Donnerstag, Dezember 26

Viele Europäer sympathisieren mit den Bauern, wenn diese «faire Preise» fordern – und greifen im Supermarkt trotzdem zum günstigen Produkt. Es gibt in einer Marktwirtschaft eben keine Garantie, dass man stets «ein angemessenes Einkommen» erzielt.

«Faire Preise» verlangen die Bauern von Italien über Spanien und Frankreich bis nach Deutschland – und auch in der Schweiz drohen die Landwirte mit Protestaktionen. In Italien geniesst die Forderung laut einer Umfrage 80 Prozent Unterstützung. Die grosse Zustimmung hat zwei Gründe. Zum einen kostet ein solches Bekenntnis nichts. Zum anderen haben die Bauern immer noch ein Image als sympathische Unternehmer.

Wenn allerdings von «fairen» oder «besseren» Preisen die Rede ist, sollte man hellhörig werden. Was jemand als fair ansieht, liegt im Auge des Betrachters. Mit fairen Preisen versuchen Interessengruppen meist die Marktpreise auszuschalten. Der Ruf nach dem Staat ist dann nicht weit.

Schnäppchenjagd ist nicht unfair

Ein fairer Preis, so die Bauern, soll mindestens die Kosten decken und darüber hinaus einen fairen Gewinn ermöglichen. Das klingt zunächst vernünftig. Denkt man dies aber zu Ende, führt dies zu einer Wirtschaft, die vollständig erstarrt. Nehmen wir die Hersteller von Faxgeräten oder Plattenspielern: Sie würden heute noch existieren und hätten nicht befürchten müssen, durch Erfindungen wie Smartphone oder Bluetooth aus dem Markt gedrängt zu werden.

Dem ist zum Glück nicht so: Wer ein Produkt herstellt, für das sich die Konsumenten nicht erwärmen können, muss aus dem Markt ausscheiden. Dadurch werden Arbeit und Kapital frei und können dort eingesetzt werden, wo es der Gesellschaft mehr bringt.

Wenn Konsumenten nach einer günstigen Wohnung, einem preiswerten Bildschirm oder Smartphone Ausschau halten, würde niemandem in den Sinn kommen, dieses Verhalten gegenüber den Anbietern als «unfair» zu bezeichnen. Die Konsequenz ist aber stets, dass man gewisse Firmen berücksichtigt und andere nicht, die teurer verkaufen.

Wenn also die Bauern von fairen Preisen sprechen, müssen sie etwas im Kopf haben, das sie im freiwilligen Austausch mit Molkereien, Detailhändlern und letztlich den Konsumenten nicht erreichen können.

Symptomatisch steht dafür die Initiative «Faire Märkte Schweiz», die sich für kleinere und mittlere Betriebe einsetzt. Sie schreibt: «Den Produzentinnen und Produzenten ist die generierte Wertschöpfung aufwandgerecht und mit Preisen zu entschädigen, die – zusammen mit den staatlichen Beihilfen – ein existenzsicherndes und nachhaltiges Wirtschaften mit einem angemessenen Einkommen ermöglichen.»

Letztlich werden also Sicherheiten für eine bereits stark geschützte Branche gefordert, die sonst kein Wirtschaftszweig geniesst. Erst recht, wenn man bedenkt, dass die Preise für landwirtschaftliche Produkte in der Schweiz 60 Prozent teurer sind als in den Nachbarländern. Das empfinden schon heute viele Schweizer und Schweizerinnen als «unfair» und fahren deshalb über die Grenze, wo sie für geschätzte 8 Milliarden Franken pro Jahr einkaufen.

Weshalb sollte es bei handelbaren Produkten, zu denen auch die landwirtschaftlichen Güter zählen, ein Recht auf einen Preisaufschlag geben? Fiele er bei anderen Produkten ebenso hoch aus, würden die Konsumenten auf die Barrikaden steigen.

Keine Einkommensgarantie

Gewiss sollen Bauern für zusätzliche Leistungen wie bei Bio-Produkten einen Aufpreis verlangen können – sofern die Konsumenten bereit sind, dies auch zu honorieren. Immerhin beträgt der Marktanteil von Bioprodukten in der Schweiz 11 Prozent. Doch ob «bio» oder konventionell: Es gibt in einer Marktwirtschaft gerade keine Garantie, dass man stets «ein angemessenes Einkommen» erzielt.

Für Produzenten ist ein fairer Preis ein hoher Preis, für Konsumenten ist ein fairer Preis dagegen ein niedriger Preis, zumindest wenn man ihr Verhalten und nicht die Umfragen zum Massstab nimmt. Dieser Interessengegensatz wird in einer Marktwirtschaft durch den Wettbewerb gelöst.

In der Industrie käme niemand auf die Idee, angesichts des starken Frankens von den Abnehmern im Ausland einen «fairen» Preis zu verlangen, der über dem Marktpreis liegt. In der Landwirtschaft verfangen Forderungen nach fairen Preisen wohl nur deshalb, weil der Markt durch Subventionen, hohe Grenzbarrieren und Vorschriften seit Jahrzehnten ausgehebelt wird.

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