Freitag, November 22

Die Entwicklung von selbstfahrenden Autos ist teuer und komplex. Vor allem bei der Sicherheit müssen die Hersteller zahlreiche Hürden überwinden.

Sie gilt als die Krone der Schöpfung im Automobilbau: Die Fähigkeit eines Fahrzeugs, autonom von A nach B durch den Verkehr zu gelangen, und das sicherer als von Menschen gesteuert. Bisher war das utopisch, doch mittlerweile steht das selbstfahrende Auto fast schon um die Ecke.

Am Donnerstag wird Elon Musk das erste vollautomatisch fahrende Auto seiner Marke Tesla präsentieren. Ein Meilenstein? Nicht unbedingt, denn was da erwartet wird, ist nichts anderes als die Summe aller Bemühungen der Autoindustrie, dem Fahrer die Arbeit abzunehmen und mehr Sicherheit zu schaffen.

Wie eine Studie der amerikanischen Fahrsicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) zeigt, sind rund 94 Prozent aller schweren Autounfälle durch menschliches Versagen verursacht. Vor diesem Hintergrund soll das von Computersystemen gesteuerte Auto rasch zur Realität werden.

Was heute unter dem Kürzel ADAS (Advanced Driver Assistant Systems) zusammengefasst wird, ist eine Vielzahl an Sicherheitssystemen, die in vielen Fahrzeugen insbesondere in den drei grössten Automärkten China, USA und Europa zu kaufen sind.

Dazu gehören etwa ein adaptiver Tempomat mit Notbremsassistent und der Möglichkeit, im Stau auch einmal die Hände vom Lenkrad zu nehmen und dem Fahrzeug die Fahrarbeit zu überlassen. Die Autobauer buhlen mit solchen Komfort- und Sicherheitssystemen um die Gunst der Kunden, und das immer häufiger auch in kleinen und kompakten Autos. Das ist bezahlbare Sicherheit, verbunden mit viel Komfort.

Der Weg zum autonomen Fahren ist ein Hürdenlauf

Doch den Herstellern sind auf dem Weg zum autonomen Fahren oft die Hände gebunden. Es fehlt vielerorts die gesetzliche Grundlage für das Abtreten der Fahrverantwortung an das Fahrzeug und seinen Hersteller. In Deutschland und der Schweiz ist es immerhin möglich, auf bestimmten Strassen hochautomatisiert zu fahren, etwa auf gewissen Autobahnabschnitten oder in zuvor genehmigten Pilotversuchen.

Hinzu kommen weitere Hürden. Die für robotisierte Autos erforderlichen Elektronikteile und Halbleiter sind nicht einfach zu beschaffen und teuer. Es klingt wie eine Binsenweisheit, dass ein automatisiertes Fahrzeug nur dann zuverlässig arbeitet, wenn es die Umgebung detailliert erkennt und zwischen einem Brett und einem Karton auf der Strasse unterscheiden kann.

Gerade dies ist aber nur mit dem Einsatz von Lidar-Sensoren, einer Art Laser-Radar, möglich, da sind sich die Experten weitgehend einig. Doch gerade solche Sensoren sind sehr kostspielig. Tesla hat bei seinem Autopilot genannten Fahrassistenten bisher auf Lidar verzichtet, doch beim selbstfahrenden Produkt, das nun vom Stapel laufen soll, dürften sich die teuren Systeme an Bord befinden.

Neben der Wahl der richtigen Ausrüstung für automatisierte Fahrzeuge gibt es weitere Elemente, die die Einführung solcher Autos weiter verzögert. Die Komplexität der Fahrsysteme nimmt immer mehr zu, was eine Validierung mit den üblichen Testmethoden erschwert. Die klassischen Fahrversuche etwa sind bei robotisierten Fahrzeugen langwierig und aufwendig. Schätzungen sprechen von bis zu 8 Millionen gefahrenen Testkilometern, um ein hochautomatisiertes Fahrzeug auf seine Sicherheit zu prüfen.

Stattdessen setzen immer mehr Hersteller von Systemen fürs autonome Fahren auf virtuelle Tests. Die Zulieferer für solche Simulationen, zum Beispiel die Firma Ansys aus Pennsylvania, haben hier ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt, das den Autobauern hilft, die Entwicklungskosten zu senken.

Künstliche Intelligenz beschleunigt die Entwicklung

Ein weiterer Trend ergibt sich – wenig überraschend – aus der Implementierung von künstlicher Intelligenz in die ADAS-Systeme. KI kann etwa die Verarbeitung der enormen Datenmengen verbessern, die durch die Vielzahl der Sensoren gesammelt werden. Unter anderem werden auf diese Weise Kartendaten in Echtzeit aktualisiert, etwa bei Baustellen oder Unfällen. Auf diese Weise können robotisierte Fahrzeuge schneller und besser auf gewisse Verkehrssituationen reagieren.

So wirkt KI als Beschleuniger bei der Entwicklung von hochautomatisierten Fahrzeugen. Prognosen, dass selbstfahrende Autos noch lange auf sich warten lassen, scheinen unter diesem Gesichtspunkt überholt. Doch es gibt auch eine Kehrseite der KI: Die Prozesse des maschinellen Lernens verlangen nach höherer Rechenleistung, die herkömmliche Computerchips gar nicht bieten können.

Erforderlich sind neue Mikroprozessoren, die den komplexen KI-Systemen genügend Rechenleistung bei akzeptablem Batterieverbrauch liefern. Der nächste Schritt sind sogenannte Chiplets, bei denen mehrere Halbleiter übereinandergelegt werden. Die Chipindustrie beschäftigt sich derzeit mit solch hochkomplexen Prozessoren.

Doch alle Rechenleistung ist nur so gut wie die Software, die das Verarbeiten der Daten steuert. Bereits heutige Fahrzeuge, ausgerüstet mit einer Vielzahl von Sicherheitsassistenten, benötigen Software-Codes, die gemäss Suraj Gajendra, Produktchef des britischen Prozessor-Herstellers Arm, eine Länge von 100 Millionen Zeilen erreichen. Er erwartet für vollautomatisierte Fahrzeuge Programmiercodes, die bis zu einer Milliarde Zeilen lang sind.

Cyberkriminelle stehen in den Startlöchern

Damit wird klar, wie wichtig das Software-basierte Auto bereits heute ist. Und dies, kombiniert mit der hohen Konnektivität solcher Fahrzeuge und ihrer steten Interaktion mit Datenwolken, rückt ein weiteres Thema ins Scheinwerferlicht, das die Entwicklung selbstfahrender Autos zusätzlich erschwert: die Cybersicherheit. Der Einbau von Sicherheitsschwellen, die einen Zugriff von aussen auf die komplexen Rechenprozesse in einem vernetzten und automatisierten Fahrzeug verunmöglichen, wird zum zeitraubenden und kostenintensiven Problem.

Vor diesem Hintergrund fragt sich, welche Anforderungen die Autohersteller, allen voran Tesla, an ihre eigenen Systeme stellen. In der Computerindustrie hat sich das Bananenprinzip, also das Verkaufen unfertiger Produkte im Wissen, dass sie beim Kundeneinsatz erst zur Reife gelangen, längst eingebürgert. Ob dies auch für das autonome Fahren gilt, wird sich zeigen. Die ersten Kunden des selbstfahrenden Tesla werden ihre Erfahrungen kaum für sich behalten.

Zudem ist noch nicht klar, wie teuer das selbstfahrende Auto sein wird. Wenn man die Erschwernisse bei der Entwicklung einrechnet, dürfte ein solches Gefährt, womöglich ohne Lenkrad und Pedale, für Privatpersonen unerschwinglich sein. Viel wahrscheinlicher scheint der Einsatz als sogenanntes Robotaxi, also Chauffeurslimousine ohne Chauffeur, angeboten durch Taxifirmen und Transportunternehmen.

Diese wären in der Lage, die anfänglich hohe Investition in automatisierte Fahrzeuge auf eine Vielzahl von Anwendungsfällen zu verteilen und rascher in die Gewinnzone zu kommen als etwa Private, die ihr autonomes Auto gelegentlich vermieten.

Etwas länger dauern dürfte es allerdings, bis Paketdienste vollständig auf selbstfahrende Lieferwagen umstellen. Denn noch ist der Kunde es gewohnt, dass er sein Paket vor der Haustür vorfindet. Noch können Robo-Lieferwagen die letzten Meter bis zum Kunden nicht automatisch absolvieren.

Zudem könnte es sein, dass die Autobauer ihre Rechnung beim selbstfahrenden Auto ohne die bisherigen Chauffeure aus Fleisch und Blut gemacht haben. Bereits ist es in China zu Protesten von Taxifahrern gekommen, denen der autonome Fahrdienst von Baidu die Kunden abspenstig macht. Bedenkt man, wie streitbar die Taxibranche bereits auf den Uber-Fahrdienst reagiert hat, dürfte auch bei den betroffenen Arbeitnehmern das autonome Fahren nicht mit offenen Armen empfangen werden.

Letzte Hürde Mensch

Eine grosse Unbekannte rund ums autonome Fahren ist die Kundenakzeptanz. Die Chance besteht, dass sich ein Szenario wiederholen wird, wie es sich derzeit in der Elektromobilität manifestiert. Die Hersteller vergessen, bei der Umstellung aufs Batterieauto das Kundeninteresse zu prüfen. Die Skepsis ist auch beim selbstfahrenden Auto gross, und sie nimmt nicht ab.

Wie eine neue Umfrage der Unternehmensberatung Arthur D. Little zur Zukunft der Automobilität zeigt, nannten fast zwei Drittel der befragten Verbraucher Sicherheitsrisiken aufgrund von Technologiefehlern als ihre grösste Sorge im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren, wobei das Vertrauen in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich gestiegen ist.

Die Menschen könnten somit das grösste Hindernis bei der Umsetzung des fahrerlosen Autos darstellen. Auch Tesla ist dazu aufgerufen, mit seinem neuen, robotisierten Fahrzeug Vertrauen in die Technologie zu schaffen.

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