Mittwoch, Oktober 9

Die Flottenbasis HMAS Stirling in Westaustralien gewinnt an Wichtigkeit. Bald werden von dort aus atomgetriebene U-Boote der USA und Grossbritanniens operieren.

Die westaustralische Stadt Perth ist für viele Australierinnen und Australier sehr weit weg. Die grosse Mehrheit des Landes lebt an der Pazifikküste von Brisbane über Sydney bis Melbourne. Vier bis fünf Stunden dauert der Flug von dortigen Grossstädten nach Perth am Indischen Ozean.

Entsprechend wenig nehme sich Australien als Anrainerstaat des Indischen Ozeans wahr, schreiben die Professorinnen Rebecca Strating und Joanne Wallis in ihrem Buch «Girt by Sea», das sich mit der maritimen Strategie ihres Landes befasst.

Die Autorinnen führen zahlreiche Gründe auf, warum ihr Land mehr nach Westen schauen sollte: Es ist Australien, das mit 14 000 Kilometern die längste Küste aller Anrainerstaaten des Indischen Ozeans hat. Canberra ist für die grösste Seenotrettungszone in diesem Ozean zuständig (darum hat Australien die Führung inne bei der Suche nach dem seit zehn Jahren verschollenen Flug MH370 von Malaysia Airlines). Daneben beansprucht Australien im Indischen Ozean eine Exklusive Wirtschaftszone von fast vier Millionen Quadratkilometern. Dort befinden sich lukrative Offshore-Öl- und -Gasfelder.

Im Zweiten Weltkrieg eine wichtige U-Boot-Basis

Phil Spedding stimmt der Einschätzung zu, dass der Indische Ozean in der Wahrnehmung der Bevölkerung und vieler australischer Medien eine untergeordnete Rolle spiele. Doch der pensionierte Konteradmiral der australischen Marine fügt an: «Für die Politik und die Streitkräfte gilt das nicht. Seit den 1960er Jahren betrachten wir uns strategisch als eine Nation der zwei Ozeane.»

Spedding verweist darauf, dass die geostrategische Bedeutung der Westküste des Landes schon früher klar ersichtlich gewesen sei. So seien im Ersten Weltkrieg die australischen Truppen, die damals an der Seite Grossbritanniens in Europa kämpften, in Western Australia eingeschifft worden.

Und Fremantle, die Hafenstadt bei Perth, war im Zweiten Weltkrieg eine riesige U-Boot-Basis. 170 amerikanische, britische und niederländische U-Boote fuhren zwischen 1942 und 1945 insgesamt 416 Patrouillen von hier aus. Sie versenkten mehr als 300 feindliche Schiffe.

Australiens U-Boot-Basis liegt am Indischen Ozean

Fremantle war nach Pearl Harbor die zweitgrösste U-Boot-Basis der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Doch Australien selber hatte damals keine U-Boote. Erst ab den 1960er Jahren baute das Land eine eigene Flotte auf. Die sechs U-Boote der aktuellen Collins-Klasse sind auf dem Stützpunkt HMAS Stirling stationiert, der auf einer Insel rund 20 Kilometer südlich von Fremantle liegt.

Auch ein Grossteil der Kriegsschiffe der Royal Australian Navy haben hier ihren Heimathafen. Fleet Base West am Indischen Ozean ist das Gegenstück zu Fleet Base East in Sydney am Pazifik. So will die Marine in beiden grossen Ozeanen operationell präsent sein.

Stirling soll bald noch viel wichtiger werden: Ab 2027 werden vier atomgetriebene Jagd-U-Boote der US Navy von hier aus operieren. Auch ein britisches U-Boot soll zumindest zeitweise hier stationiert werden. All dies geschieht im Rahmen von Aukus, dem trilateralen Sicherheitsabkommen, das Canberra vor drei Jahren mit Washington und London geschlossen hat.

«Stirling gibt den Amerikanern strategische Tiefe», sagt Troy Lee-Brown, Sicherheitsexperte am Defence & Security Institute der University of Western Australia. So könnten sie Brennpunkte im Indischen Ozean und in Südostasien schneller erreichen, seien gleichzeitig aber ausser Reichweite chinesischer Raketen, welche alternative Standorte in Japan, den Philippinen oder auf Guam bedrohen.

Heute operierten die U-Boote der US Navy von der Pazifikinsel Guam aus – weit weg vom Indischen Ozean. Von der Basis in Western Australia sind es zwar immer noch mehr als 3000 Kilometer bis zu den wichtigen Meerengen in Südostasien, etwa der Sunda-Strasse bei Jakarta oder der Strasse von Malakka bei Singapur. Ein amerikanisches U-Boot der Virginia-Klasse kann diese Distanz aber in weniger als drei Tagen komplett unter Wasser zurücklegen.

Australien muss noch lange auf Atom-U-Boote warten

Bis Australien selber atomgetriebene U-Boote hat, dauert es noch. In den frühen 2030er Jahren soll die australische Marine drei Boote der Virginia-Klasse von den USA erhalten. Das eigentliche Aukus-U-Boot wird gemeinsam mit Grossbritannien entwickelt und dann in Australien gebaut. Diese Einheiten werden frühestens in den 2040er Jahren einsatzbereit sein.

Bis dahin muss die australische Marine lernen, Atom-U-Boote zu betreiben und zu warten. Bereits sind australische U-Boot-Fahrer auf amerikanischen Booten in Ausbildung; auf Hawaii lernen Mechaniker die Wartung der komplexen Systeme. Mit der Präsenz der amerikanischen und britischen U-Boote in Stirling gewinnt die australische Marine Erfahrung, bis die eigenen Einheiten einsatzbereit sind.

Am Freitag traf die USS «Emory S. Land», ein Versorgungsschiff der US Navy für Atom-U-Boote, in Stirling ein. In den nächsten Wochen wird eine gemischte Crew aus Amerikanern und Australiern ein amerikanisches Atom-U-Boot warten.

Atom-U-Boote sind deutlich grösser als die gegenwärtig von Australien eingesetzten dieselelektrischen Boote der Collins-Klasse. Daher müssen in Stirling die Anlagen ausgebaut werden. Und es braucht Unterkünfte für die Besatzungen der amerikanischen Boote. Das Vorhaben ist komplex, alles braucht Zeit. «Die Basis Sterling war 1978 fertig gebaut», erinnert sich Konteradmiral Spedding, «doch bis die ersten Kriegsschiffe von dort aus operieren konnten, vergingen noch sieben Jahre, fast ein Jahrzehnt für die U-Boote.»

Aukus verzahnt die Marinen der drei Länder

Es zeichnet sich ab, dass die Basis Stirling das informelle Hauptquartier von Aukus wird. Das Abkommen enthält keine Beistandsverpflichtung und ist keine Allianz – Australien hat hingegen ein bilaterales Verteidigungsabkommen mit den USA, Washington und London sind ihrerseits über die Nato verbunden.

Trotzdem führt Aukus zu einer engeren Verzahnung der drei Länder in der Verteidigung. Das wurde an der Indian Ocean Defense and Security Conference in Perth im Juli offensichtlich. Die Marinechefs aller drei Länder trafen sich an der zweitägigen Konferenz und besuchten dabei auch die Basis Stirling.

An zwei öffentlichen Podiumsdiskussionen machten Admiral Lisa Franchetti von der US Navy, First Sea Lord Ben Key von der Royal Navy und Vizeadmiral Mark Hammond von der Royal Australian Navy deutlich, dass die Seeleute der drei Länder unter Aukus in Zukunft enger zusammenarbeiten würden. So werden trinationale Teams von Mechanikern die amerikanischen und britischen Atom-U-Boote in Stirling warten.

Bei den gemeinsam zu entwickelnden Aukus-U-Booten könnte es sogar noch weitergehen. Diese Boote würden «entweder mit einer britischen oder einer australischen Besatzung oder sehr wahrscheinlich mit einer Mischung aus beiden besetzt», sagte der Brite Key: «Weil wir bis dahin so integriert sein werden, dass es fast eine natürliche Erweiterung dessen sein wird, was wir tun.»

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