Freitag, November 22

Trotz den überwiegenden Vorteilen von Elektroautos zögern viele Autofahrer, den Wechsel vom Verbrennungsmotor zu vollziehen. Doch das geht auch ohne Verlust von Fahrspass und Komfort.

Vor wenigen Tagen hat Volvo bekanntgegeben, das Ziel eines vollständig elektrischen Neuwagenangebots per 2030 vorerst auszusetzen. Auch andere Autobauer schieben ihre ursprünglichen Ziele zur Umstellung der Produktpalette auf Stromautos auf. Der Grund: Die meisten Autofahrer können sich schlichtweg nicht zum Kauf eines reinen Batteriewagens durchringen. Das gilt derzeit für viele Märkte in der Welt, insbesondere Deutschland. Doch warum harzt es plötzlich, nachdem der Hebel hin zum Stromauto umgelegt schien?

Die Antwort ist – oberflächlich gesehen – schnell gegeben. Wer ein Elektroauto kaufen wollte, hat dies in den vergangenen fünf Jahren bereits getan. Die Unentschlossenen greifen immer häufiger zur Zwischenlösung des Hybridautos, von denen es mittlerweile eine genügende Auswahl mit ausreichender E-Reichweite gibt. Wer dem reinen Elektroauto aber skeptisch gegenüberstand, traut der Technologie auch weiterhin nicht und wartet lieber mit dem Kauf eines neuen Autos zu – oder setzt wieder auf einen Neuwagen mit Benzin- oder Dieselantrieb.

Und hier liegt die Crux. Wieso gelingt es der Autoindustrie nicht, die unentschlossenen Kunden vom Umstieg aufs Batterieauto zu überzeugen? Gerade die Autohersteller sind ja daran interessiert, ihre Fahrzeuge so CO2-arm wie möglich zu gestalten, um nicht wegen überschrittener Grenzwerte Strafzahlungen leisten zu müssen. Es sind vor allem europäische Hersteller, die nun zurückrudern und ihre Umstiegsszenarien verschieben. Und dies, obwohl der Zähler, der die Kohlendioxidemissionen misst, unerbittlich vorwärtsschreitet.

Die Autoindustrie schreckt zurück

Genaugenommen findet in der Autoindustrie eine Überreaktion statt. Die Sorge, dass mit Elektroautos nicht genügend Neukunden gefunden werden können, um die Erfolgszahlen fortzuschreiben, verändert auf einmal die Strategien. Netto-Null-Ziele werden verschoben, die Hersteller investieren wieder neu in den Bau von Verbrennungsmotoren. Bei den Unentschlossenen und Skeptikern führen Argumente fürs Elektroauto ins Leere. Zu sehr sind sie emotional mit dem Auto als brummendem, vibrierendem und – mit Verlaub – auch stinkendem Symbol des lebendigen Seins verbunden.

Die Vernunft spricht gegen Benziner und Diesel, das dürfte sich mittlerweile trotz mannigfaltiger Desinformation der Ewiggestrigen herumgesprochen haben. Die rasche Alternative ist der Ersatz von Verbrennungsmotoren durch elektrischen Antrieb, sei es teilweise oder vollständig. Lokal entstehen keine Emissionen, und über den Lebenszyklus sind Stromer umweltfreundlicher als Verbrenner.

Anders sieht es bei der Emotionalität aus. Es brummt nicht, es vibriert nicht, es riecht nach nichts. Im herkömmlichen Auto mit Verbrennungsmotor, wo all dies gegeben ist, kommen Gefühle auf, die auch für viele nachvollziehbar sind. Wer Motorrad fährt, erlebt diese emotionale Welt noch unmittelbarer.

Doch sind Elektro-Fahrer im Umkehrschluss gefühllos, kalt, hemmungslos rational und langweilig? Das wäre zu kurz gedacht. Im Gegenteil: Wer heute schon E-Auto fährt, geniesst das enorme Beschleunigungsvermögen von Fahrzeugen, die – anders als Autos mit Verbrennungsmotor – aus dem Stand über die volle Antriebskraft verfügen. Der Elektroautopilot freut sich auf längeren Strecken über gelegentliche Kaffeepausen, bei denen auch das Auto die Standzeit nützt – zum Aufladen am Schnelllader. Es bleibt oft nicht genügend Zeit zum Lesen der E-Mails, weil sich die App bereits nach 20 Minuten mit einem Batterieladestand von 80 Prozent meldet. Und der Ladevorgang kostet dabei weniger als die Hälfte einer Benzinfüllung.

Wer Technologie liebt, erfährt ein ganz neues Fahrgefühl, denn das Elektroauto liefert ab. Überholen von Traktoren auf der Landstrasse? Mit dem Stromer so einfach wie mit einem deutlich leichteren – und teureren – Supersportwagen. Manche Unentschlossene, die einmal mit einem Elektroauto gefahren sind, denken darüber nach, die Schwelle vom bollernden V8 zum gleitenden Stromer zu überwinden. Das ist kaum anders als bei der ersten Fahrt auf einem E-Bike.

Dabei verändert sich die Beziehung zum Auto deutlich, denn es ergeben sich bei der Fahrt nicht weniger, sondern andere Emotionen als im Sprit-Fahrzeug. Als Bonus zum erhöhten Fahrvergnügen ergibt sich ein sozialer Effekt: Wer Elektroauto fährt, geht mit der Zeit und bejaht den Fortschritt. So muss sich Bertha Benz 1888 gefühlt haben, als sie eigenständig mit dem motorisierten Dreirad, dem Patent-Motorwagen Nr. 3, von Mannheim nach Pforzheim reiste und für die damals lange Strecke von 106 Kilometern die Pferde im Stall liess.

Doch für viele Skeptiker überwiegt die Angst vor dem Ärger mit dem neuartigen Stromauto gegenüber der Möglichkeit, zur Reduktion des CO2-Ausstosses einen Beitrag zu leisten. Was, wenn ich mit leerer Batterie stehenbleibe? Was, wenn ich nicht rechtzeitig eine Ladesäule finde? Was, wenn ich zu Hause keine Wallbox installieren kann?

Das sind valable Einwände. Doch es gibt für diese Sorge vor dem Scheitern im E-Auto beruhigende Antworten. Das Ladesäulennetz wird immer dichter, auch in Deutschland und der Schweiz. Gewiss, es gibt Nachholbedarf gegenüber etwa den Niederlanden und Norwegen, wo der Staat die E-Mobilität bezuschusst. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum Unentschlossene noch mit dem Kauf eines Elektroautos zuwarten.

Elektroautofahrer wollen zu Hause laden

Der zweite wichtige Hinderungsgrund ist die Zurückhaltung bei der Installation von Ladesäulen am eigenen Wohnort, insbesondere bei Mietwohnungen. Die Vermieter und Hausverwalter sehen noch keine Vorteile darin, ihre Liegenschaft durch ein Ladesäulensystem aufzuwerten. Die Stromversorger freuen sich an ihrem Oligopol, da Private keine freie Wahl des Energielieferanten haben. Sie stellen den Konsumenten Bedingungen bei Zuleitungen und Installationen. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich etwa bestehen auf der Installation von sogenannten Lastabwurfschaltungen. Damit behalten sie sich die Möglichkeit vor, die Ladesäule aus der Ferne stillzulegen, sollte das Netz instabil werden.

Ob solchem Protektionismus – auch hauseigene Photovoltaikanlagen sind ihnen oft ein Dorn im Auge – können sich ganz neue Emotionen entwickeln. Doch es gibt einen Ausweg. Anstatt mit dem Verbrenner zweimal pro Monat zur Tankstelle zu fahren, könnte man zu einer öffentlichen Ladestation fahren und die Wartezeit zum Beispiel mit einer Mittagspause verbinden. Dann geht es auch ohne heimische Wallbox.

Wer ein Elektroauto kauft, möchte dieses gerne zu Hause aufladen können, am besten über Nacht zum Niedertarif. Doch von diesem fast zwanghaften Denken kann man sich befreien. Schliesslich laden wir unsere Smartphones auch nicht nur an der Steckdose in den eigenen vier Wänden auf.

Gegen eines der Argumente der Skeptiker gegenüber Elektroautos ist allerdings kaum ein Kraut gewachsen. Wer jeden Tag lange Strecken auf der Autobahn zurücklegen muss, sei es beruflich oder aus familiären Gründen, hat noch auf längere Zeit kaum eine effiziente Alternative zum Dieselfahrzeug. Ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor wäre daher ein Fehler.

Ob Benzin-, Diesel-, Hybrid-, Wasserstoff- oder Batterieauto – man sollte nicht in einen Glaubenskrieg verfallen. Der würde nur an den alten Zwist zwischen den Computersystemen Apple und Windows erinnern. Ein pragmatisches Nebeneinander wäre gesünder für die Auseinandersetzung mit Technologie als die Aufteilung in verschiedene Lager.

Denn zur Senkung der CO2-Belastung sind Verbrennungsmotoren keine Alternative, egal ob zu Land, zu Wasser oder in der Luft. Die weitgehende Umstellung aufs elektrische Fahren wird kommen. Je schneller, desto besser für die Umwelt.

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