Dienstag, Januar 21

Fallende Agrarpreise, rückläufige Einkommen der Bauern und höhere Finanzierungskosten haben den Herstellern von Landwirtschaftsmaschinen zugesetzt. Der Tiefpunkt scheint indes nah zu sein. Neue Technologien stimmen zuversichtlich.

In Fachkreisen ist die Begeisterung für die «neue» Landwirtschaft riesig. Das Stichwort heisst AgTech und soll nichts weniger als die «Zukunft der Landwirtschaft» einläuten. Darunter versteht man die stärkere Nutzung von Technologie für eine effizientere Gewinnung von Nahrungsmitteln. Das ist in der Landwirtschaft auch nötig, denn die zusätzlichen 2 Milliarden Menschen, die 2050 den Planeten bevölkern sollen, müssen ernährt werden. Laut Schätzungen wird sich die globale Nahrungsmittelnachfrage bis dann um 50% oder mehr erhöhen.

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Mit den bestehenden Agrarflächen und den traditionellen Methoden ist dieser Kraftakt nicht zu stemmen. Ein potenzieller Nachfrageüberschuss lässt für Agrargüter tendenziell steigende Preise erwarten. Auch gegen den sich verschärfenden Fachkräftemangel sollen Automation und Digitalisierung die Lösung sein. Für die Produzenten und die Bauern müsste die Zukunft rosig aussehen.

Diese strukturell positiven Veränderungen werden derzeit aber von einem zyklischen Abschwung – dem die Branche regelmässig ausgesetzt ist – überdeckt. Statt Aufbruchstimmung herrscht seit Monaten Tristesse, denn die Preise für die wichtigsten Ackerprodukte Weizen, Mais und Soja befinden sich am Boden. Das amerikanische Landwirtschaftministerium geht davon aus, dass die Preise dieser drei Sorten nach einem kumulierten Rückgang in der Saison 2023/24 von 21% in der laufenden Periode nochmals um etwa 15% fallen werden.

In der Hausse der Jahre 2021 bis 2023 hatten die Bauern genügend Geld, sich neue Geräte anzuschaffen. Das spürten vor allem die Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen. Die Aktienkurse der führenden Hersteller aus den USA (Deere, Agco und CNH) hatten sich ausgehend vom Pandemietief innerhalb von drei Jahren vervier- bis verfünffacht. Weniger stark ging es mit den Valoren des Schweizer Anbieters Bucher Industries hinauf; doch auch diese haben sich während der Hausse immerhin verdoppelt.

Nach dem Pandemiehoch seitwärts

Seit sich das Branchenumfeld tendenziell verdüsterte, machen die Aktien der Landmaschinenhersteller keine Fortschritte mehr. Angesichts der deutlich eingebrochenen Nachfrage ist ein gehaltenes Kursniveau eine bemerkenswerte Leistung. Sie zeugt davon, dass die Hersteller gestärkt in die Krise schlitterten sowie schnell und geschickt auf die nachlassende Nachfrage reagierten.

Nun warten sie auf den Aufschwung, der sich aber Zeit lässt. «Die Branche steckt im zyklischen Loch, nach 2024 wird auch das erste Halbjahr 2025 schlecht ausfallen, und eine Verbesserung ist nicht in Sicht», fasst Vontobel-Analyst Arben Hasanaj das nach wie vor missliche Umfeld zusammen, in dem sich die Landmaschinenhersteller bewegen.

Während sich die Ackerflächen während der Hausse vergrösserten, sank die Nachfrage konjunkturell bedingt. Die Krise in China, ein wichtiger Importeur amerikanischer Agrarprodukte, trifft die US-Farmer besonders stark. Weil die Preise für Mais, Soja und Weizen seit Monaten fallen, sinken die Einnahmen der Bauern. Gleichzeitig stieg das Zinsniveau, was die üblicherweise fremd finanzierten Investitionen verteuerte. Und nachdem sich die Farmer mit neuen Geräten eingedeckt haben, herrscht nun wenig Erneuerungsbedarf.

Was es für die Wende braucht

Ein Merkmal zyklischer Industrien sind die meist heftig ausfallenden Trendwenden. Um den richtigen Einstieg nicht zu verpassen, achten die Analysten im Agrarsektor vor allem auf zwei Indikatoren: die Entwicklung der Agrarpreise und das CEMA Business Barometer, das monatlich die Stimmung unter den europäischen Herstellern von Landwirtschaftsmaschinen misst.

Mit einem Wert von –37 erholte sich der Index im Dezember 2024 gegenüber dem Vormonat zwar um 6 Punkte, signalisierte aber nach wie vor ein rezessives Szenario. Am Top 2021 erreichte er mehr als 70. Was die Beurteilung der Aussichten betrifft, sind erste Erholungszeichen unübersehbar. Die Branche scheint den im Sommer 2024 markierten Tiefpunkt überwunden zu haben.

Trotzdem bleiben die Analysten dem Sektor gegenüber verhalten. Zu stark steckt ihnen wohl der jüngste Abschwung in den Knochen. Die meisten führen «Halten»- bzw. «Reduzieren»-Ratings für die Aktien der Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen.

Gemäss der Prognose von Michael Roost von Baader Helvea, der die Bucher-Aktien abdeckt und auch die grossen US-Hersteller im Blick behält, werden die Geschäftszahlen aller Anbieter in der ersten Jahreshälfte 2025 weiterhin schlecht ausfallen. Eventuell stelle sich in der zweiten Hälfte eine Besserung ein. «Das Geschäft ist nicht nur sehr zyklisch, sondern auch stark saisonal», sagt er. In der Regel würden sich die Bauern im September/Oktober mit neuen Maschinen eindecken. Darauf beruht die Hoffnung, dass es ab Herbst 2025 wieder aufwärts geht.

Selbst das wird aber nicht ausreichen, um das zweite Jahr in Folge einen Umsatzrückgang sowie eine weitere Schwächung der Rentabilität zu verhindern. Auf dieses Szenario – eine ab Herbst einsetzende Erholung und eine Verbesserung in 2026 – haben sich die Marktteilnehmer eingestellt.

Die Aufträge müssten also schon bald bei den Herstellern eintreffen. Doch als Anleger könne man nicht warten, bis sie wieder anziehen, «dann verpasst man den Einstieg», meint Roost. Für ihn sei die Wende gekommen, «wenn die Zinsen fallen und die Agrarpreise sich zumindest stabilisieren», ergänzt er.

The Market wirft einen Blick auf die einzelnen Hersteller und ihre derzeitige Verfassung:

Beim Branchenleader Deere & Co. ist alles etwas grösser. Rund zwei Drittel des Umsatzes werden im Heimmarkt erwirtschaftet, 55% mit grossen und kleinen Landwirtschaftsmaschinen. Weitere 18% der Einnahmen steuern Fahrzeuge für den Strassenbau bei, der Rest entfällt auf den Finanzsektor. In den USA ist es üblich, dass der Ausrüster von Landwirtschaftsmaschinen auch für die Finanzierung zuständig ist. Das ist ein stabiles, aber auch nicht risikoloses Geschäft und bei Deere nur halb so rentabel wie das Kerngeschäft. Ende des Geschäftsjahrs 2024 (per Ende Oktober) waren Forderungen über 54,2 Mrd. $ ausstehend, 62% mehr als vier Jahre zuvor. Mit Blick auf die schwindende Bonität der Kreditnehmer wurden die Reserven für Kreditausfälle auf 0,49% erhöht. Für 2025 wird im Finanzbereich ein höherer Ebit von 750 (696) Mio. $ in Aussicht gestellt.

Für die laufende Rechnungsperiode hat Deere meist rückläufige Einnahmen budgetiert. Der Umsatz mit nordamerikanischen Grosskunden werde voraussichtlich um 30% zurückgehen, mit den kleineren um 10%. Auch im europäischen Markt rechnet das Unternehmen mit weniger Einnahmen (–5/–10%), lediglich in Südamerika soll der Umsatz stabil bleiben.

Nachdem sich der Gewinn bereits im Fiskaljahr 23/24 auf 7,1 Mrd. $ (i. V. 10,2) deutlich vermindert hat, hat das Management für die laufende Periode nur noch einen Überschuss von 5 Mrd. bis 5,5 Mrd. $ budgetiert.

Die nach wie vor überdurchschnittlich gute Rentabilität sowie hohe Bewertung signalisieren die herausragende Anlagequalität der Aktien – sie sind zu favorisieren.

Unter Agco sind die bekannten Marken Fendt und Massey Ferguson vereint. Die erst seit 1990 bestehende Gruppe befindet sich seit Sommer 2024 in einer Restrukturierung, die eine Margenverbesserung um 150 Basispunkte zum Ziel hat und das Margenniveau über einen Zyklus auf 14 bis 15% bringen soll. Bisher wurde ein Wert von 12% angestrebt, im Zeitraum 2013 bis 2018 wurden 6% erreicht, 2024 dürften es weniger als 9% sein. Der tiefmargige Bereich Grain & Protein (Umsatz 850 Mio. $) wurde verkauft.

Nun setzt Agco stark auf die Präzisionslandwirtschaft. Vor rund einem Jahr erwarb es für 2 Mrd. $ Teile von Trimble und brachte sie in ein Gemeinschaftsunternehmen (Trimble X) ein, an dem es 85% hält. Es wird die Basis des künftigen AgTech-Geschäfts sein. Die Technologieplattform, die auch für Fremdmarken nutzbar ist, wird aber erst 2026 fertig sein.

Auch bestehende Landwirtschaftsfahrzeuge rüstet Agco mit der neusten Technologie auf (Retrofit). Dieses Geschäft soll sich bis 2029 auf rund 2 Mrd. $ verdoppeln. Mit Ersatzteilen würden dann weitere 2,3 Mrd. $ (2024: 1,8) Umsatz erwirtschaftet, lautet das Budget. Dadurch will Agco um 4 bis 5 Prozentpunkte über dem Branchendurchschnitt wachsen.

Kurzfristig ist jedoch auch bei Agco Sparen angesagt. Für 2025 wird ein fast 20% geringerer Umsatz von 9,6 Mrd. $ sowie ein rund drei mal geringerer Gewinn pro Aktie von 4 bis 4.50 $ in Aussicht gestellt. Die Ebit-Marge wird bei 7 bis 7,5% gesehen. Erst 2026 dürfte es mir Agco wieder aufwärtsgehen.

Die in den Niederlanden domizilierte, aber in den USA kotierte Gruppe entstand 2013 aus der Fusion von CNH Global mit dem ehemaligen Traktorengeschäft von Fiat. 2022 wurde der Bereich kommerzielle Fahrzeuge (Iveco) und das Motorengeschäft abgespalten. Obwohl die Agnelli-Familie durch ihre Mehrheit an Exor NV 29,38% an CNH kontrolliert, wurde die Kotierung in Mailand vor zwei Jahren eingestellt.

Die Wurzeln der Gruppe reichen zurück zu Jerome I. Case, Henry Ford, Giovanni Agnelli, Josef Werndl (Steyr) und Abe Zimmermann (New Holland). Ein Drittel des Umsatzes wird in Europa erzielt, weitere 39% in Nord- und 18% in Südamerika.

Rund drei Viertel von CNH betrifft den Agrarsektor, der Rest Baumaschinen (16%) und Finanzservices. Für 2024 wird ein 15 bis 20% geringerer Umsatz erwartet, die Margen im Agrarbereich soll von 14,5% auf rund 11% und bei den Baumaschinen von 5,8% auf 5 bis 6% zurückgehen.

Die unerwartete Ablösung des Konzernchefs im April 2024, bevor das Sparprogramm Wirkung zeigen konnte, verursachte zusätzliche Unruhe bei den Investoren. Im laufenden Jahr sollen die Betriebskosten um 10 bis 15% gesenkt werden.

Mit Howard W. Buffett sitzt ein Enkel des legendären Investors Warren Buffett im Verwaltungsrat von CNH.

Für einheimische Investoren befinden sich vor allem die Aktien des Schweizer Anbieters von Landwirtschaftsmaschinen auf dem Radar. Gut die Hälfte seiner Einnahmen erwirtschaftet er im Agrarsektor. Dazu gehört in erster Linie Kuhn, die sich auf Geräte für die Verarbeitung und Mischung von Futtermitteln spezialisiert hat. Traktoren führt Kuhn nicht im Sortiment, zu gross wäre die Konkurrenz zu den ausländischen Anbietern.

Das Unternehmen will sich über eine gute Servicequalität differenzieren. Weil die neuen Maschinen von den Bauern kaum mehr selbst gewartet werden können, ist das für Bucher eine vorteilhafte Position, die nicht so leicht von Konkurrenten angriffen werden kann.

Zum Agrarbereich der Gruppe gehört teilweise auch der Unternehmensbereich Specials, in dem u. a. der Handel mit anderen Marken gebündelt ist. So vertreibt Bucher in der Schweiz Landwirtschaftsmaschinen von CNH (Case, New Holland). Und auch die Hydrauliksparte hat ein Bein in der Landwirtschaft, weil sie gewisse Motorenteile für Deere-Fahrzeuge fertigt.

Es sind deshalb vor allem die Agrarzyklen, die das Geschick des Unternehmens beeinflussen. Bucher hatte das Glück, über einen rekordhohen Auftragsbestand von 1,6 Mrd. Fr. zu verfügen, als die Flaute einsetzte. In normalen Zeiten verfügt Kuhn über einen Auftragsbestand von rund 75% eines Jahresumsatzes. Derzeit dürfte er noch für etwa vier Monate reichen, schätzt Vontobel-Analyst Hasanaj. Baader-Analyst Roost rechnet mit einem Bestand von 1 Mrd. Fr. per Ende 2024. «Auch 2025 wird er noch zurückgehen», meint er. Details wird Bucher Ende Februar kommunizieren.

Im vergangenen Herbst musste das Bucher-Management seine Prognosen revidieren. Die Verteidigung zweistelliger Ebit-Margen war nicht mehr möglich. Was Umsatz und Margen betrifft, wird 2024 nach Einschätzung von Roost ein Krisenjahr gewesen sein. Die 2023 noch bei 11,9% liegende Ebit-Marge würde wohl nur noch 8 bis 9% betragen. «Die Zeiten zweistelliger Ebit-Margen sind bei Bucher vorerst vorbei», meint er. Das habe aber nicht nur mit dem schwachen Agrargeschäft zu tun, sondern auch mit der Division Emhart Glass, deren Ebit-Margen von über 20% sich im laufenden Jahr halbieren würden, schätzt Roost.

Der Analyst würde eine stärkere Konzentration der auf fünf Divisionen aufgeteilten Bucher-Gruppe befürworten. Emhart Glass und Municipal, das Kommunalfahrzeuge herstellt und vergleichsweise weniger rentabel arbeitet, müssten nicht zwingend dazugehören. Mit grösseren Verschiebungen rechnet er indes nicht. Die Gründerfamilie (Aktionärsgruppe Rudolf Hauser), die eine Beteiligung von 35,2% hält, «ist mit der jetzigen Form zufrieden».

Die Bucher-Aktionäre müssen mit vorübergehend geringeren Ausschüttungen rechnen. Nach einer Dividende von 13.50 Fr./Aktie dürften es laut Analysten für 2024 und 2025 nur je etwa 12 Fr./Aktie sein. Daraus ergibt sich jedoch weiterhin eine ansprechende Rendite von 3,6%.

Nach Ansicht des Vontobel-Analysten Hasanaj wird 2025 für Bucher ein Übergangsjahr sein. Obwohl er für die Titel an seiner «Halten»-Empfehlung festhält, meint er: «Auf einen zwei- bis vierjährigen Anlagezeitraum ist jetzt ein Einstieg nicht schlecht», die Aktien seien nicht hoch bewertet. «Bucher ist eine sehr konservativ finanzierte Firma mit einer super Bilanzqualität, und auch die Cashflow-Generierung ist gut», sagt Hasanaj.

Auf Basis des geschätzten Gewinns der nächsten zwölf Monate weist Bucher ein KGV von 16 aus; wenn die Durchschnittswerte der letzten zehn Jahre (Shiller-KGV) genommen werden, sieht die Bewertung mit 14 derzeit verlockend aus.

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