Die USA sind die Schutzmacht Australiens. Präsident Trump stösst dort auf Ablehnung. Dennoch setzt das Land weiterhin auf seine militärische Allianz mit Washington.

Die Australier verlieren ihren Glauben an die USA. Zwei Drittel von ihnen haben gar kein oder nicht viel Vertrauen, dass sich ihre Schutzmacht in der Welt verantwortungsvoll verhält. Die Umfrage des Lowy Institute in Sydney wird seit 2006 durchgeführt – in diesem Jahr zeigt sich erstmals eine Mehrheit Washington gegenüber misstrauisch.

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Der Grund: Donald Trump. Er deckt auch seine Allianzpartner mit Strafzöllen ein und rüttelt am multilateralen System, das für mittelgrosse Länder wie Australien so wichtig ist. Trumps polarisierender Politikstil stösst down under auf breite Ablehnung: Peter Dutton, der bisherige Oppositionsführer, der Trump nachgeeifert hatte, erlitt in der Parlamentswahl vom 3. Mai eine krachende Abfuhr.

Die Allianz mit Washington wird nicht hinterfragt

Heisst das, dass die Australierinnen und Australier auch die militärische Allianz mit den USA in Zweifel ziehen, die nächstes Jahr 75-jährig wird?

Nein, sagt die gleiche Umfrage. 80 Prozent der Befragten bezeichneten Anfang März – eineinhalb Monate nach Trumps Amtsantritt – den militärischen Schulterschluss mit Washington als sehr oder ziemlich wichtig für die Sicherheit Australiens. Dieser Prozentsatz liegt im oberen Bereich der Umfrageergebnisse der letzten 20 Jahre.

Unter australischen Sicherheitsexperten herrscht wenig Sorge, dass ihrem Land ein ähnliches Schicksal droht wie den europäischen Alliierten der USA. Dass Washington Canberra fallen lässt, halten sie für unwahrscheinlich. Denn seine geostrategische Lage macht Australien für die USA äusserst attraktiv.

Jennifer Parker, Strategieexpertin am National Security College der Australian National University, drückt es so aus: «Wenn sich die USA nicht vollständig aus dem indopazifischen Raum zurückziehen wollen, brauchen sie Australien wegen seiner geografischen Lage.»

Australien ist perfekt für die Machtprojektion der Amerikaner

Für die Amerikaner liegt das Augenmerk im Indopazifik auf dem aufstrebenden Rivalen China. In einem potenziellen Konflikt mit Peking ist Australien für die amerikanischen Militärs der goldene Kompromiss: Es liegt weiter weg als Basen in Japan, Südkorea oder Guam, denen in den ersten Stunden eines Krieges geballte Angriffe drohen. Gleichzeitig liegt Australien nahe genug an China, so dass Bomber und Schiffe das Kriegsgeschehen in vernünftiger Zeit erreichen können.

Schon im Kalten Krieg setzten die USA auf Australien für Installationen, die ihre Operationen in einer weiten Region unterstützen. Die Satelliten- und Abhörstation Pine Gap im Zentrum Australiens wird von Geheimdiensten beider Länder gemeinsam betrieben. Sie ist so geheimnisumwoben, dass Netflix darüber eine Serie drehte.

Dazu kommt die Marine-Funkstation Harold E. Holt im Örtchen Exmouth im Osten Australiens. Eine riesige, spinnennetzförmige Antenne ermöglicht es dem Pentagon, Nachrichten an seine in den Weiten der Ozeane untergetauchten U-Boote zu schicken. Dazu gehören Befehle an die mit Atomraketen bestückten U-Boote, die einen wichtigen Pfeiler der atomaren Abschreckung Washingtons darstellen.

Pine Gap und die Funkstation in Exmouth haben eine wichtige Gemeinsamkeit: Sie dienen fast ausschliesslich den Amerikanern, ihre eigene Vormachtstellung in der Region zu sichern. Das unterscheidet sie von Militärbasen in Japan, Südkorea oder Deutschland, die wichtig für die Verteidigung dieser Länder sind. Die Australier müssen also nicht befürchten, dass Trump sie für den «Schutz» zur Kasse bietet.

Australiens Beziehung zu Washington unterscheide sich somit deutlich von der anderer Alliierter, sagt Michael Pezzullo, der frühere Sekretär des australischen Innenministeriums. Dieses ist für die nationale Sicherheit zuständig. Es gebe kaum Druck aus Washington, mehr für die amerikanische Präsenz in Australien zu bezahlen, sagt Pezzullo: «Unsere Geografie ist so kritisch – das ist unser Beitrag zur amerikanischen Verteidigung.»

Amerikanische Bomber und U-Boote operieren bald von Australien aus

In den vergangenen Jahren ist Australiens Rolle für die amerikanische Präsenz im Indopazifik noch gewachsen. In der Nähe von Darwin, im tropischen Norden des Landes, trainieren mehrere tausend US-Marines. Unweit davon wird die Luftwaffenbasis Tindal der Royal Australian Airforce ausgebaut, so dass dort künftig Langstreckenbomber der US-Airforce stationiert werden können. Diese können auch Atomsprengköpfe abwerfen.

Auch auf der Marinebasis Stirling unweit von Perth in Westaustralien sind Bauarbeiten in Gang. Heute ist dies der Heimathafen der sechs dieselelektrischen U-Boote der Royal Australian Navy. Ab nächstem Jahr werden mehrere atombetriebene Jagd-U-Boote der Amerikaner von Stirling aus operieren. So können sie im Indischen Ozean und in den wichtigen Seestrassen in Südostasien patrouillieren.

Heute werden die amerikanischen U-Boote in Hawaii gewartet. Künftig wird dies in Stirling möglich sein. Das spart lange Transitfahrten und erlaubt der US-Navy, häufiger im Indischen Ozean im Einsatz zu sein. Der Ausbau von Stirling und die Stationierung der Amerikaner ist ein erster Schritt von Aukus. Dieser ambitiöse militärtechnologische Zusammenschluss starteten Canberra, Washington und London 2021.

Steht Trump zu Aukus?

Am Ende des Prozesses wird Australien atomgetriebene U-Boote erhalten, die gemeinsam mit Grossbritannien entwickelt und gebaut werden. Doch diese werden erst in den 2040er Jahren einsatzbereit sein – wenn alles nach Plan läuft. Die heutigen U-Boote mit Dieselantrieb der australischen Navy sind schon alt und können nicht so lange im Einsatz bleiben. Als Zwischenlösung wird Australien in den 2030er Jahren mehrere amerikanische U-Boote der «Virginia»-Klasse kaufen.

Doch es gibt ein Problem: Die amerikanischen Werften schaffen es nicht, genügend U-Boote für den eigenen Bedarf zu bauen. Und ein amerikanisches Gesetz verlangt, dass der Präsident vor dem Verkauf der «Virginias» dem Kongress bestätigen muss, dass dadurch die Schlagkraft der US-Navy nicht beeinträchtigt wird.

Diese Klausel sorgt in Australien bei Sicherheitsexperten und Politikern für Unwohlsein. Dieses wird verstärkt durch Trumps Unberechenbarkeit. «Ich bezweifle, dass sie uns U-Boote verkaufen werden, wenn sie selbst nicht genug haben», sagte zum Beispiel der frühere Premierminister Malcolm Turnbull im April in einem Interview mit der NZZ.

Trump hat sich bisher kaum zu Aukus geäussert. Optimisten weisen darauf hin, dass der Deal ganz im Sinne des Präsidenten sei. Denn Canberra hat versprochen, 3 Milliarden Dollar in die amerikanische Schiffsbauindustrie zu investieren, damit diese mehr U-Boote bauen kann. Im Februar – kurz nach Trumps Amtsantritt – machte Canberra eine Anzahlung in der Höhe von einer halben Milliarde Dollar. Die Sicherheitsexpertin Parker sagt: «Aukus ist auf Kurs.»

Natürlich sollte man Bündnisse immer wieder hinterfragen, sagt die frühere Kommandantin der australischen Marine: «Aber ich sehe nicht, dass sich mit dem Amtsantritt von Trump die gemeinsamen strategischen Interessen Australiens oder der USA verändert haben».

Australien muss mehr in die eigene Verteidigung investieren

Auch wenn die Allianz der Grundpfeiler von Australiens Verteidigung bleibt, muss das Land mehr in seine Verteidigung investieren, auch über Aukus hinaus. Denn es gebe grosse Lücken, sagt Pezzullo, der frühere Sekretär des Innenministeriums, etwa bei der Raketenabwehr. Wegen der hohen Kosten solcher Systeme hätten verschiedene Regierungen die nötigen Anschaffungen immer wieder hinausgeschoben.

Eine weitere Lücke ist die Räumung von Seeminen. Das mag überraschen für ein Land, das stark auf freie Seewege angewiesen ist. Doch weil keine neuen Minenräumschiffe beschafft worden seien, verliere die australische Marine bald die Fähigkeit, in grossem Stil Seeminen zu räumen, sagt Pezzullo. «Wenn in einem Kriegsfall die Hafeneinfahrt von Sydney vermint ist, werden uns die Amerikaner nicht helfen. Die brauchen all ihre Einheiten, um ihre Marinestützpunkte in Hawaii oder Kalifornien minenfrei zu halten.»

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