Mittwoch, Oktober 2

Im schicken neuen Hauptsitz der PWG in der Gewerbezone hat es viel Platz für Büros – aber keinen für einen Schreinerbetrieb.

Die Stiftung PWG wurde 1990 von der Stadt Zürich gegründet – mit dem Ziel, preisgünstigen Wohn- und Gewerberaum zu schaffen und zu erhalten. Im Leitbild heisst es: «Wir vermieten unsere Gewerberäumlichkeiten an Betriebe, die auf preisgünstige Mieten angewiesen sind.»

Und doch hat die Stiftung drei jungen Schreinern einen mehrfach versprochenen Mietvertrag verwehrt und im letzten Moment einen Rückzieher gemacht.

Das Schreinergeschäft hätte in den neuen, 18 Millionen Franken teuren Hauptsitz der Stiftung in Altstetten mit einziehen sollen, der derzeit hochgezogen wird. Ein Geschäftsleitungsmitglied hatte plötzlich Bedenken, das Schreinergeschäft sei zu laut. So schildert dies einer der Schreiner. Die PWG will dies weder bestätigen noch dementieren.

Die Absage ist auch deshalb aussergewöhnlich, weil der neue Hauptsitz in einer Zone steht, in der das produzierende Gewerbe Vorrang haben soll.

Dazu schreibt die PWG auf ihrer Website: «Das Gewerbehaus soll dicht und vielfältig vermietet werden. Besonders werden Gewerbebetriebe berücksichtigt, die einen Beitrag zu der Vielfalt im Quartier leisten.»

«Genau für Leute wie euch bauen wir dieses Haus»

Die Schreinerei, um die es geht, heisst Kästners Söhne. Sie gehört Yannick Bonnin und zwei Mitbesitzern und hat sich auf Massivholzmöbel und -innenausbauten spezialisiert.

Während Jahren war das Geschäft in der Kaserne einquartiert, zur Untermiete bei einem anderen Schreiner. Aber am Standort Kaserne wälzen Stadt und Kanton grosse Umbaupläne. Die Zukunft schien den drei Männern unsicher. Und sie wollten eine eigene Bleibe.

Im vergangenen Herbst kam der Kontakt zur PWG zustande. «Wir haben von Beginn weg klar gesagt, dass wir eine Schreinerei sind, dass wir mit Holz und Maschinen arbeiten», sagt Bonnin.

Darauf, dass dies ein Hinderungsgrund sein könnte, habe nichts hingedeutet. Im Gegenteil: «Der Verwalter des Hauses sagte: ‹Genau für Leute wie euch bauen wir dieses Haus.›» Mehrmals sei ihnen schriftlich versichert worden, dass der Mietvertrag demnächst unterzeichnet werden könne, sagt Bonnin.

Anfang Jahr planten die drei Männer den Umzug. Da es sich um eine relativ grosse Fläche handelte und der Mietzins entsprechend hoch war, hielten sie nach Mit- und Untermietern Ausschau. Sie planten zudem, in den hohen Raum ein zweites Stockwerk einzuziehen, um Fläche zu gewinnen.

Aus diesem Grund beauftragten die drei Schreiner einen Baustatiker, kontaktierten einen Brandschutzexperten und planten den Kauf eines umfangreichen Maschinenparks im Wert von mehreren zehntausend Franken. Die Verhandlungen waren weit fortgeschritten.

Dann, einen Tag vor dem Abschluss des Maschinenkaufs, erhielten sie vom Verwalter der PWG-Liegenschaft einen Anruf. Auf einmal war alles unsicher. Wegen des befürchteten Lärms.

Man vereinbarte einen Ortstermin: Vertreter der PWG besuchten die Schreinerei in der Kaserne. Die Schreiner hätten die lauteste Maschine, die Hobelmaschine, angeworfen, und man habe sich zwei Stockwerke höher begeben, um dem Geräusch zu lauschen.

Die Übungsanlage erscheint deshalb etwas seltsam, weil sich zwei Stockwerke in einem alten Haus kaum mit den vierzig Zentimetern Beton in einem Neubau vergleichen lassen, die die Schreinerei in Altstetten von den Büros getrennt hätte.

Die PWG-Leute blieben skeptisch. Und sagten am Ende ab.

Sie zahlten den drei Schreinern eine Abfindung, die die entstandenen Kosten aber nicht ganz deckt, wie Bonnin sagt. Er ärgert sich – nicht in erster Linie wegen der Absage. Das sei zwar unschön gelaufen, könne jedoch vorkommen. Aber dass sich die PWG dagegen entscheidet, einem Gewerbebetrieb Fläche zu vermieten, will ihm nicht in den Kopf.

Viel Platz, um die «Stiftungsziele noch besser» zu verfolgen

Im neuen PWG-Hauptsitz sind in zwei Stockwerken Büroräumlichkeiten der Stiftung untergebracht. Sie schreibt auf ihrer Website von «optimalen Arbeitsbedingungen» und «grosszügigen Räumen, in denen wir unsere Stiftungsziele noch besser verfolgen können». Die Stiftung besitzt mittlerweile 186 Objekte in der ganzen Stadt.

Der Neubau liegt in einer Zone, die eigens den Zweck hat, das Gewerbe zu fördern. Bauherren unterliegen klaren Vorgaben. Wollen sie die zur Verfügung stehende Fläche ausnutzen, muss ein Grossteil davon dem produzierenden Gewerbe zur Verfügung gestellt werden. Es wäre also unzulässig, diese kurzerhand zu Büroräumlichkeiten umzugestalten.

«Gerade deshalb war der Verwalter so sicher, dass wir den Zuschlag bekommen würden», sagt Bonnin. «Er sagte, wir seien die einzigen Interessenten.» Der Verwalter sei aber wohl in eine Zwickmühle geraten: Die städtischen Vorgaben fordern an diesem Ort produzierendes Gewerbe. Aber aus Sicht der PWG, schliesst Bonnin, soll es bitte nicht zu laut und staubig sein.

In einem Merkblatt des Amts für Baubewilligungen heisst es: «Die Zonen sollen namentlich für wirtschaftliche Aktivitäten zur Verfügung stehen, die anderswo in der Stadt Zürich keinen oder nur schwer Platz finden.»

Die Liste der Betriebe, die als «Produktion» gelten, ist lang und umfasst neben der Möbelproduktion auch die Herstellung von Kohle- und Mineralölprodukten, Maschinen aller Art, aber auch von «Waffen und Munition» oder chemischen Erzeugnissen.

Dies führt zu der Frage, weshalb die PWG ihren Bürohauptsitz in dieser Zone baut. Wenn dies am Ende dazu führt, dass lautes Gewerbe von diesem Standort vertrieben wird, fehlt Yannick Bonnin das Verständnis. Er sagt: «Es gibt doch wirklich genügend Büroräumlichkeiten in Zürich.»

Der Neubau ersetzt ein altes Industriegebäude. Dort waren ebenfalls Schreiner eingemietet, wie Yannick Bonnin sagt. Demnach wird mit dem Neubau der städtischen Stiftung unter dem Strich ein Schreinerbetrieb verdrängt.

Die PWG äussert sich dazu nicht und will die Angelegenheit insgesamt nicht kommentieren. Zu laufenden und abgeschlossenen Mietvertragsverhandlungen sage man öffentlich nichts, heisst es auf Anfrage.

In ihrem Statement deutet die PWG an, dass andere Überlegungen bei der Absage eine Rolle gespielt hätten. Die Industriezone grenze an eine Wohnzone. «Die von unserer Liegenschaft ausgehenden Emissionen betreffen auch das nachbarschaftliche Umfeld, und als verantwortungsvolle Eigentümerin berücksichtigen wir das entsprechend beim Abschluss der Mietverträge.»

Keine Stellung nimmt die Stiftung zu der Frage, wie sich der «Einsatz für Mieter mit beschränkten Mitteln» mit der kurzfristigen Absage an einen kleinen Schreinereibetrieb vereinbaren lässt. Offen bleiben muss auch, ob die PWG die Fläche inzwischen vermieten konnte und welche Art von Betrieb einziehen wird.

Kästners Söhne sind mit Glück doch noch untergekommen – in einer gewerblichen Genossenschaft in Altstetten unmittelbar an den SBB-Gleisen. Dank lang laufenden Mietverträgen haben sie endlich die ersehnte Planungssicherheit gefunden.

Die Wut auf die PWG sei verflogen, sagt Bonnin. Was aber bleibe, sei das Unverständnis darüber, dass ausgerechnet dieser Stiftung das Sensorium dafür fehle, wie sehr das produzierende Gewerbe in der Stadt Zürich auf preisgünstige Flächen angewiesen sei.

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