Montag, September 30

Der VCS warnt vor mehr Autos, mehr Lärm und einem «Baummassaker».

Die Stadt Zürich bekommt die vier Kilometer lange neue Tramstrecke praktisch geschenkt. Sie muss nur gerade 22 von insgesamt 450 Millionen Franken zahlen, die die Linie ins wachsende Aussenquartier Affoltern kostet. Den Rest übernehmen der Kanton und der Bund.

Trotzdem regt sich in der Stadt jetzt prominenter Widerstand gegen das Grossprojekt. Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub (VCS) kritisiert es laut den Tamedia-Zeitungen als «reine Verkehrsmaschine» und erhebt Einsprache dagegen.

«Der Preis ist zu hoch, der Nutzen fraglich», lässt sich Markus Knauss zitieren. Der grüne Gemeinderat leitet zusammen mit seiner Partnerin, der grünen Kantonsrätin Gabi Petri, die einflussreiche Zürcher Sektion des Verkehrsclubs.

Die Einsprache kommt insofern überraschend, als der VCS lange ein wichtiger Fürsprecher eines ausgebauten öffentlichen Verkehrs war. Petri gilt zusammen mit dem Verkehrsplaner Paul Stopper als eine der Erfinderinnen der Durchmesserlinie am Zürcher Hauptbahnhof. Die Volksinitiative, die zur unterirdischen Erweiterung des Bahnhofs führte, ging auf den Zürcher VCS zurück.

Der Präzedenzfall Rosengartentram

Schon vor vier Jahren zeigte sich aber, dass das Duo Knauss und Petri imstande ist, ein ÖV-Projekt zu bekämpfen, wenn dieses nicht seinen Idealen entspricht. Damals ging es um eine Tramlinie über die Rosengartenstrasse bis an den Albisriederplatz. Diese wäre gebaut worden, wenn die Autos in einen neuen Rosengartentunnel im Untergrund verbannt worden wären.

Der Zürcher VCS führte damals mit Erfolg eine Kampagne gegen den Tunnelbau. Hauptargument: Stadtzerstörung zugunsten des Automobils. Auch die Pläne für die Tramlinie wurden dabei öffentlich zerzaust – unter anderem, weil dafür eine Baumallee an der Hardstrasse Richtung Albisriederplatz geopfert worden wäre.

Ganz ähnlich tönt es auch jetzt wieder. Der Bau des Trams Affoltern, so Knauss, würde in Zürich «das grösste Baummassaker im Stadtraum seit Menschengedenken» auslösen. Gemäss den offiziellen Plänen würden entlang der Wehntalerstrasse 682 von exakt 901 bestehenden Bäumen gefällt und später wieder neu gepflanzt werden.

Wie schon am Rosengarten etikettiert der VCS auch dieses Vorhaben als Autoprojekt: Die Kapazitäten für den motorisierten Individualverkehr würden ausgebaut, der Strassenraum um rund sechseinhalb Meter verbreitert.

Dies ist der Grund, weshalb neben dem VCS auch Dutzende von Hauseigentümern Einsprache erhoben haben. Um Platz fürs Tram zu gewinnen, müssten die Vorgärten von 150 Grundstücken ein Stück weit enteignet werden, wie die Tamedia-Zeitungen schreiben.

Die Zürcher Verkehrsbetriebe, die beim Projekt federführend sind, hofften im Frühling, dass sie im Idealfall schon 2026 mit dem Bau beginnen könnten und das Tram 2029 fahre. Dieser Idealfall ist nun wahrscheinlich Makulatur, denn die Einsprachen können bis vor Bundesgericht gezogen werden.

Zudem muss es das Projekt erst noch durch die Parlamente von Stadt und Kanton Zürich schaffen und danach womöglich zwei Volksabstimmungen überstehen: Jene auf städtischer Ebene ist zwingend, jene auf kantonaler Ebene gibt es, falls das Referendum ergriffen wird.

Das Beispiel Rosengarten zeigt: Diese Hürden sind durch das Eingreifen des VCS gerade ein beträchtliches Stück höher geworden.

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