Mittwoch, Juni 26

E-Autos aus der Volksrepublik sind auf dem Heimatmarkt teils nur halb so teuer wie die westliche Konkurrenz. Die Gegenmassnahmen zu den Zöllen dürften gerade Deutschland treffen. Mit Donald Trump als US-Präsident würde der Handelskrieg noch an Härte gewinnen.

Die Europawahl hat traditionsgemäss keinen grossen Einfluss auf die Aktienbörsen oder Währungen. Die US-Wahl am 5. November dürfte die Börsen dagegen stärker beeinflussen, wenn – den Umfragen entsprechend – Donald Trump gewählt wird.

Trump wird mit bisher unbekannter Härte gegen China vorgehen und, wenn seine Ankündigungen umgesetzt werden, die Staatsdefizite auf 7% steigern, die Zölle vervielfachen und sicher auch weitere Exportverbote für Hochtechnologie verfügen.

Da China auf Exportwachstum angewiesen ist, um die angestrebten 5% Wachstum zu erreichen (gut die Hälfte kommt vom Export), würde das Land die nicht mehr in die USA exportierten Güter nach Europa umleiten. Entsprechend wird der deflationäre Angebotsdruck hier wachsen. Das gilt besonders für die deutschen Fahrzeughersteller. Hier hat die links-grüne Regierung – wie der Ökonom Hans-Werner Sinn und andere immer wieder ausgeführt haben – schon den ersten schweren Schlag Richtung Dezimierung der deutschen Automobilbranche geführt. Die preisgünstigen China-Importe werden ihr Übriges tun.

China exportiert fast eine halbe Million E-Autos nach Europa

Exporte von E-Autos chinesischer Hersteller in die Europäische Union, in Tausend, rollierend für die zurückliegenden zwölf Monate

Quelle: Gavekal Dragonomics/Macrobond, Eurostat, Thinkercar

Deutschland wehrt sich wegen seiner bedeutenden China-Investitionen gegen Zölle und setzt auf freie Marktwirtschaft, weil sonst chinesische Vergeltungsmassnahmen drohen. Frankreich, das wenig nach China exportiert, wird sich aber durchsetzen und die EU wird Zölle auf China-Importe verhängen. Dies verteuert zwar chinesische Autos in Europa und Deutschland, allerdings werden die Zölle den Preisunterschied nicht ausgleichen können.

Chinesische Hersteller produzieren und verkaufen günstig

Verkaufspreis für ausgewählte E-Auto-Modelle, in Tausend €, in China (rot) in Deutschland und in den Niederlanden (blau); EU-Preisaufschlag, in %

Quelle: Gavekal Dragonomics/Macrobond, EV Database, Autohome

Schon heute kosten chinesische Autos auf vielen Märkten weniger als halb so viel wie im Inland gefertigte Automobile. Zölle gegen China dürften kontraproduktiv sein, weil sich China mit entsprechenden Gegenmassnahmen (wie vielleicht Ausfuhrzölle) für deutsche Autos und andere von deutschen Firmen in China erstellte Produkte wehren dürfte.

Kein europäisches Modell unter den Top Ten in China

Meistverkaufte Elektroautos in den USA, in China und in der EU

Quelle: Gavekal Research, Gear Patrol, Autovista24, offizielle Verkaufsstatistiken

Trump weiss, wie entscheidend er China mit Exporthindernissen treffen kann, da die chinesische Konjunktur in den wichtigsten Bereichen wie Konsum und Immobilienmarkt schwächelt und stark auf den Export angewiesen ist. Verfehlt die chinesische Regierung ihre Wachstumsziele, könnten Probleme wie die schon bisher hohe Jugendarbeitslosigkeit (nur jeder zweite Studienabgänger findet einen Job) zu gefährlicher Unruhe in der Bevölkerung führen, was die chinesische Regierung am meisten fürchtet. 2023 verliessen 11,6 Mio. Studenten die chinesischen Hochschulen; das waren 820’000 mehr als im Jahr 2022.

Schon öfter in der Geschichte griffen Politiker in solchen Wirtschaftsnotlagen zum «Heilmittel» für die Konjunktur: zu Kriegen. Mit den dann einsetzenden hohen Staatsdefiziten, die stimulierend auf die Konjunktur wirken, verschwindet in der Regel die hohe Arbeitslosigkeit.

Die grösste politische Gefahr für die Weltbörsen dürfte ein möglicher Taiwan-Krieg sein. Als ob nicht schon der Ukraine-Konflikt ein gefährliches Damoklesschwert über den Börsen ist (der allerdings von der Investorengemeinde nur als gefährlich angesehen, wenn der Ölpreis beeinflusst wird), so ist Chinas Machtstreben ein weiteres Problem für den Westen. Die USA und Europa hängen ganz entscheidend von der technologischen Führung Taiwans im Halbleiterbereich ab. Kein anderes Land hat es bisher geschafft, hier auch nur annähernd gleich hochwertige Produkte herzustellen. Ein Ausfall Taiwans wäre also ein schwerer Rückschlag für die Weltwirtschaft.

Höheres Zinsniveau in den USA belastet

Das Investmentereignis der vergangenen Woche war die europäische Zinssenkung. Wie vermutet, war dies aber bei Aktien und Anleihen bereits in den Kursen eingepreist und hatte eher einen «Sell on the News»- Effekt. Für einige andere Beobachter unerwartet war der EZB-Kommentar, dass mit der ersten Zinssenkung keine Serie von weiteren Zinsrücknahmen beginnen werde. Tatsächlich zeigte zuletzt nicht nur in den USA, sondern auch in Europa die Entwicklung der Inflationsraten keineswegs deutlich nach unten und ein durch stärkere europäische Zinssenkungen schwacher Euro mit dann wieder steigenden Importpreisen und höherer Inflationsrate wäre das Letzte, was die EZB jetzt braucht.

Nachdem am letzten Freitag mit 272’000 neuen US-Arbeitsplätzen die durchschnittlich geschätzte Zahl von 180’000 weit überboten worden war, sind die US-Hoffnungen auf schnelle Beruhigung bei Konjunktur und Inflation wieder zurückgegangen. Diese sogenannte Payroll-Beschäftigungszahl wird aber regelmässig stark nach unten korrigiert und die Beantwortungsquote von 40% bei der Umfrage macht die Fehleranfälligkeit deutlich. Die Befragung der US-Haushalte (Household Survey) zeigte sogar 408’000 weniger Arbeitsplätze. Zwar stieg die Arbeitslosenquote auf 4%, aber die monatliche Lohnerhöhung kletterte von 0,2 auf 0,4%, was die Falken bestärken dürfte. Andererseits ermutigt der jüngste Inflationsrückgang von 3,4 auf 3,3% die Tauben.

Die gestiegenen Zinsen werden mit Zeitverzögerung immer stärker auf die US-Konjunktur einwirken. Am kommerziellen US-Immobilienmarkt werden ungefähr 2000 Mrd. $ bis zum Ende des kommenden Jahres zur Refinanzierung fällig sein. Die Hälfte davon haben Banken finanziert, die andere Hälfte kam aus dem neuen, stark gewachsenen (privaten) Sektor. Die 25 grössten US-Banken haben ungefähr 30% dieser Kredite ausgeliehen, die restlichen 70% kamen von den über 4’500 kleineren US-Regionalbanken. Dabei haben die Top-25-Banken nur 11% der gesamten Kredite ausgeliehen, die Regionalbanken dagegen 34% der gesamten Kreditsumme. Man sieht also, dass nicht nur auf private Immobilienbesitzer, sondern auch auf den gewerblichen Immobiliensektor in den USA erhebliche Probleme zukommen.

In der vorigen Folge dieser Kolumne hatten wir geschrieben, dass ein sehr hoher Anteil von 76% der US-privaten Immobilienkredite bis Ende 2026 fällig werden. Tatsächlich treffen diese Zahlen aber auf den kanadischen und nicht auf den US-Immobilienmarkt zu. Wenn man bedenkt, dass in Kanada die Immobilienpreise in den letzten 25 Jahre um durchschnittlich 553% gestiegen sind (zusammen mit Australien mit +502% am meisten in der westlichen Welt), kann man sich angesichts der kurzfristigen Immobilienfinanzierung vorstellen, welche Probleme auf den kanadischen Immobilienmarkt zukommen. Zuletzt fielen die Umsätze am kanadischen Immobilienmarkt gegenüber dem Höchststand 2022 um nicht weniger als 85%. Der Vorrat an unverkauften Wohnungen liegt, gerechnet in Monaten, beim mehr als Doppelten der Höchstsätze in den USA während der Finanzkrise. Aber auch in den USA, wo die Mehrzahl der Immobilienbesitzer bisher weniger als 4% Zinsen zahlt, droht eine teure Refinanzierungswelle.

Auch bei den amerikanischen Unternehmen steht eine grosse Welle der Refinanzierung bevor. Hier sind im kommenden Jahr mehr als 2500 Mrd. $ zur Rückzahlung fällig. Fazit: Ein Grossteil des amerikanischen Wachstums kam über Fremdfinanzierung, und dies in einem wesentlich stärkeren Ausmass als in Europa.

Nachdem das US-Wirtschaftswachstum im ersten Quartal auf 1,3% nach unten revidiert wurde (Schätzung Atlanta Fed für das zweite Quartal: 1,8%), ging man zuletzt für 2024 von circa 4% nominellem US-Wirtschaftswachstum aus, also inklusive Inflation. Die allgemein verbreiteten Zahlen von 10% Gewinnwachstum in diesem Jahr erscheinen deshalb überzogen. Die US-Konjunktur befand sich bei entsprechend schwachem nominellen Wachstum in der Vergangenheit in einer Rezession und die Gewinne stiegen in vergleichbaren Zeiten allenfalls um 4%.

Nur bei entgegen den Erwartungen besserer US-Konjunktur würden dann auch die Gewinne wieder stärker steigen. Vieles spricht dagegen, unter anderem die Korrektur der Rohstoffpreise. Der Preis für Kupfer, der als Konjunkturindikator gilt, ist seit dem 20. Mai von mehr als 11’100 $ pro Tonne auf weniger als 9800 $ gefallen, ein Rückgang von mehr als 10%.

Selbst bei leicht steigenden US-Gewinnen fragt man sich, inwieweit dies eine neue Aktienhausse auslösen könnte. Anleihen sollten stabil tendieren.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.

Jens Ehrhardt

Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.

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