Northvolt kann seine finanzielle Krise in seiner schwedischen Heimat nicht meistern. Das ist ein herber Rückschlag für die europäische Automobilbranche. Was wird aus der Fabrik in Schleswig-Holstein?
5,3 Milliarden Franken. So hoch ist der Schuldenberg, den der schwedische Batteriehersteller Northvolt angehäuft hat. Dabei wollte das Unternehmen einst die ganze europäische Autoindustrie mit sauberen, grünen Batterien versorgen. Nach monatelangen Rettungsversuchen reichte Northvolt am Mittwochmorgen beim Stockholmer Bezirksgericht schliesslich ein Konkursgesuch ein.
Töchter in Deutschland und den USA nicht betroffen
Bereits im November hatte Northvolt um Gläubigerschutz unter Chapter 11 des amerikanischen Konkursgesetzes nachgesucht, um sich eine Verschnaufpause zu verschaffen. Die Suche nach genügend neuem Kapital blieb jedoch erfolglos; dank einem Kredit des Lastenwagenkonzerns Scania über 1,1 Milliarden Kronen (96 Millionen Franken) und weiteren 1,5 Milliarden (131 Millionen Franken) eines unbekannten Investors konnte Northvolt den laufenden Betrieb finanzieren, mehr aber nicht.
Als am Mittwoch die monatliche Steuerzahlung fällig wurde, reichte die Liquidität nicht mehr. Daher musste die Firma «schweren Herzens» Konkurs beantragen, wie Tom Johnstone, Verwaltungsratspräsident ad interim, an einer Medienkonferenz sagte.
Die Insolvenz umfasst die Muttergesellschaft Northvolt AB sowie vier schwedische Tochtergesellschaften mit insgesamt 5000 Beschäftigten in Skelleftea, Västeras und Stockholm. Zum Vergleich: Als Saab Automobile im Jahr 2011 in Konkurs ging – der bisher grösste Konkurs in Schwedens Wirtschaftsgeschichte –, verloren rund 3400 Personen ihre Stelle.
Nicht vom Konkurs betroffen sind die eigenständigen Töchter in den USA und in Deutschland. Während in Schweden am Mittwoch ein Konkursverwalter die Abwicklung des Unternehmens eingeleitet hat, soll der Bau der Batteriefabrik Northvolt Drei im schleswig-holsteinischen Heide wie geplant weitergehen, wie die Tochtergesellschaft am Mittwoch meldete. Die Zukunft der Fabrik ist dennoch unsicher.
Ein Jahr nach Baustart ist von dem riesigen Werk, das ab 2027 mit 3000 Beschäftigten jährlich Batteriezellen für bis zu eine Million Elektroautos hätte produzieren sollen, noch kaum etwas zu sehen. Schleswig-Holstein kommt das Projekt teuer zu stehen: Im Rahmen des Chapter-11-Verfahrens musste das Bundesland jüngst 300 Millionen Euro für eine ausgefallene Bürgschaft bezahlen. Der deutsche Staat hat Northvolt bisher mit fast einer Milliarde Euro subventioniert.
Untergang statt Börsengang
Northvolt war das Flaggschiff der schwedischen grünen Industrierevolution und die grosse Hoffnung der europäischen Autohersteller auf ihrem Weg, unabhängiger von den asiatischen Batterieproduzenten zu werden. 2024 sollte als Meilenstein in die erst siebenjährige Firmengeschichte eingehen: Die gigantische Fabrik in Skelleftea hätte ab vorigem Herbst mit voller Kapazität grüne Batterien produzieren sollen. Peter Carlsson, Mitgründer und ehemaliger Konzernchef, hatte 2024 den Börsengang von Northvolt geplant. Doch es kam anders.
Dabei begann zunächst alles gut. Der frühere Tesla-Manager Carlsson hatte mit seinem Batterienprojekt einen grünen Hype ausgelöst, überzeugte scharenweise Investoren und gewann lange vor dem Spatenstich diverse Autobauer als Kunden. Dass die junge Firma keine Erfahrung im Bau und Betrieb von Fabriken hatte, in denen Tausende Beschäftigte ein völlig neues, komplexes Produkt herstellen sollten, ging vergessen. Northvolt beschränkte sich zudem nicht bloss auf Schweden. Noch bevor die Produktion im Heimatland lief, baute man Fabriken in Deutschland, Polen und Kanada.
Komplexität unterschätzt
Die Euphorie wich bald der Ernüchterung. In Skelleftea mehrten sich Klagen über Sicherheitsmängel, technische Probleme, Unterbrechungen in der Lieferkette und über ein schwaches Management. Vier mysteriöse Todesfälle sollen nach Untersuchungen der Polizei nicht, wie vermutet, mit der Arbeit bei Northvolt zusammenhängen, sondern natürliche Ursachen haben. Zu den internen Problemen gesellten sich steigende Kapitalkosten, die schwächelnde Nachfrage nach Elektroautos, billigere Konkurrenz aus China und den USA sowie geopolitische Instabilität.
Statt die versprochenen 3500 Batterien pro Minute auszuspucken, erreichte die Fabrik nur rund fünf Prozent ihrer Kapazität. Zeit und Geld wurde knapp, Investoren verloren das Interesse, und Grosskunden wie BMW bestellten nicht mehr. Northvolt reagierte im September mit einer Entlassungsrunde, die 1500 Personen in Nordschweden betraf. Böse Zungen tauften die hochgejubelte Firma in «Nollvolt» (Null-Volt) um.
Als der Konzernchef Peter Carlsson im November den Hut nahm, gestand er, «die Komplexität einer solch grossen Fabrik unterschätzt» zu haben. Northvolt, so seine reichlich späte Einsicht, hätte bereits 2022 die Notbremse ziehen sollen.
Nach Monaten des Bangens ist der Konkurs keine Überraschung, aber gleichwohl ein harter Schlag für Skelleftea, dessen ganze Zukunftshoffnung auf der Batteriefabrik lag. Die Stadt wies noch bis vor kurzem den grössten Bevölkerungszuwachs im ganzen Land auf. Besonders hart ist das Aus von Northvolt für rund 1500 aussereuropäische Arbeitskräfte, die sich im hohen schwedischen Norden eine neue Existenz aufgebaut haben. Finden sie innerhalb von drei Monaten keine neue Stelle, droht ihnen die Ausweisung aus Schweden.