Der aktivistische Investor Cevian hat beim Schweizer Versicherer die 5%-Meldeschwelle überschritten – und dürfte weiter zukaufen. Das erhöht den Druck auf den Verwaltungsrat sowie das Management und verspricht weitere Kursavancen.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Der Druck auf Baloise steigt. Aus einer heutigen Pflichtmeldung der Schweizer Börse SIX geht hervor, dass Cevian ihre Beteiligung am Versicherer auf über 5% aufgestockt hat. Das Überschreiten dieser zweiten Meldeschwelle folgt nur einen Monat nach der Mitteilung, dass der aktivistische schwedische Investor beim Schweizer Versicherer eingestiegen und gleich die Marke von 3% überschritten hat.

Diese erste Meldung wiederum folgte weniger als einen Monat, nachdem der Zuger Vermögensverwalter zCapital mit seinem Antrag, die Stimmrechtsbeschränkung aufzuheben, einen bahnbrechenden Erfolg verbucht hatte.

Mit einem Stimmenanteil von 78% haben die Aktionäre der Baloise an der Generalversammlung der Abschaffung der Vinkulierung zugestimmt. Damit musste der Versicherer das Prinzip «One share, one vote» einführen – eine riesige Pleite für den Verwaltungsrat, der sich bis ganz zum Schluss gegen die Neuerung gewehrt hatte.

Mit dem GV-Beschluss vom 26. April hat die Stimmung an der Börse jedoch gedreht. Die Aktien von Baloise haben seither nicht nur die Konkurrenz hinter sich gelassen, sondern auch den Gesamtmarkt geschlagen – obwohl auch dieser gleichzeitig Schub entwickelt hat.

Seit die Stimmrechtsbeschränkung gefallen ist, ist die Bahn frei für die Aktionäre, sich nicht nur an Baloise zu beteiligen, sondern ihrem Kapitaleinsatz auch mit voller Stimmkraft Nachdruck zu verleihen.

Einfluss von Cevian wächst

Cevian ist dafür bekannt, sich zwar meist nicht öffentlich, hinter den Kulissen aber umso dezidierter für ihre Meinung einzusetzen. Dazu fokussiert der aktive Investor sein Portfolio gemäss eigenen Angaben auf zehn bis fünfzehn Positionen, wobei er die «optimale Investmentgrösse bei 500 Mio. bis 1,5 Mrd. € je Unternehmen» sieht.

Das derzeitige Engagement von Cevian bei Baloise liegt nach der Aufstockung der Position noch unter 400 Mio. €, was erwarten lässt, dass Cevian weiter zukaufen wird – und ihr Stimmengewicht damit weiter wächst. Eine mit dem Vorgehen des Aktivisten vertraute Quelle sagt, es würde ihn nicht überraschen, wenn auch die nächste Meldeschwelle von 10% noch gerissen würde.

Das Drehbuch

Exemplarisch zeigt sich die Handschrift von Cevian in der Schweiz bei ABB. Dort hat der Aktivist den Umbau in den letzten sieben Jahren massgeblich mitgeprägt. Seinen Einfluss geltend macht er auch bei UBS, in die Cevian Ende 2023 mehr als 1 Mrd. Fr. investiert hat. Immer schwingt bei den Engagements auch eine M&A-Optionalität mit, die sich bei ABB in der Neuausrichtung des Portfolios manifestiert und bei Panalpina letztlich zum Verkauf des gesamten Unternehmens geführt hat.

An erster Stelle stehen für Cevian jedoch immer operative Verbesserungen.

Operatives Potenzial von Baloise

Baloise gilt bei den Investoren als äusserst behäbig, wenig kostenbewusst und die Führung – durch die Vinkulierung über Jahre vor dem Einfluss der Aktionäre geschützt – als äusserst langsam, wenn es darum geht, Kurs zu halten oder das Steuer wieder herumzureissen, wenn es in die falsche Richtung geht. Jetzt liegt der Versicherer in Schieflage:

Die Rendite auf dem Eigenkapital ist bei Versicherern die zentrale Kenngrösse, die Investoren zur Bewertung der Aktien hinzuziehen – und ihre Entwicklung zeigt im Fall von Baloise seit Jahren nach unten.

Vor zehn Jahren hielt Baloise mit einer Eigenkapitalrendite von mehr als 10% noch eine Spitzenposition unter den Schweizer Versicherern. Seither hat sie an Rentabilität eingebüsst. Die Konkurrentin Helvetia hat sie in etwa gehalten und Zurich Insurance dank Grössenvorteilen an Kapitaleffizienz zugelegt.

Ein Grund dafür liegt in der Kapitalallokation: Das Prämienvolumen von Baloise verteilt sich in etwa hälftig auf die Schweiz und das Auslandgeschäft in Belgien, Deutschland und Luxemburg. Dennoch steuert das Schweizer Geschäft die grosse Mehrheit der Cash-Generierung an die Holding bei, aus der die Dividende alimentiert wird.

Was zu tun ist

Die Forderung, die sich daraus ergibt, lautet: Das marginale Deutschlandgeschäft abspalten, ebenso eine Lösung für das lokal zwar starke, aber verhältnismässig tiefmargige Belgiengeschäft suchen und den Fokus klar auf die Schweiz legen.

Meine Quellen sagen mir, dass genau dies das primäre Szenario sei, auf dem der Investitionsentscheid von Cevian basiere – auch wenn Baloise keine detaillierten Zahlen zur Effizienz und Profitabilität der einzelnen Geschäftsbereiche offenlegt.

Übernahme als Alternative

Sowohl ein Investmentbanker als auch Investoren von Baloise sehen im Markt aber durchaus auch Interesse für eine Gesamtübernahme von Baloise. Dieses Szenario steht seit mehr als einer Dekade im Raum. Realistisch war es angesichts der bis vor kurzem noch vorhandenen Stimmrechtsbeschränkung aber kaum.

Diese Haltung herrscht im Verwaltungsrat offensichtlich noch immer vor: Anfragen aus dem Markt bezüglich eines möglichen Verkaufs des Unternehmens würden von Baloise abschlägig beantwortet, berichtet eine Quelle aus eigener Erfahrung.

Gegenteiliges gilt auf der anderen Seite: Konkurrenten sind – wie schon seit Jahren – an einer Übernahme von Baloise interessiert. Dazu zählen gemäss dem Investmentbanker sowie mehreren weiteren Quellen: Generali, Axa, Allianz und Zurich Insurance. Auch eine Fusion mit Helvetia wäre denkbar, wobei ein Investor von Baloise diese Variante als für die Aktionäre wenig gewinnbringend beurteilt.

An vorderster Front für eine Übernahme werden Allianz und Zurich gehandelt. Erstere, weil ihr Fussabdruck im lukrativen Schweizer Versicherungsmarkt noch klein ist und sie das Deutschlandgeschäft einfach integrieren könnte.

Allerdings herrscht unter den Marktbeobachtern die Meinung vor, dass Zurich die Baloise nicht einem ausländischen Konkurrenten überlassen würde.

Aus einem Treffen von Zurich-CEO Mario Greco mit einer Handvoll Investoren von letzter Woche berichten zwei Quellen übereinstimmend, dass Greco auf die Frage, ob Zurich Interesse an einer Übernahme von Baloise habe, ohne zu zögern geantwortet habe: «Ja, absolut. Wenn Baloise zum Verkauf stünde, würden wir uns das anschauen, wir hätten im Schweizer Geschäft grosse Synergien.»

Zurich kommentierte die Aussage auf Anfrage nicht.

Cevian will Mehrwert schaffen

Im Fokus von Cevian steht allerdings nicht der schnelle Verkauf von Baloise an eine Konkurrentin: Der Aktivist spekuliere nicht auf eine Übernahmeprämie von 30%, sondern wolle das Unternehmen voranbringen, um später Kursgewinne von 50% oder mehr zu erreichen, ist aus seinem Umfeld zu hören.

In den Worten eines Sprechers von Cevian: «Wir schauen uns Baloise seit längerem an und haben investiert, da wir langfristiges Wertpotenzial im Unternehmen sehen. Wir sind überzeugt, dass Baloise in den nächsten Jahren ihre operative Leistung und Wettbewerbsposition verbessern kann.»

Dafür, wie schnell die Neukalibrierung des Geschäfts vorankommen kann, wird es am 12. September einen ersten Hinweis geben. Auf diesen Tag hat Baloise zum Investorentag geladen, an dem CEO Michael Müller nach gut einem Jahr im Amt anlässlich der Halbjahreszahlen eine neue Strategie vorstellen will.

Angesichts der in den letzten Jahren schlechten Aktienperformance von Baloise sowie dem nun möglichen Druck von Investorenseite sind sich Aktionäre des Versicherers einig: Ein normales Update wird nicht genügen, sondern es müsse neuer strategischer Freiraum geschaffen werden.

Gleichzeitig herrscht Skepsis, dass das gelingen wird und die Führung von Baloise die Zeichen der Zeit bereits erkannt hat. Ein Gesprächspartner erinnert daran, dass der Verwaltungsrat schon die Diskussion um die Abschaffung der Vinkulierung um ein Jahr habe nach hinten schieben wollen, obwohl der Antrag zur diesjährigen GV bereits eingereicht war.

Ein Sprecher von Baloise sagt mit Blick auf den Investorentag: «Wir führen wie geplant unseren Strategieprozess und werden am 12. September die Resultate präsentieren.»

Drei Investitionsgründe

Dank der Abschaffung der Stimmrechtsbeschränkung bringt die neue Ausgangslage bei Baloise für Investoren drei Gründe, an ihren Aktien festzuhalten oder die Position gar aufzustocken:

  • Erstens ist es hoch wahrscheinlich, dass Cevian ihre Beteiligung weiter ausbaut – allenfalls bis über die Marke von 10% hinaus. Das schafft Nachfrage nach den Titeln und sorgt für Kursdruck nach oben.
  • Zweitens bietet Baloise Potenzial, die Effizienz und Profitabilität zu steigern – und Cevian hat einen langjährigen Leistungsausweis, solche Transformationen nicht nur zu fordern, sondern im direkten Kontakt mit dem Management auch zu unterstützen.
  • Drittens steht die Führung von Baloise nach dem Fall der Vinkulierung neu nicht nur unter dem Druck der eigenen Aktionäre, sondern sie hat auch den Schutz vor einer Übernahme durch einen Konkurrenten verloren. Mit Allianz und Zurich stünden mindestens zwei potenzielle Käufer bereit, dem amtierenden Management die Transformationsarbeit abzunehmen, wenn es diese nicht innert nützlicher Frist selbst erledigt.

Zusammengefasst heisst das für die Führung von Baloise: Es ist Zeit, aufzuwachen.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Ruedi Keller

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