Mittwoch, Januar 15

Die gelbe Bank findet nach langer Suche doch noch einen neuen Chef. Die Suche zog sich derart in die Länge, weil in Bundesbern niemand weiss, was man mit der Postfinance anstellen will.

Endlich: Die Postfinance hat am Mittwoch ihren neuen Chef vorgestellt. Er heisst Beat Röthlisberger und ist derzeit stellvertretender CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Röthlisberger wird seinen neuen Job am 1. Juli antreten. Da der gegenwärtige Bankchef Hansruedi Köng per Ende Februar zurücktritt, wird von März bis Juni der Finanzchef Kurt Fuchs die Postfinance interimistisch führen.

Von Liestal nach Bern

Somit hat kein bekannter Name aus einer Grossbank das Rennen gemacht, sondern ein solider Regionalbanker. Der 52-jährige Röthlisberger hat zwar einen grossen Teil seiner Laufbahn bei Grossbanken verbracht, blieb dabei aber stets der Region Basel treu.

Er startete seine Karriere 1992 in Basel, beim Schweizerischen Bankverein, der sechs Jahre später in der UBS aufging. Bei der UBS Basel wurde Röthlisberger stellvertretender Regionenleiter im Geschäft mit Unternehmenskunden. Vor sechseinhalb Jahren stiess er als Firmenkundenchef zur BLKB, seit 2021 ist er dort zudem stellvertretender Bankchef.

Wegbegleiter attestieren ihm, eine integrative Persönlichkeit und ein guter Kommunikator zu sein. Röthlisberger war sogar als Podcaster aktiv: Im Rahmen der Initiative «100 fürs Baselbiet» sprach er mit Startup-Gründern aus der Region über Fragen der Unternehmenspraxis.

Als Mitglied der BLKB-Geschäftsleitung dürfte er zudem gelernt haben, wie Politiker ticken und wie man mit ihnen umgehen muss. Dieses Wissen wird er als Postfinance-Chef nun auf Bundesebene anwenden können.

Im Baselbiet hatte Röthlisberger operativ wenig mit der Digitalbank Radicant zu tun, die der BLKB gehört. Aber er hat vor Jahresfrist wohl aus der Nähe verfolgen können, wie der damalige Radicant-CEO, Anders Bally, die Kantonspolitiker gegen sich aufbrachte, als er sich in einer Mail abschätzig über sie äusserte. Bally musste Radicant deswegen im Februar 2023 verlassen.

Dass Röthlisberger ausserhalb des Grossraums Basel wenig bekannt ist, muss nicht viel heissen. Auch Hansruedi Köng – der sich über elf Jahre an der Spitze der Bank zum «Mister Postfinance» entwickelt hat – kannten viele nicht, als er 2007 Finanzchef und fünf Jahre später CEO der Postfinance wurde.

Grosse Verwirrung in Bern

Die Erleichterung bei der gelben Bank, überhaupt einen neuen Chef vorweisen zu können, dürfte gross sein. Hansruedi Köng hatte seinen Rücktritt nämlich bereits vor elf Monaten angekündigt. Die Suche nach seiner Nachfolge verlief jedoch sehr harzig: Im Herbst 2023 tauchten mehrfach Gerüchte auf, dass die Suche vor dem Abschluss stehe. Doch entweder sagten die Topkandidatinnen ab – eine weibliche Postfinance-CEO hätte man in Bern gerne gesehen –, oder sie liessen sich gar nicht erst auf das Auswahlverfahren ein.

Dass die Kandidaten zögerten, ist verständlich. Das Hauptproblem für jeden Postfinance-Chef ist, dass er nicht wissen kann, was künftig von ihm verlangt wird. Der Eigentümer, der Bund, weiss es selbst auch noch nicht.

Organisatorisch und juristisch wurde die Postfinance zwar längst aus der Post ausgegliedert, aber sie ist im Besitz des Bundes geblieben. Auch deshalb ist es der Postfinance weiterhin verboten, Kredite zu vergeben.

Die gelbe Bank ist ursprünglich als Teil des Post-Konzerns entstanden, um die Grundversorgung im Zahlungsverkehr sicherzustellen. Der grösste Teil der Bevölkerung braucht diese jedoch nicht mehr. Um denjenigen Personen, die noch auf Ein- und Auszahlungen sowie auf Überweisungen mit Bargeld angewiesen sind, weiterhin ein Angebot zu garantieren, liesse sich ein enger gefasster Leistungsauftrag ausschreiben. Eine staatliche Postfinance braucht es dafür nicht.

Warten auf den Bundesrat

Es liegt seit zwei Jahren ein Expertenbericht mit entsprechenden Lösungsvorschlägen auf dem Tisch. Doch Bern schiebt das Problem vor sich her. Ursprünglich wollte der Bundesrat die Postfinance privatisieren und es ihr gleichzeitig erlauben, Kredite zu vergeben. Beide Teile dieses Plans sind an der politischen Realität zerschellt.

Eine Privatisierung der Postfinance, lange die Milchkuh des Post-Konzerns, würde die übrigen Probleme des gelben Riesen noch deutlicher zum Vorschein treten lassen. Die Privatisierung stoppen, der staatlichen Postfinance aber zugleich die Hypothekenvergabe erlauben wollten derweil die anderen Banken nicht – am wenigsten die Kantonalbanken. Auch dass das Post-Dossier im Bundesrat Anfang 2023 von der SP-Frau Simonetta Sommaruga an den SVP-Mann Albert Rösti weitergereicht wurde, mag ein Grund dafür sein, dass man noch einmal gründlich über die Bücher geht.

Aus dem Grundübel leiten sich zahlreiche Probleme ab. So fand in der vergangenen Tiefzinsphase die Postfinance kaum mehr sinnvolle Anlagemöglichkeiten. Sie begann damit, manche Kunden, die bloss Cash-Bestände auf ihrem Konto horteten, zu vergraulen. Das funktionierte – die Kundengelder gingen zeitweise zurück. Doch das kann auf Dauer keine Strategie für eine Bank sein.

Die Postfinance hat zudem, weil sie keine Hypotheken vergeben darf, das Ersparte ihrer Kunden zu grossen Teilen in Anleihen investiert. Der Zinsschub der letzten 18 Monate hat zu einem starken Wertverlust auf diesem Portfolio geführt. Das hätte zu einem grösseren Problem werden können, wenn die Postfinance die Anleihen frühzeitig hätte verkaufen müssen.

Es gibt auch ohne «Auftrag» genug zu tun

Insofern ist es unmöglich, zu prognostizieren, ob Beat Röthlisberger der Richtige für den Job des Postfinance-Chefs ist: Dafür müsste man zuerst wissen, was dieser Job in den kommenden Jahren umfasst: Einen Staatsbetrieb führen, der vor allem Grundversorgung betreibt und dem Post-Konzern jährlich einen bescheidenen Gewinn abliefert? Die Postfinance fit trimmen und auf spannende neue Aufgabenfelder ausrichten, um sie irgendwann doch noch zu privatisieren?

Die grösste Erfahrung weist Röthlisberger zweifellos im Firmenkundengeschäft aus. Doch heisst das, dass die Postfinance vermehrt auf KMU-Kunden setzen will? Das wäre ein Mammutprojekt, für welches der Bank derzeit schlicht die Kultur und die richtigen Leute fehlen.

Unabhängig von den Wünschen des Eigentümers wird Röthlisberger, wie auch Beobachter anmerken, weiter an der «operativen Effizienz» der Postfinance arbeiten können. Sprich: Die Bank wird, wie alle Banken, weitere Prozesse automatisieren und sparen. Einen Sanierer braucht die Postfinance dagegen nicht. Sie hat 2022 noch 190 Millionen Franken Gewinn geschrieben, im ersten Halbjahr 2023 waren es 90 Millionen.

Zu vermuten ist, dass auch der Aufbau und die Pflege von Partnerschaften wichtig bleiben. Der Leistungsausweis der Postfinance ist in diesem Bereich gemischt: Der eigene Hypothekenvermittler Valuu hatte Mühe, sich auf einem umkämpften Markt, der den Wettbewerbern grosse Werbeinvestoren abverlangt, durchzusetzen. Valuu ging daher im letzten Sommer in der Plattform CredEx auf.

Die Finanz-App Yuh wiederum, welche die Postfinance zusammen mit der Onlinebank Swissquote betreibt, weist stetig steigende Nutzerzahlen aus. Ende Juli 2023 waren es schon 150 000. Ob sich die jungen Kunden, welche die Postfinance mit Yuh gewinnt, über die Jahre für die Bank rechnen, muss sich weisen.

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