Donnerstag, Februar 13

Unser Nachtschwärmer findet diesmal hoch über dem Rheinknie einen Landeplatz – und an der Theke der Amber-Bar das Glück, lange vor dem ESC-Finale.

Manche unken, Basel habe den Anschluss verpasst. Roger Schawinski, nicht der Erfinder der Zürischnurre, aber ihr Inbegriff, giftelte kürzlich in dieser Zeitung: Die Rhein-Stadt hinke seiner Heimatstadt längst in allen relevanten Bereichen hinterher, mit Ausnahme der Art Basel.

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Allerdings leckt man in Zürich, dem Nabel der Schweiz, zurzeit Wunden: Das Eurovision-Song-Contest-Finale findet Mitte Mai in Basel statt, obwohl Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch Zürich bei ihrer Bewerbung als «perfect match» für diesen Grossanlass bezeichnet hat.

Nun, bei Lichte betrachtet – wozu auch ein Nachtfalter notfalls fähig ist –, schwingt Basel noch in einigen anderen Disziplinen obenaus. Wie relevant sie sind, ist Ansichtssache. Züri-Läckerli können den Basler Vorbildern, die der Falter jeweils bei Freunden nach deren altem Familienrezept aus dem Daig bäckt, weder das Wasser noch den Kirsch reichen. Im Vergleich zur Basler Fasnacht, die kurz bevorsteht, ist der Züri-Carneval ein Jekami-Gejohle, und die Basler Herbstmesse zieht der Nachtfalter der Knabenschiessen-Chilbi eindeutig vor.

Wie aber steht’s um das Nachtleben, das Hauptinteresse des Falters und wohl auch vieler ESC-Gäste? Da klagte kürzlich ein Basler Wirt abends sein Leid in seiner Beiz: Diese Stadt sei so verschlafen geworden seit der Corona-Zeit, die Leute sässen auf dem Sofa, zappten auf Netflix herum und bestellten sich eine Pizza. Ja, die Limmatstadt ist und bleibt die Ausgehstadt Nummer eins. Was Bars mit Grandezza betrifft, könnte jedoch Basel das Rheinknie, pardon, die Nase vorn haben.

In der europäischen Königsklasse spielt, anders als der örtliche FC, die Hotelbar des «Les Trois Rois». Wenige Schritte rheinabwärts setzt die charmante Klingental-Fähre zur anderen Flussseite über, dort wartet die prächtige Amber-Bar in der alten Militärkaserne. Deren Hauptgebäude, vor drei Jahren aufwendig umgebaut, beherbergt nun unter dem Namen «K-Haus» allerlei Angebote – vom Jahreskonzert des Posaunenchors Riehen bis zu regelmässigen «Deutsch-Lernbegegnungen für Menschen mit Fluchterfahrung», in denen hoffentlich eine alltagsnähere Sprache vermittelt wird als im Titel.

Die Eingangshalle mit kühn geschwungenem Treppenhaus wirkt an diesem Sonntagabend ausgestorben. Schauen alle in der Stadt «Tatort» auf ihren Sofas? Es hat eher damit zu tun, dass die seit Jahren gewälzten Pläne für ein Restaurant im Parterre durch einen lokalpolitischen Streit blockiert sind. Der Falter fühlt sich an seine Heimatstadt erinnert und nimmt mit müden Flügeln den Lift in den vierten Stock.

Dort wartet zuoberst im Südturm die vielleicht schönste Rooftop-Bar im Land, geöffnet täglich bis 23 Uhr. Der hohe Raum mit glanzvoll gemusterter Tapete ist mit Anleihen beim Art déco eingerichtet, die Roaring Twenties brüllen von fern, während an der Wand Schwäne und Pfauen schweigen, aufgereiht als gülden schimmernde Büsten. Die im Namen der Bar anklingende Farbe fliesst in Form des warmen Lichts ein. Ob der Falter sie deshalb so liebt, weil einige Urahnen aus dem Reich der Insekten über Jahrmillionen in Bernstein mumifiziert worden sind?

Hinter dem Lokal steckt die stadtbekannte Gastronomin Cécile Grieder mit ihrer Grenzwert GmbH, die auch als erste Anwärterin für die Pacht des geplanten Restaurants im Erdgeschoss gilt. Im Hintergrund perlt Britpop – an Wochenenden legen oft DJ auf, von Jazz bis Soul –, und das nette Team hinter der langen Messingtheke mixt ausgezeichnete Cocktails. Beim Yuzu Sour (Fr. 20.–) gefallen das dichte Schäumchen und der Mut, die Säure und das unvergleichliche Aroma dieser Zitrusfrucht nicht weichzuspülen. Die Gefährtin wählt von den zehn Negroni-Variationen die mit dem Zusatz «mediterranean» (Fr. 16.50), eine runde Sache mit Martinazzi Bitter aus dem Bernbiet und Portwein statt Gin.

Diese Bar ist ein stilvoller Kokon, wie ihn sich in kalten Nächten wohl nicht nur ein Falter wünscht, dessen Daseinsform in einem grauen Kokon begann. Wer seinen Drink aber in luftigerer Umgebung geniessen will, nimmt die paar Treppenstufen hinauf zur Dachterrasse, einer Art Burgzinne mit Blick auf Kleinbasel und Rhein, der die Limmat, nun ja, zum Rinnsal degradiert. Basel: 12 points!

Bar Amber
Kasernenhof 6, 4057 Basel
Telefon 061 681 73 55

Der Nachtfalter ist stets unangemeldet und anonym unterwegs und begleicht am Ende stets die Rechnung. Sein Fokus liegt auf Bars in Zürich, mit gelegentlichen Abstechern in andere Städte im In- und Ausland.

Die Sammlung aller NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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