Mittwoch, März 12


The Market Momentum Screen

Die Infrastrukturpläne der deutschen Politik schieben die Aktienmärkte an. Für Trendfolger ist das eine gute Nachricht: Die Titel der Baubranche besitzen nicht nur Kursmomentum, sie sind auch günstig bewertet. Ihr Aufwärtstrend könnte sich eine Weile fortsetzen.

Die Gewinner und die Verlierer an den europäischen Aktienmärkten könnten dieser Tage kaum klarer sein. Denn das geplante deutsche Infrastrukturpaket und Ausnahmen für Verteidigungspolitik in der Schuldenbremse werfen ihre Schatten voraus. 500 Mrd. € sollen in Form von Sondervermögen in den nächsten zehn Jahren in die veraltete Infrastruktur von Europas grösster Volkswirtschaft fliessen. Zusätzliche bis zu 800 Mrd. €, davon 150 Mrd. in Form gemeinsam ausgegebener Anleihen, wollen die 27 Staaten der Europäischen Union (EU) für die Verteidigung mobilisieren.

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Dementsprechend sind Baukonzerne und Industrieunternehmen sowie wieder einmal Rüstungswerte gefragt. Aber auch Banken reüssieren weiter, während Immobilienkonzerne deutlich an Wert eingebüsst haben. Das verdeutlichen die Bewegungen im Momentum Screen. In den Tabellen sind Aktien nach ihrer relativen Stärke sortiert.

Die Idee des Momentum Screens

In den Tabellen des Momentum Screens sind Aktien bekannter Indizes nach relativer Stärke sortiert. Je stärker das Kursmomentum, sprich je nachhaltiger der Aufwärtstrend, desto weiter oben sind sie zu finden. Ein solcher Trend setzt sich häufig fort («The Trend is your friend»). Messen lässt er sich anhand der relativen Stärke nach Levy (RSL). Die Kennzahl setzt den aktuellen Aktienkurs ins Verhältnis zum Durchschnittskurs der vergangenen 26 Wochen (multipliziert mit 100). Aktien, deren Kurs deutlich über dem Mittelwert liegt, haben Momentum. Gute RSL-Werte beginnen bei über 105 bis 110 (5 oder 10% über dem Durchschnittskurs) oder liegen über dem Mittelwert für den Gesamtmarkt. Um das Risiko der Methode abzufedern, sollten die Aktien zudem fundamental attraktiv bewertet sein, weshalb sich auch entsprechende Kennzahlen wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in den Tabellen wiederfinden. Der Momentum Screen kombiniert so Trendfolge mit Value-Investing.

Sicher sind die künftigen Staatsausgaben noch nicht. Für die Pläne der designierten Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ist eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, die im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erfordert. Und die Grünen wollen dem Paket (vorerst) nicht zustimmen. Das Vorhaben könnte noch im alten Bundestag, aber auch später im Bundesrat oder an einem Votum des Bundesverfassungsgerichts scheitern. Die Ziele der EU scheinen da schon bestimmter. Ob die Summe wirklich zusammenkommt und ausreicht, ist jedoch umstritten. Gemeinsame europäische Schulden lehnen sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch Noch-Kanzler Olaf Scholz bislang ab. Klar ist, die Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung sind dringend notwendig. Das erklärt auch, warum die Börse relativ gelassen auf den jüngsten Gegenwind durch die Grünen reagiert hat.

Ein Blick auf die vierzig von The Market beobachteten Aktienindizes zeigt zwei grosse Veränderungen gegenüber dem vorherigen Momentum Screen. Erstens: Die deutschen Nebenwerte-Barometer MDax und SDax haben deutlich an Schwung gewonnen. In ihnen sind viele Profiteure eines möglichen Konjunkturprogramms vereint. Zweitens: Auch der österreichische Leitindex ATX hat kräftig zugelegt und ist nun sogar auf den zweiten Rang vorgeschossen.

Im ATX ist mit Wienerberger 📈 unter anderem der weltgrösste Ziegelhersteller vertreten. Die gut laufenden Aktien sind günstig bewertet, das Unternehmen arbeitete zuletzt aber nicht sonderlich profitabel. Andere Bauwerte wie Strabag – das Unternehmen macht fast 50% seines Umsatzes in Deutschland – und Porr oder auch Kranhersteller Palfinger, deren Kurse ebenfalls angezogen haben, sind nicht im zwanzig Titel umfassenden Index enthalten. Diesen dominieren Schwergewichte aus der Finanzbranche wie Erste Group 📈 (Indexanteil: 19%), Bawag 📈 (14%) und Raiffeisen Bank 📈 (6%). Der Stahlhersteller Voestalpine 📈 machte im Ranking jüngst ebenfalls einen grossen Satz nach oben. Er wird unter Buchwert gehandelt, ebenso Österreichs zweitgrösstes Kreditinstitut Raiffeisen Bank, das auch in Russland aktiv ist.

Im Dax ist weiterhin der Rüstungskonzern Rheinmetall 📈 Spitzenreiter, vor der von Unicredit umworbenen Commerzbank 📈 und dem Zementhersteller Heidelberg Materials 📈. Knapp dahinter folgt mit der Deutschen Bank 📈 ein weiteres Kreditinstitut.

Die Valoren von Rheinmetall sind kein Schnäppchen mehr, aber weiterhin attraktive Titel, um in die Aufrüstung Europas zu investieren. Heidelberg Materials könnte nicht nur von einem Bauboom profitieren, sondern auch von seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Die Aktien sind im Vergleich zur Peer Group mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des für 2025 geschätzten Gewinns von 13 günstig bewertet. Wettbewerber Holcim kommt auf ein KGV von 16. Commerzbank wehrt sich gegen eine Übernahme, was den Kurs beflügelt.

Unter die Räder sind die Aktien des Immobilienkonzerns Vonovia 📈 gekommen, sie sind nun Schlusslicht im Dax. Mit einem Blick in die zweite Reihe sind sie damit in bester Gesellschaft. Im MDax rangieren Deutsche Wohnen 📈, Aroundtown 📈, LEG Immobilien 📈 und TAG Immobilien 📈 ebenfalls im Tabellenkeller. Die Titel, egal ob Wohn- oder Gewerbeimmobilien, sind durch die steigenden Zinsen am langen Ende der Zinsstrukturkurve unter Druck geraten. Sie machen die Schuldenaufnahme und Refinanzierung teuer und schlagen auch auf die Immobilienbewertung durch.

So stieg die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen zeitweise auf 2,9%. Vor der Ankündigung des geplanten Sondervermögens hatte sie noch unter 2,5% gelegen. Das Plus von 30 Basispunkten am vergangenen Mittwoch war der grösste Sprung seit 1990. Grund dafür ist die zu erwartende steigende Staatsverschuldung, sollte Merz das milliardenschwere Fiskalpaket durchsetzen können. So muss der Bund in den nächsten Jahren in grossen Umfang neue Anleihen ausgeben und eine höhere Risikoprämie bieten, damit ihm diese unter den neuen Voraussetzungen auch abgenommen werden. Zwar hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins gerade wie erwartet um 25 Basispunkte auf 2,5% gesenkt, doch das wirkt wiederum eher am kurzen Ende. Zudem werden die Stimmen nach einer Pause im Zinssenkungszyklus lauter.

Des einen Leid, des anderen Freud. Banken profitieren hingegen von einer möglichen Konjunkturbelebung und damit einhergehend von einer steigenden Kreditnachfrage sowie von höheren Zinsen und einer steileren Kurve im klassischen Einlagengeschäft. Denn so werden die Margen im Kreditvergabegeschäft grösser.

Im MDax konnten der Rüstungselektronik-Spezialist Hensoldt 📈 und Thyssenkrupp 📈 mit der U-Boot- und Marineschiff-Sparte Marine Systems deutlich zulegen. Aber auch die Kurse der Baukonzerne Bilfinger 📈 und Hochtief 📈 sowie die Intralogistiker Kion 📈 und Jungheinrich 📈 kletterten in die Höhe. Sie würden von einer Konjunkturerholung besonders profitieren. Bilfinger ist mit einem KGV für 2025 von 13 dem Wettbewerber Hochtief vorzuziehen. Kion hat mehr Kurspotenzial als Jungheinrich.

Im SDax entwickelt sich der Panzergetriebehersteller Renk 📈 so gut, dass er am 24. März in den MDax aufrückt. The Market sieht den Titel jedoch kritisch, weil das Unternehmen zunehmend dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Ebenfalls in die zweite Liga aufsteigen wird die Deutsche-Bank-Tochter und Fondsgesellschaft DWS 📈, die eine attraktive Dividende bietet, und der Onlinebroker Flatexdegrio 📈.

Im Swiss Leader Index (SLI) haben – der deutschen Bau-Bonanza sei dank – vor allem Holcim 📈 und Geberit 📈 besonders stark an Momentum hinzugewonnen.

Beim Baustoffkonzern Holcim ist zudem die Abspaltung der US-Aktivitäten unter dem Namen «Amrize» auf der Zielgeraden. Das Spin-off soll sowohl an der New York Stock Exchange (NYSE) als auch an der Schweizer Börse SIX kotiert werden – voraussichtlich im Juni. The Market rechnet für die kommenden Quartale mit einem positiven Überraschungspotenzial und rät daher zum Kauf der Holcim-Valoren. Der Sanitärspezialist Geberit, der etwa ein Drittel seines Geschäfts in Deutschland macht, konnte dort zuletzt trotz schwierigem Umfeld sowohl seinen Umsatz als auch seinen Marktanteil steigern. Das ist ein gutes Vorzeichen, diesen Trend fortzuschreiben.


Über diesen Link gelangen Sie zum Dokument mit sämtlichen Tabellen.

Haben Sie Anregungen zum Momentum Screen? Vermissen Sie eine Tabelle? Dann schreiben Sie uns: ulrich.hanke@themarket.ch.

Der Autor hält Aktien von Commerzbank, DWS und Rheinmetall.

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