Die 40 Jahre alte republikanische Abgeordnete wird nun überraschend doch nicht Uno-Botschafterin. Präsident Donald Trump zieht die Nomination zurück. Der Grund: Die Republikaner fürchten um ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus.
Die Welt war für Elise Stefanik am Mittwoch noch in Ordnung. Im Weissen Haus nahm die republikanische Abgeordnete an einer präsidialen Zeremonie teil, an der Donald Trump über «patriotische, amerikanische Frauen» im Allgemeinen und seine angeblichen politischen Erfolge im Speziellen sprach. Begeistert klatschte das Publikum im East Room jedes Mal, wenn der Präsident eine Parteifreundin erwähnte.
It was wonderful catching up with my friend, the soon-to-be U.S. Ambassador to the UN, NY Rep. @EliseStefanik, at the White House ahead of @POTUS’s Women’s History Month celebration! 🇺🇸 pic.twitter.com/y4Nv3V9DlW
— Rep. Mariannette Miller-Meeks, M.D. (@RepMMM) March 26, 2025
24 Stunden später folgte der Karriereknick. Überraschend gab Trump am Donnerstag bekannt, dass er die 40 Jahre alte Stefanik nicht mehr zur amerikanischen Uno-Botschafterin befördern wolle. Der Präsident zog die Nomination für den Kabinettsposten zurück — obwohl doch sämtliche Beobachter bis zuletzt davon ausgegangen waren, dass eine klare Mehrheit des Senats die Personalie bestätigen würde.
218 Republikaner gegen 213 Demokraten
Der Grund für diese höchst ungewöhnliche Entscheidung: Die Republikaner haben Angst um ihre knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus. Stefanik, schrieb Trump auf seinem Internet-Dienst Truth Social, werde in der grossen Kammer des Kongresses benötigt, um sein Programm durchzusetzen. «Angesichts der sehr knappen Mehrheit möchte ich nicht das Risiko eingehen, dass jemand anderes für Elises Sitz kandidiert», schrieb der Präsident.
Das sind neue Töne. Trump hatte bisher den Eindruck vermittelt, als kümmere es ihn nicht, dass die Republikaner im vergangenen November nur 220 der 435 Sitze im Repräsentantenhaus gewonnen hatten. So nominierte der Präsident zwei Abgeordnete aus Florida für hochrangige Posten in seiner Regierung, im vollen Bewusstsein, dass Speaker Mike Johnson daran keine Freude haben würde. (Weil im März zwei Abgeordnete der Demokraten gestorben sind, stellen die Republikaner aktuell mit 218 Abgeordneten immer noch fünf Volksvertreter mehr als die Oppositionspartei.) Auch machte Trump bisher keine Abstriche an seinem Programm und ging keine Kompromisse mit der demokratischen Minderheit ein.
Doch nun scheint im Weissen Haus ein Umdenken stattgefunden zu haben. Das hat vor allem mit dem politischen Klima im Land zu tun. Die Demokraten in Washington mögen in einer Krise stecken. An der Wahlurne ist die linke Grosspartei aber vielerorts immer noch die einzige Alternative zu den Republikanern — und die Stammwähler der Demokraten sind hochmotiviert. Sie wollen es dem Präsidenten heimzahlen, der in Washington gerade mit der Kettensäge den Staat umbaut.
Dies zeigte sich zuletzt bei einer lokalen Nachwahl im Gliedstaat Pennsylvania. In einem konservativen Bezirk, in dem Trump im vergangenen November mit einem Vorsprung von mehr als 15 Prozentpunkten gewonnen hatte, triumphierte am Dienstag ein Demokrat. Der linke Kandidat gewann 50 Prozent der Stimmen und distanzierte seinen republikanischen Kontrahenten um 500 Stimmen. «Ein Schock für die GOP aus dem Maga-Land», betitelten die Meinungsmacher des «Wall Street Journal» einen Kommentar über den Wahlausgang.
Der Sitz von Mike Waltz wackelt
Die Alarmglocken läuten auch in Florida. Dort wird am Dienstag der Nachfolger von Mike Waltz bestimmt, der seit dem 20. Januar als Berater für nationale Sicherheit von Präsident Trump amtiert — und derzeit im Zentrum des Fiaskos um vertrauliche Informationen steht, die das Trump-Spitzenpersonal über die Signal-App weiterverbreitete.
Im vergangenen November, als sich Waltz zum letzten Mal in seinem Bezirk an der Atlantikküste zur Wahl gestellt hatte, siegte er mit 66,5 Prozent der Stimmen. Doch nun sagen aktuelle Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, auch weil der republikanische Kandidat bisher als Wahlkämpfer nicht zu überzeugen vermochte.
Ebenfalls am Dienstag findet im ewigen Swing State Wisconsin eine Wahl für einen wichtigen Richterposten statt. Auch in diesem Wahlkampf, in dem auch Trump-Berater Elon Musk mitmischt, scheinen die Demokraten die besseren Karten zu haben. Hingegen gilt der Kandidat der Republikaner als klarer Favorit in der Nachwahl für den zweiten vakanten Kongress-Sitz in Florida.
Bereits werden Erinnerungen an die erste Amtszeit von Trump wach. Im Frühjahr 2017 erzielten die oppositionellen Demokraten in einer Reihe von Nachwahlen fürs Repräsentantenhaus überraschend gute Ergebnisse in konservativen Bezirken — und gaben damit einen ersten Vorgeschmack auf die Zwischenwahlen im Herbst 2018.
Eine Weggefährtin von Trump
Dass nun ausgerechnet die ambitionierte Elise Stefanik den Preis dafür zahlen muss, dass Trump Gegenwind verspürt, ist eine Ironie der Geschichte. Denn die Abgeordnete erfand sich in der ersten Trump-Amtszeit buchstäblich neu, um in die Gunst ihres Parteifreundes zu gelangen. Nachdem sie ihre Karriere als Beraterin von Präsident George W. Bush begonnen hatte, verwandelte sich die Abgeordnete aus New York spätestens während des ersten Impeachment-Verfahrens gegen Trump (2019/2020) in eine Rechtspopulistin.
Dies zahlte sich für Stefanik aus. Die begabte Kommunikatorin machte in ihrer Fraktion rasch Karriere. Vor vier Jahren ersetzte Stefanik die Abgeordnete Liz Cheney als Nummer drei, nachdem Cheney sich als Kritikerin von Trump profiliert hatte.
Elise Stefanik is truly a great leader and a devoted patriot. Today’s selfless decision shows America what those of us who work with her already know. She is deeply devoted to her country and fully committed to see President Trump’s agenda succeed in Congress. It is well known…
— Speaker Mike Johnson (@SpeakerJohnson) March 27, 2025
Speaker Johnson kündigte bereits an, dass Stefanik wieder in die Führungsriege der Fraktion zurückkehren werde, nun, da sie nicht an den Hauptsitz der Vereinten Nationen zieht. Ihre Nachfolgerin, Lisa McClain aus Michigan, scheint allerdings nicht willig zu sein, Platz zu machen. Stefanik wird sich also mit einem Trostpreis abfinden müssen. Und mit dem Versprechen Trumps, ihr «in Zukunft» einen neuen Posten in seiner Regierung anzubieten.
Am Mittwoch, während den Feierlichkeiten im Weissen Haus, erwähnte der Präsident übrigens die Namen von fast 40 Republikanerinnen, «ich kenne sie alle». Stefanik erwähnte Trump, als er im East Room hinter dem Mikrofon stand, mit keinem Wort.