Mittwoch, Oktober 9

Der deutsche Pharma- und Agrochemiekonzern Bayer streicht weltweit Tausende von Stellen. Nun trifft es auch den Standort Basel hart. Bayer ist längst nicht der einzige Medikamentenhersteller mit Abbauplänen.

Bayer wird vor allem mit Leverkusen in Verbindung gebracht. Dort befindet sich der Hauptsitz des deutschen Pharma- und Agrochemiekonzerns. Ende 2023 beschäftigte das Unternehmen in der Stadt am Niederrhein noch über 6000 von weltweit knapp 100 000 Mitarbeitenden.

Auch ist Leverkusen die Heimat des Fussballklubs Bayer Leverkusen, der sich in der vergangenen Saison überraschend den Titel in der Bundesliga geholt hat. An den Heimspielen des Vereins zeigen sich Topmanager des Konzerns denn auch gerne mit Gästen. Dies tut in Zeiten, in denen die Geschäfte von Bayer alles andere als zufriedenstellend laufen und in der gesamten Belegschaft grosse Verunsicherung herrscht, besonders gut. Der Konzern hatte bereits Anfang März angekündigt, dank einer Verschlankung der Organisation ab 2026 jährliche Einsparungen von 2 Milliarden Euro anzustreben.

Die Division Consumer Health ist in Basel zu Hause

Doch Bayer ist nicht nur in Leverkusen zu Hause, sondern zu einem guten Teil auch weiter rheinaufwärts, in Basel. In der Basler Zentrale unweit des Bahnhofs SBB befindet sich seit Jahren der globale Hauptsitz einer der drei Geschäftssparten, des Bereichs Consumer Health.

Die Division ist auf die Vermarktung von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten spezialisiert. Zudem steuert Bayer von dort drei Segmente des Pharmageschäfts: Krebsmedikamente sowie Therapien gegen Augenleiden und gynäkologische Erkrankungen. Weiter ist die Europazentrale des Agrochemie- und Saatgutgeschäfts in Basel ansässig.

Auch in den Basler Büros, in denen zurzeit – auf Vollzeitbasis gerechnet – noch rund 1000 Personen beschäftigt werden, ist die Stimmung gedrückt. Wie Recherchen der NZZ ergaben, informierte das Management von Bayer am 25. Juni die Basler Belegschaft über eine mögliche Massenentlassung und leitete ein Konsultationsverfahren mit Arbeitnehmervertretern ein. Am 16. Juli wurde das – gesetzlich vorgeschriebene – Verfahren abgeschlossen. Trotz erheblichen Bemühungen und einer gründlichen Auswertung des Feedbacks der Mitarbeitenden, so schreibt der Konzern, sei es nicht gelungen, alternative Lösungen zu finden.

Damit kommt es auch in Basel zu einem umfangreichen Stellenabbau, nachdem konzernweit bei Bayer zwischen dem 30. Juni 2023 und Mitte dieses Jahres bereits fast 5500 Arbeitsplätze gestrichen worden sind. Laut Unternehmen sind rund 150 Stellen von der Restrukturierung in den Basler Büros betroffen – vorwiegend aus der Division Consumer Health, aber auch «eine kleinere Anzahl Mitarbeitende» der Pharmadivision. Alle Kündigungen sollten bis Januar 2025 abgeschlossen sein.

Branchenüblicher Sozialplan

Den Betroffenen bietet Bayer laut eigenen Angaben einen umfassenden Sozialplan an. Darin eingeschlossen sind Leistungen von externen Beratern, damit Mitarbeitende nach ihrer Kündigung eine Standortbestimmung vornehmen und sich gezielt auf die Suche nach einer neuen Stelle machen können (Outplacement). Für ältere Betroffene bietet Bayer Möglichkeiten zur Frühpensionierung. Auch Abgangsentschädigungen sollen entrichtet werden.

Die abfedernden Instrumente entsprechen weitgehend dem, was Pharmaunternehmen in der Schweiz Betroffenen von Massenentlassungen offerieren. Die Branche gilt als eher grosszügig beim Aufsetzen von Sozialplänen.

Allerdings fällt der Stellenabbau bei Bayer in eine Zeit, in der branchenweit viele Restrukturierungen am Laufen sind. So haben in den vergangenen Monaten unter anderem auch die beiden US-Pharmakonzerne Pfizer und Bristol-Myers Squibb sowie der grösste japanische Medikamentenhersteller, Takeda, bekanntgegeben, weltweit jährliche Kosten in Milliardenhöhe einsparen zu wollen. In der Zentrale von Takeda in Zürich werden 120 Stellen gestrichen. Damit muss jeder zehnte Beschäftigte dort gehen. Auch Roche und Novartis haben Abbauprogramme gestartet, die sich ebenfalls auf die Belegschaft in der Schweiz auswirken.

Wachsender Kostendruck im gesamten Pharmasektor

Wie in fast allen Firmenzentralen der Pharmabranche ist auch bei Bayer in Basel die Belegschaft stark international zusammengesetzt. Sie umfasst über sechzig Nationalitäten.

Manche der Entlassenen, die bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle in der Region nicht fündig werden, dürften wohl in ihre Heimatländer zurückkehren. Diese Erwartung hatte vorletztes Jahr bereits Novartis bei der Ankündigung des Abbaus von 1400 Stellen in der Schweiz geäussert. Allerdings präsentierten sich die Perspektiven in der Pharmabranche damals noch deutlich besser, so dass wohl viele Betroffene eine Anschlusslösung in der Schweiz fanden.

Mittlerweile kämpfen Medikamentenhersteller mit deutlich gestiegenen Kosten. Dazu gesellt sich wachsender Preisdruck. Selbst in den USA, wo es anders als in Europa bis anhin keine staatlich administrierten Medikamentenpreise gab, zwingt die Regierung die Branche neu zu deutlichen Preissenkungen.

Bei Bayer kommt erschwerend hinzu, dass es dem Konzern am Nachschub umsatzträchtiger neuer Medikamente fehlt. Ein weiterer Belastungsfaktor ist die hohe Nettoverschuldung. Sie betrug Ende 2023 und damit gut fünf Jahre nach der Akquisition des US-Konkurrenten Monsanto noch immer fast 35 Milliarden Euro.

Aus dieser Grossübernahme im Agrochemie- und Saatgutgeschäft sind Bayer bis heute auch milliardenschwere Schadenersatzforderungen in den USA geblieben. Sie betreffen vorab das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, dem Kläger immer wieder eine krebsauslösende Wirkung unterstellen. All diese Belastungen lassen Bayer keine andere Wahl, als den Gürtel enger zu schnallen.

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