nie ganz ausgeschlossen werden, so Gallati.

Nach dem Ausfall im Wallis forderten Politiker Aufklärung und Konsequenzen. Der SVP-Ständerat Werner Salzmann und der Walliser Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy verlangten in den Medien, das Babs müsse den Vorfall untersuchen und für die Zukunft Massnahmen ergreifen. Doch die Nachrüstung ist sowieso vorgesehen und sollte für alle Stationen bis 2026 abgeschlossen sein. So steht es in der Finanzierungsvorlage, der das Parlament vor drei Jahren zugestimmt hatte. Ausserdem gebe es kein System, das jederzeit funktioniere, gibt der Babs-Sprecher Rhiel zu bedenken: «Es bleibt immer ein Restrisiko. Hundertprozentige Sicherheit würde jeglichen finanziellen Rahmen sprengen.»

Die Einsatzkräfte täten in jedem Fall alles, um einen Ausfall möglichst kurz zu halten. So auch am Osterwochenende im Wallis: «Sobald die Helikopter fliegen konnten, wurden die Notstromaggregate zu den Antennen gebracht, und Polycom war wieder einsatzfähig.» Einen medizinischen Notruf absetzen musste während des Ausfalls niemand.

Ab 2030 soll Polycom schrittweise durch ein neues System ersetzt werden. Es soll nicht nur Telefonate «in allen Lagen» ermöglichen, sondern auch Daten und Bilder übertragen. Laut dem Bericht zum Vernehmlassungsverfahren soll das neue System so konzipiert werden, dass beispielsweise «auch eine Zusammenarbeit mit Satellitenanbietern und einer allfälligen Weltraumkommunikation der Armee möglich» wäre. Die Gesamtkosten für Entwicklung, Aufbau und Betrieb bis 2046: rund 2,9 Milliarden Franken.

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