Mittwoch, April 30

Eine Juso-nahe Kampagne will verhindern, dass der Kanton Basel-Stadt die Pharmaindustrie mit Subventionen für die Forschung bei Laune hält. Es geht um Hunderte Millionen Franken.

Wie empfindlich die Region Basel auf internationale Entwicklungen in der Steuer- und Wirtschaftspolitik reagiert, zeigte sich, als Donald Trump am 2. April weltweit gigantische Zölle ankündigte. In Basel atmete man zwar kurzfristig auf, als klarwurde, dass die Pharmaindustrie von den Plänen ausgenommen werden soll. Doch schon kurze Zeit später brachte der US-Präsident Zölle auf Pharmaprodukte doch wieder ins Spiel. Die Unsicherheit war zurück.

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Innert weniger Tage kündigten die beiden grossen Basler Konzerne Roche und Novartis Investitionen von über 70 Milliarden Franken in den USA an. Auch wenn dabei wohl bereits seit langem geplante Investitionen zu einem für die Trump-Administration wohlklingenden Paket zusammengefasst worden sein dürften: In Basel wächst die Sorge, im Standortwettbewerb als Folge der globalen Umwälzungen ins Hintertreffen zu geraten.

80 Prozent der Einnahmen aus den Unternehmenssteuern und 57 Prozent der kantonalen Wirtschaftsleistung sind im Kanton Basel-Stadt auf die grossen internationalen Unternehmen zurückzuführen. Ein grosser Teil der Arbeitsplätze ist von der Pharma abhängig. Wie viel die Politik daransetzt, Firmen wie Novartis und Roche mit allen Mitteln an Bord zu behalten, zeigt sich beim sogenannten Standortförderungsgesetz, über das die Baslerinnen und Basler im Mai an der Urne entscheiden. Die Abstimmung gilt im Kanton als eine der wichtigsten der letzten Jahre.

Bis zu 500 Millionen für Subventionen

Auf internationalen Druck musste die Schweiz nämlich von der OECD als unfair eingestufte Steuerprivilegien abschaffen und für internationale Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Franken eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent einführen. 2019 stimmten Volk und Stände der entsprechenden Vorlage zu. Durch die Mindeststeuer fliessen zwar mehr Mittel in die Kantonskassen, doch gleichzeitig droht die Schweiz als Wirtschaftsstandort an Attraktivität zu verlieren. Ganz besonders betroffen: Basel-Stadt.

Hier können Firmen, die unter die OECD-Regeln fallen, nicht mehr von der tiefen Gewinnsteuer in Höhe von 13 Prozent profitieren. Die mit der Mindeststeuer verbundenen Mehreinnahmen – die Rede war von jährlich rund 300 Millionen Franken – sollen nun in zwei Fonds fliessen, aus denen Förderbeiträge an die Unternehmen ausbezahlt werden. Der Regierungsrat soll im Falle einer Annahme der Vorlage jährlich und im Alleingang 150 bis 500 Millionen Franken in die beiden Fonds einzahlen, die dann in Form von Zuschüssen an die Firmen erstattet werden.

Zu 80 Prozent werden die Mittel in den Bereich Forschung und Innovation fliessen, wobei der Anwendungsbereich grosszügig ausgestaltet ist. So können Unternehmen mit Sitz in Basel Zuschüsse für Personalaufwendungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung beantragen – und zwar auch dann, wenn die Kosten ausserhalb des Kantons anfallen. Dasselbe gilt bei Forschungsanlagen, für die ebenfalls Beiträge ausbezahlt werden. Schliesslich werden nicht kommerzielle Forschungskooperationen im Bereich Life-Sciences unterstützt.

«Grosskonzerne tanzen nach der Pfeife Trumps»

Im Bereich Gesellschaft und Umwelt, für den 20 Prozent der Mittel vorgesehen sind, will sich der Kanton beispielsweise an der Finanzierung von Elternzeit oder an Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz beteiligen. Das Standortpaket unterscheidet sich damit nicht grundsätzlich von ähnlichen Programmen anderer Kantone: Auch diese setzen primär auf die Förderung von Innovation und Forschung, begleitet von Fördermassnahmen für andere, publikumsnähere Bereiche.

Solche gesellschafts- und umweltpolitischen Programme stehen für die betreffenden Firmen nicht unbedingt im Vordergrund. Doch sie sollen die politische Akzeptanz vor allem im linken Lager erhöhen, die Subventionen für Unternehmen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. In Basel-Stadt, wo fast die Hälfte des Parlamentes SP und Grünen angehört und wo die Stimmbevölkerung linken Vorlagen regelmässig zustimmt, ist es entscheidend, diese Balance zu halten.

Das Referendum gegen das Basler Standortpaket wurde von einem Juso-nahen Komitee ergriffen, das eine Kampagne mit viel kapitalismuskritischen Tönen anschlägt. Die Vorlage wirke, als sei sie aus einem Drehbuch von Trump und Musk abgeschrieben. «Die Grosskonzerne tanzen nach der Pfeife Trumps. Dass wir nun diese Firmen in Basel noch hofieren und ihnen die Elternzeit bezahlen, empfinde ich als Affront», sagte der Juso-Vizepräsident Joris Fricker in einem Interview mit der «BZ Basel».

Basler SP musste sich von Genossen beschimpfen lassen

Er glaube nicht, dass sich die Pharmaindustrie ohne das Paket von Basel abwenden würde, und sei der Ansicht, man dürfe sich nicht erpressen lassen. Roche und Novartis hätten in Basel viel Geld investiert und hätten schon deshalb kein Interesse an einer Verlagerung ins Ausland. Selbst wenn ein Scheitern der Vorlage kurzfristig wohl keinen sofortigen Wegzug zur Folge hätte, wäre eine solche Haltung für Basel allerdings ebenso naiv wie gefährlich: Standortattraktivität basiert auf einer Vielfalt von Vorteilen. Wie sensibel die Wirtschaft auf Veränderungen der Rahmenbedingungen reagiert, lässt sich derzeit fast täglich beobachten.

Die Baslerinnen und Basler sind sich dieser Gefahren durchaus bewusst. Selbst die SP ist hier der Pharmaindustrie äusserst freundlich gesinnt – so freundlich, dass sich ihre Exponentinnen wie die Ständerätin Eva Herzog dafür von den Genossen aus der Berner Parteizentrale auch schon als Pharma-Anhängsel beschimpfen lassen mussten. In diesem Abstimmungskampf sind es mit der Finanzministerin Tanja Soland und dem Wirtschaftsminister Kaspar Sutter wieder zwei SP-Köpfe, die sich an vorderster Front für die Standortförderung und damit für die Wirtschaft einsetzen.

Die Zeiten, in denen sich die Basler Linke und die Chemieriesen epische Grabenkämpfe lieferten, sind längst vorbei. Nach der Sandoz-Katastrophe von 1986, als ein Brand die Region in Angst und Schrecken versetzte, kühlte das Verhältnis zwischen Politik und Industrie für Jahre ab. So stark, dass die damalige Ciba-Geigy ein eigentlich in Basel geplantes Werk kurzerhand im benachbarten Elsass realisierte. Nach diesem Schock begannen sich bei den Sozialdemokraten die wirtschaftsfreundlichen Pragmatiker durchzusetzen, die den Dialog mit der chemischen Industrie suchten.

Viel Pomp und Trallala

Mit dieser Linie ist Basel seither äusserst gut gefahren. Der Kanton prosperiert, profitiert in Form eines attraktiven Stadt- und Kulturlebens und ist im Land zu einem der wenigen Geberkantonen im Rahmen des Finanzausgleiches aufgestiegen. Dieser Wohlstand ist in der Stadt fast täglich spürbar: Am gleichen Wochenende, an dem über das Standortpaket abgestimmt wird, findet in Basel mit viel Pomp und Trallala der ESC statt. Der Kanton hat den Grossevent unter anderem deshalb an Land gezogen, weil er, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Kredit von 37,5 Millionen Franken für die Durchführung bewilligen konnte.

Kaspar Sutter und Tanja Soland kämpfen deshalb mit voller Überzeugung für das Standortpaket, das diesen Zustand sichern soll. «Basel-Stadt ist ein attraktiver Standort, aber wir dürfen nicht zu selbstsicher sein. Alle Standorte wollen Life-Sciences fördern», sagt Sutter. Auch andere wichtige SP-Exponenten wie die Nationalrätin Sarah Wyss exponieren sich. Niemand rechnet deshalb damit, dass das Referendum gegen das Standortpaket eine ernsthafte Chance hat. Die seit Jahren wichtigste Abstimmung in Basel-Stadt ist nicht die spannendste: Sie steht vielmehr für die Stimmung in einer Region, die es sich mit dem Erfolg ihrer Wirtschaft längst gut eingerichtet hat.

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