Sonntag, November 24

Die «Arabian Gazelles» sehen sich als Klub für autobegeisterte Frauen, die sich rund um Dubai regelmässig treffen und mit ihren eigenen Sportwagen unterwegs sind. Doch es geht nicht nur um den Spass am Fahren.

Überall in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sind die Menschen besessen von Supercars. Die Polizei fährt Lamborghini, der Rettungsdienst Lotus und gefühlt jeder dritte Scheich einen Bugatti. Keine Strasse wie die Al Bateen Marina von Abu Dhabi ohne mindestens einen edlen Supersportwagen.

Wie der lilafarbene Lamborghini Huracán. Hanan Mazouzi Sobati öffnet die Tür, steigt elegant aus. Lange schwarze Haare, grosse Sonnenbrille, weisse Sneaker und eine lässige Baggy-Jeans. Dezent und unfassbar cool. Hanan Mazouzi Sobati ist sich sehr vieler Blicke gewiss. Einmal wegen ihrer enormen Präsenz. Aber auch, weil sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten und darüber hinaus sehr bekannt ist.

Zielgerichtet steuert sie auf das Restaurant zu, sucht sich einen Platz im Schatten aus und hängt ihre Chanel-Handtasche über die Stuhllehne. Hanan Mazouzi Sobati streicht ihre Haare aus dem Gesicht, nippt an dem vorher bestellten Kaffee. Die grosse Sonnenbrille liegt neben der Kaffeetasse. Euphorisch gestikuliert sie während des Gesprächs, lehnt sich dabei aber lässig in den Stuhl und beginnt zu erzählen.

Vor acht Jahren gründete Hanan die Arabian Gazelles, einen Zusammenschluss von Frauen, die Sportwagen besitzen und fahren. Oft schnell. Es ist der erste rein weibliche Supercar-Klub nicht nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern in der gesamten Region. Dabei hat dieser Verein einen ernsten Hintergrund: Diskriminierung, Klischeedenken und Sexismus. Hanan Mazouzi Sobati kämpft dagegen an.

Bis dahin war es ein langer Weg. Mazouzi Sobati wurde in Algerien geboren, zog nach Grossbritannien und Katar und lebt seit fast dreissig Jahren in den Emiraten. Seit sie als kleines Mädchen mit den Spielzeugautos ihres Bruders spielte, gehören Autos zu ihrem Leben. Früh begeistert sie sich für Sportwagen und Motorsport, nimmt am «Rallye des Princesses» teil, einem Rally für Frauen in Frankreich. Das nötige Kleingeld für die Supersportwagen stammt aus der Sobati Group, die weltweit Beteiligungen an Unternehmen in den Bereichen Reifen (Miller Tyres), Batterien, Fertigung, Logistik und Immobilien hält.

Als zweifache Mutter will die Clubgründerin Frauen in einer von Männern dominierten Branche durch das Autofahren stärken. Als sie bei einem ihrer ersten Rennstrecken-Events mitfährt, um endlich wirklich schnell und am Grenzbereich zu fahren, denken die überwiegend männlichen Teilnehmer, dass sie jemanden begleite. «Das hat mich masslos geärgert», erinnert sie sich. Inmitten des Motorenlärms kommt ihr die Idee zu den Arabian Gazelles – Dubais erstem Supercar-Klub nur für Frauen.

Die Gazellen treten aus dem Schatten der maskulinen Welt

Mit Freundinnen und Nachbarinnen trifft sich Hanan Mazouzi Sobati anfangs zur gemeinsamen zügigen Ausfahrt. Meist ist es deutlich mehr als nur eine kleine Spritztour. «Ich war überrascht, wie vielen Frauen es neben mir ähnlich ging», erzählt sie. «Die Arabian Gazelles sind ein Autoklub von Frauen für Frauen. Die müssen Power haben. Wir schauen auf die Frauen, nicht auf das Auto», sagt sie. Sie sieht sich nicht als Feministin, sondern als Netzwerkerin, die mit Gleichgesinnten Spass haben will.

Es ist ein Klub für Enthusiastinnen, die gern und zügig unterwegs sind und nicht als «Accessoires» ihrer Partner wahrgenommen werden wollen. «Ich fand es frustrierend, dass es vorher nur Automobilklubs für Männer gab, wo Frauen lediglich als Beiwerk galten», sagt Hanan Mazouzi Sobati. Autos als Hobby haben meist nur Männer, so das Vorurteil. «Totaler Unsinn, viele Frauen haben heute Spass am Autofahren, auch am schnellen Fahren», sagt sie.

Rund 130 Mitglieder zählt der Klub in den Vereinten Arabischen Emiraten mittlerweile. Ein grosser Prozentsatz von ihnen sind Geschäftsinhaberinnen, einige in leitenden Positionen, andere sind Hausfrauen. Die Mitglieder treffen sich mehrmals im Jahr, meist monatlich. Dann spulen die Arabian Gazelles gern ein paar Kilometer zügig ab, bei Trackdays auf Rennstrecken auch oft sehr zügig. Aber es geht auch ums Geniessen, ein bisschen Luxus darf es bei Verpflegung und Unterkunft ebenfalls sein.

Um dem Klub beizutreten, muss man Liebhaberin von Supersportwagen und mit eigenem Auto ausgerüstet sein – und nicht nur eine sogenannte Poserin. Gern gesehen sind Supersportwagen von Porsche, Lamborghini, Ferrari, Rolls-Royce, Bentley, Mercedes-AMG, McLaren, Aston Martin, Maserati oder Bugatti. SUV wie der Bentley Bentayga und die Mercedes-G-Klasse gehen aber auch, ebenso wie der elektrische Porsche Taycan.

Die meisten Frauen im Klub besitzen einen Ferrari. «Das ist so vorhersehbar und banal. Ich mag eher Lamborghini und McLaren, buntere Sportwagen mit viel Leistung», sagt sie. Neben dem Fahrverhalten liebt sie den Motorklang. Ihre Auffassung von einem Supersportwagen: eine Kombination aus Design, Beschleunigung, Geschwindigkeit, Stil und Seltenheit.

Den Fitnessraum durchs Cockpit ersetzt

Hanan nutzt als Alltagsauto einen lilafarbenen Lamborghini Huracán, besitzt dazu einen Jaguar, einen Morgan Aero Supersport und ein SUV. Ihr Motto: Das Leben ist zu kurz, um langweilige Autos zu fahren. Dass die Präsidentin vom berühmtesten Sportwagen-Frauenklub nur schnell fährt, stimmt allerdings nicht. Es komme auf die Stimmung an. «Natürlich fahre ich gern schnell und sportlich, aber ich fahre auch häufig langsam, das entspannt mich», sagt die Mutter von zwei Kindern.

Ihre Kombination zum Glück: schöne Strecken zum Fahren, schöne Berge und zwischendurch ein gutes Restaurant. Es kann doch so einfach sein. «Andere gehen ins Fitnesszentrum, ich fahre halt gerne Auto. Einen Supersportwagen täglich zu fahren, weckt alle meine Sinne Das ist meine Leidenschaft, die ich gerne mit anderen teile», sagt sie.

Häufig nehmen die Gazellen an Veranstaltungen von Sportwagenherstellern teil, um Adrenalin zu spüren. McLaren organisierte ein exklusives Rennstreckenerlebnis nur für Frauen – im Dubai Autodrome konnten sie die Black-Badge-Sondermodelle von Rolls-Royce ausprobieren. «Wir versuchen immer, neue Erfahrungen zu machen, verschiedene Marken zu testen oder einfach zu neuen Orten in den VAE zu fahren. Wir veranstalten Fahrerlebnisse, Fahr- und Aufenthaltswochenenden und hochoktanige Luxusveranstaltungen», sagt Hanan Mazouzi Sobati.

Auch abseits des Klubs bleibt das Auto ihr wichtiger Begleiter. So arbeitet sie nicht nur in der Reifenindustrie, sondern besucht auch Formel-1-Rennen und Oldtimer-Rallys wie die Mille Miglia VAE. Dort natürlich als Teilnehmerin – als eine der ganz wenigen Frauen, die selbst fahren.

Die Idee kommt nicht nur in der arabischen Welt an, sondern auch international. «Dinge ändern sich. Männer, Hersteller und Händler werden aufmerksamer, nehmen Frauen ernster und fragen uns nach unserer Meinung», sagt Hanan Mazouzi Sobati.

Der Klub sei für manche Mitglieder auch ein Mittel, um die eigene Wahrnehmung zu verändern, vielleicht der beste Therapeut überhaupt. «Du musst nicht die heisse Braut auf dem Beifahrersitz sein. Du kannst die heisse Braut hinter dem Steuer sein. Im Grunde kannst du alles sein. Nur du allein bestimmst es», meint Hanan Mazouzi Sobati.

Mittlerweile gibt es Gazellen-Ableger in Italien, Frankreich, Spanien und den USA. «Und das, obwohl in Europa derzeit eine schlechte Stimmung gegenüber Sportwagen herrscht», sagt sie. Neid gebe es in den Emiraten weder auf die Sportwagen noch auf die Frauen, die hinterm Steuer sitzen. «Vielmehr erhalten wir bei unseren Ausfahrten ein ‹Daumen hoch› als Anerkennung», erklärt sie. Wenn die Männer nett seien, dürften sie auch mitfahren. Auf dem Beifahrersitz.

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