Donnerstag, Dezember 26

Das Land ist von der freien Schifffahrt abhängig. Derzeit sieht es diese durch China bedroht. Doch es dürfte schwierig werden, den ambitionierten Flottenplan umzusetzen.

War in jüngerer Zeit von der australischen Marine die Rede, ging es meist um U-Boote. Mit dem Aukus-Abkommen von 2019 wird Australien ab den 2030er Jahren, unterstützt von den USA und Grossbritannien, atombetriebene, konventionell bewaffnete U-Boote bekommen. Sie können monatelang unter Wasser bleiben und sind nur schwer zu orten. Damit wird Australiens Marine viel besser aufgestellt sein als mit den heutigen sechs, dieselelektrisch betriebenen Einheiten der «Collins»-Klasse.

Doch eine Marine besteht nicht allein aus U-Booten. Australische Verteidigungsexperten stellen sich deshalb schon länger die Frage: Welche Schiffe braucht es zur Ergänzung der U-Boote? Und wie viele?

Die Marine muss Australiens Seewege schützen können

Was die Marine können muss, liegt auf der Hand: Australien sei auf den Zugang zu den Weltmeeren angewiesen, heisst es in der Einführung einer Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde. Das Land brauche Handelsrouten für Importe und Exporte sowie Unterseekabel, die die Datenverbindung zur internationalen Wirtschaft ermöglichen. «Die Royal Australian Navy muss in der Lage sein, die Sicherheit unserer Seewege und Kommunikationslinien zu gewährleisten, da sie für unsere Lebensweise und unseren Wohlstand von grundlegender Bedeutung sind.»

Was die Studie nicht sagt: Es geht zu einem guten Teil um China. Die chinesische Marine ist zahlenmässig mittlerweile die grösste der Welt. Peking versucht in verschiedenen Gewässern, etwa im Südchinesischen Meer oder in der Strasse von Taiwan, die freie Schifffahrt einzuschränken, die nach internationalem Seerecht garantiert ist. Das bereitet Australiens Strategen Sorge.

Die gegenwärtige Kampfkraft ist überschaubar

Gegenwärtig hat die australische Marine drei Zerstörer der «Hobart»-Klasse, die darauf spezialisiert sind, Lenkwaffen und Flugzeuge abzuwehren. Dazu kommen acht Fregatten der «Anzac»-Klasse, die für verschiedene Missionen ausgelegt sind, etwa zur Bekämpfung feindlicher U-Boote. Das ist eine überschaubare Kampfkraft.

Was es für eine schlagkräftige Marine braucht, sollte die «Surface Combatant Fleet Review» genannte Studie aufzeigen, die die Regierung bei externen Experten in Auftrag gegeben hatte.

Nicht Teil der Betrachtungen waren Einheiten für amphibische Operationen, Schiffe zum Legen oder Räumen von Seeminen, Versorgungsschiffe und Spezialschiffe für Unterwasseroperationen. Diese komplettieren die jetzige Flotte.

Australiens gegenwärtige Flotte ist ungenügend

Die Autoren der Studie unter der Führung eines pensionierten amerikanischen Vize-Admirals finden wenig löbliche Worte für die Aufstellung der Marine. Die Flotte sei dem gegenwärtigen strategischen Umfeld nicht angemessen, heisst es klipp und klar. Und: Es handle sich um die älteste Flotte, die Australien je besessen habe. Das gilt vor allem für die Fregatten: Die namensgebende «HMAS Anzac» wurde 1996 in Dienst gestellt.

Die drei noch recht neuen Zerstörer sollen modernisiert werden, die «Anzac»-Fregatten hingegen abgelöst. Insgesamt 17 Fregatten zweier unterschiedlicher Typen soll die Navy erhalten. Dazu kommen sechs Schiffe mit der komplizierten Bezeichnung «Large Optionally Crewed Surface Vessels», die mit stark reduzierten Besatzungen oder sogar völlig ferngesteuert betrieben werden können. Die amerikanische Marine ist gegenwärtig dabei, solche Schiffe zu entwickeln, die Australier wollen sich dem Programm anhängen.

Gemeinsam ist allen neuen Einheiten, dass sie stark auf Lenkwaffen setzen. Mit 26 Kriegsschiffen wird die australische Marine zudem so gross wie nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg. Hinzu kommen 25 kleinere Schiffe, die vor allem in Küstennähe eingesetzt werden und zum Teil zivile Aufgaben übernehmen.

Über die nächsten zehn Jahre will die Regierung dafür 11,1 Milliarden australische Dollar bereitstellen. Zusammen mit früher geplanten Investitionen sollen in diesem Zeitraum 54,2 Milliarden Dollar in die Flotte fliessen. Das entspricht umgerechnet gut 31 Milliarden Franken.

Frühere Beschaffungen verliefen schwierig

Das alles klingt eindrücklich. Doch bei der Umsetzung sind noch viele Hürden zu überwinden – selbst wenn alle Budgets vom Parlament verabschiedet werden sollten. So lief der erste Anlauf, die «Anzac»-Fregatten zu ersetzen, komplett aus dem Ruder. Weil die Kosten explodierten, werden nur sechs statt der ursprünglich geplanten neun Schiffe der «Hunter»-Klasse beschafft. Auch ein Patrouillenboot-Programm muss massiv redimensioniert werden. Kritiker befürchten, dass die Beschaffung der neuen Klassen ebenso schwierig verlaufen könnte.

Zusätzlich hat Australien gleich ein doppeltes Problem, genügend Manpower zu finden; zum einen beim Bau der Schiffe, zum andern bei deren Betrieb.

Ein Grossteil der neuen Schiffe soll in Werften in den Teilstaaten Western Australia und South Australia gebaut werden. Die australische Schiffbauindustrie hat in den vergangenen Jahren stark darunter gelitten, dass militärische Aufträge ausliefen, ohne dass Anschlussbestellungen vorlagen. Jedes Mal gingen Know-how und geschultes Personal verloren. Auch die Aukus-U-Boote sollen dereinst im Land selber gebaut werden, was den Fachkräftemangel zusätzlich verschärft.

Die Streitkräfte können ihre Ränge nicht füllen

Daneben haben die Streitkräfte bereits heute Mühe, genügend Personal zu finden. Insgesamt fehlen 4300 Mann bei einer Sollstärke von 62 735. In der Marine sind es 881 unbesetzte Stellen, ein Unterbestand von 6,5 Prozent. General Angus Campbell, Australiens oberster Militär, sagte vor einer Woche im Senat, dass die Streitkräfte deswegen unter Stress stünden.

Die Frage, woher die Crews für eine doppelt so grosse Marine kommen sollen, bleibt unbeantwortet. Moderne Schiffe brauchen zwar weniger Personal als ältere. Doch selbst «Large Optionally Crewed Surface Vessels» müssen betankt, mit Munition bestückt, gewartet, programmiert und teilweise ferngesteuert werden. Das machen Menschen.

Kommt dazu, dass mit der zusätzlichen Automatisierung die Anforderungen ans Personal wachsen. Doch gerade die Rekrutierung von Personen mit speziellen technischen Fähigkeiten, so musste Campbell eingestehen, sei besonders schwierig.

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