Immer mehr Firmen kündigen für die nächsten Jahre flugfähige Autos an. Was bisher nur als Spinnerei galt, wird zum Trend, um dem Verkehrschaos zu entkommen.
Verstopfte Strassen, zähflüssiger Verkehr und kaum Parkplätze. Autofahren in der Stadt macht immer weniger Spass. Wer in den Hauptverkehrszeiten mit dem Auto in der Grossstadt unterwegs ist, wünscht sich manchmal eine praktische Anbindung an den öffentlichen Verkehr – oder einen eigenen Helikopter.
Die angespannte Verkehrssituation geht auch an Mobilitätsdienstleistern nicht spurlos vorbei. Immer mehr Hersteller experimentieren mit flugfähigen Autos – und geben Ausblick auf die Mobilität von Morgen. Unter dem Begriff Urban Air Mobility lassen sich Flugtaxi, Flugautos, überdimensionierte (Passagier)-Drohnen und Helikopter einordnen. Wird das eine echte Chance, um dem Verkehrschaos zu entkommen oder sind das nur teure Spielzeuge für Superreiche?
Der asiatische Marktführer Xpeng HT Aero glaubt fest an die Fortbewegung in der Luft. Erst von wenigen Wochen verkündete der chinesische Hersteller an der CES in Las Vegas, dass er Ende des Jahres die Vorbestellungsphase für seinen «Land Aircraft Carrier» eröffnen will – die Auslieferung plant der Hersteller für Anfang 2025.
Mit der Kombination aus dreiachsigem Van für bis zu fünf Personen als Boden-Grundmodell und Helikopter geht Xpeng einen eigenen Weg: Auf Strassen rollt der Personentransporter im kantigen Stil eines Tesla Cybertruck und lässt sich kaum als Fluggerät identifizieren. Endet die Strasse, lässt sich ein Mini-Helikopter für zwei Personen aus dem Heck des Vans ziehen.
Nach dem Entfalten der Flugarme schwebt der Multikopter in die Luft. Sechs Rotoren heben dann das elektrische Luft-Modul in die Höhe. Die beiden Insassen können manuell fliegen oder sich pilotieren lassen. Genaue technische Daten gibt der Hersteller zwar noch nicht bekannt, aber mit dem zweisitzigen X2 hat Xpeng bereits gezeigt, dass seine Produkte fliegen können. Noch nicht klar ist, was diese Art der exklusiven Fortbewegung einmal kosten soll. Sie wird teuer sein, das scheint schon heute klar.
Senkrechtstarter sparen Platz für Start und Landung
Ein neues Flugauto des chinesischen Herstellers sorgte ebenfalls an der CES für Aufsehen: Im «Auto»-Modus wirkt das Xpeng eVTOL Flying car (electric Vertical Take-Off and Landing aircraft) wie ein langgezogener Sportwagen und eben nicht wie ein Van oder Hubschrauber. Wird der Verkehr zu dicht oder ist das Ende des Strassennetzes erreicht, fahren per Tastendruck vier Flugarme mit acht Rotoren seitlich aus dem Dach aus – wenn denn im Verkehr Platz dafür vorhanden ist.
Als Multikopter hebt das Gerät dann innerhalb weniger Sekunden senkrecht ab – Start- und Landebahn werden nicht benötigt. Nach der Landung verschwinden die Ausleger mit den Rotoren wieder dezent in der Karosserie. Wann das Fluggerät in Serie geht, steht noch nicht fest, aber Xpeng plant fest mit der Produktion. Auch hier sind hohe Anschaffungs-, Ausbildungs- und Unterhaltskosten zu erwarten.
Auch wenn die Technik richtig Fahrt aufnimmt – die Idee ist nicht neu: Ab Mitte der 1930er Jahre kombinierten findige Ingenieure Autos mit Flugzeugen, um sich auch abseits der Strasse schnell fortbewegen zu können. Über den Status von Prototypen kamen die Fahr-Flug-Geräte aber nie hinaus. Weltweit bekannt wird ein goldfarbener AMC Matador Coupé, der fliegen kann. Das Coupé verwandelt sich im James-Bond-Film «Der Mann mit dem goldenen Colt» von 1974 in ein Flugzeug.
Dazu werden Flügel, Turbine und Leitwerk schnell an das Auto geschnallt. Film-Bösewicht Francisco Scaramanga gelingt anschliessend in seinem AMC Matador Coupé die Flucht vor James Bond.
Dass Agent 007 mit technischen Gadgets so manchen Traum der Fortbewegung anfacht, ist ein bekanntes Rezept der Filmreihe. Ob sich mit Flugautos allerdings drängende Verkehrsprobleme lösen lassen, scheint fraglich. Denn anders als ein Auto benötigen die teuren Flugautos jeweils eine Zulassung für den Strassenverkehr und eine zweite Zulassung als Fluggerät. Sicherheitsvorschriften wie Fussgängerschutz für Autos müssen ebenso erfüllt werden wie akustische Parkierhilfen oder Spurhalte-Systeme.
Solche Fahrassistenten benötigt ein Fluggerät nicht. Hingegen muss ein Grossteil der Flugtechnik redundant oder besonders sicher ausgelegt sein – für den Strassenverkehr eher unnötig, es sei denn, das Auto ist autonom unterwegs. Und solange Piloten Flugautos steuern, benötigen sie die jeweiligen Lizenzen für den Strassenverkehr und den Luftraum. Entsprechend hoch sind die Ausbildungskosten.
Dazu kommt noch: Einfach abheben und losfliegen ist in den wenigsten Ländern erlaubt, die Flüge müssen in der Regel in den Lufträumen angemeldet werden. Man stelle sich nur vor, mehrere Flugautos heben gleichzeitig ab, um einem Stau zu entkommen. Chaos wäre vorprogrammiert, Kollisionen in der Luft nicht auszuschliessen. Es braucht also Funkverkehr und Regeln dafür, wer wann wie wohin fliegen darf – auch mit dem Auto.
Fliegendes Auto, das nicht fahren kann
Die Hürden für Flugfahrzeuge liegen daher sehr hoch. Doch neben Xpeng glaubt auch die koreanische Hyundai Motor Group an einen Durchbruch. Für 2028 plant der Konzern mit seinem Tochterunternehmen Supernal ein neues Fluggerät. Beim S-A2 kommt Technik des Industriekonzerns zum Einsatz, das Design stammt von Hyundais oberstem Designer Luc Donckerwolke – der vorher unter anderem schon für Audi, Alfa Romeo, Lamborghini, Bentley und Genesis arbeitete.
Mit den Luft- und Raumfahrtingenieuren von Supernal und den Autogestaltern von Hyundai habe man ein Design geschaffen, das den Passagieren eine Kombination aus Komfort und Sicherheit biete, sagt Luc Donckerwolke. Der Innenraum des Fluggeräts erinnert so eher an eine Luxuslimousine als an einen nackten Transporthubschrauber, obwohl der S-A2 gar nicht fahren kann.
Vielmehr ist es ein vollelektrisches Fluggerät, das in der Flugphase mit 45 dBA ähnlich leise wie ein Geschirrspüler ist. Fünf Personen finden inklusive Pilot in der Maschine Platz, die mit rund 190 km/h auf bis zu 450 Meter Höhe fliegen kann. Die Reichweite mit vollen Akkus beträgt bis zu 60 Kilometer – ausreichend für den Kurzstrecken-Einsatz in Städten. In der zweiten Phase nach dem Serienstart soll das S-A2 auf den Piloten verzichten können und autonom fliegen, um in Städten Passagiere oder Güter schnell zu transportieren.
Autonomes Fliegen statt Pilot mit Fluglizenz
Die japanischen Hersteller Suzuki und SkyDrive planen für 2025 ein Flugtaxi. Zwölf Elektropropeller treiben das dreisitzige eVTOL an. In der zweiten Phase soll auch dieses Fluggerät auf einen Piloten verzichten können. Als autonomes Flugobjekt würde die hohe Hürde der Pilotenlizenz wegfallen und der Einsatz erleichtert. Nur für wen? Unter geschätzten 300 000 Euro oder 282 000 Franken wird es die Flugfahrzeuge kaum geben.
Doch genau hier ist die Ursache für den aktuellen Boom bei den fliegenden Fahrzeugen offenbar zu suchen. Die Chance, in autonom fliegenden Gefährten durch die Luft chauffiert zu werden, ohne selbst ausgebildeter Pilot zu sein, ist mit der Einführung von Technologie für autonome Transporte stark angewachsen. Daher bauen einige Hersteller nun erste Flug- und Fahrgeräte, die noch vom Mensch pilotiert werden müssen, aber schon sehr bald vollautomatisch vorwärtskommen.
Dazu gehört etwa die kalifornische Firma Alef Aeronautics hat im Sommer 2023 eine Zulassung für ihr Fluggerät erhalten. Das Modell A kostet ab Ende 2025 ebenfalls etwa 300 000 Euro. Es bietet Platz für zwei Personen und kann 320 Kilometer weit fahren sowie 180 Kilometer weit fliegen – beides elektrisch. Es hebt mithilfe von Propellern unter dem Rumpf senkrecht in die Höhe ab und dreht das Flugauto um 90 Grad.
Auch das niederländische Unternehmen PAL-V bietet mit dem Liberty ein Flugmobil in der Preisklasse um die 300 000 Euro an. Der Zweisitzer mit drei Rädern verwandelt sich innerhalb von fünf Minuten vom Fahrzeug in ein Fluggerät. Dazu faltet sich auf dem Dach ein Propeller aus. Für den Start benötigt der PAL-V Liberty allerdings eine Startbahn von etwa 280 Meter Länge. Wie auch beim slowakischen Aircar 1, das seit 2022 eine Flugerlaubnis besitzt und vor dem Start seine langen Flügel aus der Karosserie faltet. Von einer Startbahn hebt es dann ab und fliegt bis 180 km/h schnell und bis zu 1000 Kilometer weit.
Aber selbst Personen-Drohnen oder Helikopter können – mit Ausnahme von Rettungs- und Einsatzmaschinen – nicht überall starten und landen, und benötigen einen genehmigten Start- und Landeplatz mit bewilligten Ein- und Ausflugschneisen.
Damit bleiben Flugautos weiter eine nette Spielerei Betuchter oder passionierter Piloten – auch wenn das Angebot wächst und der Verkehr in den Städten immer dichter wird. Erst eine geeignete Infrastruktur lässt den Traum von der täglichen Fahrt mit anschliessendem Flug über den Stau in der Megacity zur Realität werden.
Es entsteht der Verdacht, dass die Hersteller nur mit der Machbarkeit des Flugautos spielen, anstatt konkrete Serienpläne zu haben. Realistischer sind nur kommerzielle Flugtaxi-Projekte, die sich gar nicht mit der Funktionalität im Autoverkehr befassen. Vielleicht besser so.