Eine Vereinigung nur für Männer, und das ohne Grund? Lässt sich nicht mit der Gleichstellung vereinbaren, urteilt das Bundesgericht.

Die Verbindung Zofingia darf künftig nicht mehr auf eine offizielle Anerkennung durch die Universität Lausanne und die EPFL zählen. Das Bundesgericht hat am Montag in zwei publizierten Urteilen beschlossen, dass die Gleichstellung der Geschlechter schwerer wiege als das Recht auf Vereinigungsfreiheit.

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Noch 2014 hatte das Bundesgericht keinen Grund gesehen, der traditionsreichen Verbindung die Anerkennung zu verweigern. Damals wurde argumentiert, dass Gleichstellungserwägungen hinter dem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit zurückstehen müssten.

«Garanten für Chancengleichheit»

Nun hat das höchste Gericht diese Sichtweise revidiert. Hochschulen seien nicht nur Bildungsstätten, sondern auch Garanten für Chancengleichheit, heisst es in den Entscheiden. Eine Männervereinigung die sich nicht für Frauen öffne, widerspreche diesem Anspruch und dürfe folglich von der institutionellen Unterstützung ausgeschlossen werden.

Die Zugehörigkeit zu einer Verbindung könne Karrierevorteile mit sich bringen, argumentierte das Gericht. Dies gelte gerade für eine grosse, schweizweite Vereinigung wie die Zofingia mit ihren rund 3000 Mitgliedern. Ein solches nationales Netzwerk sei wertvoll.

Nicht betroffen vom Entscheid der Richter in Lausanne ist die Vereinigung «EPFelles». Die Frauen-Vereinigung bleibt als universitäre Organisation anerkannt. Laut dem Bundesgericht sind Männerklubs oder Frauenvereine nicht per se problematisch. Eine an sich diskriminierende Praxis könne gerechtfertigt sein, wenn sie einen objektiven Bezug zum Vereinszweck habe. Da sich die «EPFelles» dem Zweck der Frauen­förderung widme, sei der Ausschluss von Männern legitim. Anders verhält sich das bei der Zofingia, die sich der Heimat, der Freundschaft und der Kultur widmet.

Für die Mitglieder der Waadtländer Zofingia bedeutet das Urteil, dass sie künftig keine universitären Infrastrukturen mehr nutzen dürfen. Sie werden auch nicht mehr als studentische Organisation geführt. Für den 1819 in Zofingen gegründeten Verein – dem historische Persönlichkeiten wie Alfred Escher, Henri Guisan oder Bundesrat Jonas Furrer angehörten – ist der Entscheid des Bundesgerichts auch das Ende einer über 200-jährigen studentischen Tradition. Die Vereinigung darf zwar weiterbestehen, aber nicht an der Uni. Dort darf sie die Räume nicht mehr nutzen.

Die nichtschlagende Verbindung hatte die Sektion Waadt bereits im ersten Jahr ihres Bestehens begründet. Bitter ist der Entscheid des Bundesgerichts für die Anhänger der Vereinigung vor auch deshalb, weil sich die Zofinger stets als Vordenker der modernen Schweiz verstanden haben. Die Gründung überkonfessioneller und überregionaler Sektionen war Anfang des 19. Jahrhunderts noch enorm fortschrittlich und emanzipiert.

Entsprechend enttäuscht reagiert die Verbindung auf das Urteil aus Lausanne. Gegenüber SRF sagt Philippe Dal Col, Anwalt der Waadtländer Sektion und selbst Zofinger, das Bundesgericht habe seine Argumentation von 2014 nur deshalb ins Gegenteil verkehrt, um dem gesellschaftlichen Zeitgeist zu huldigen.

Die betroffenen Hochschulen hingegen begrüssen das Urteil explizit. Die EPFL sieht darin einen Fortschritt für die Gleichstellung, die Universität Lausanne verweist auf neue Kohärenz im Umgang mit universitären Organisationen.

Nationalratspräsidentin Maja Riniker hält die Festrede

Wie sehr die Zofinger, die Anträge auf die Zulassung für Frauen mehrfach abgelehnt haben, den Anschluss an den Zeitgeist verloren haben, zeigt die Störung des alle drei Jahre stattfindenden «Centralfests» von Ende April in Zofingen. Eine anonyme Vereinigung namens Antifa Zofingen hatte Protest angekündigt. In Flugblättern, die an alle Bewohner verteilt wurden, hiess es, die Zofinger seien ein Männerverein, der Sexismus und Frauenfeindlichkeit noch nicht überwunden habe und zudem ein elitär-konservatives Gesellschaftsbild pflege.

Offenbar sehen das längst nicht alle Frauen so. Nationalratspräsidentin Maja Riniker hielt die Festrede, und die Zofinger Stadtpräsidentin Christiane Guyer sagte dem «Zofinger Tagblatt» am Montag nach dem Fest: «Am Centralfest finden Menschen aus der ganzen Schweiz in unsere schöne Altstadt. Die Verbundenheit zu ihrer Bundesstadt ist zu spüren.»

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