Donnerstag, November 28

Trotz der Rückschläge seit 2022 hat der IT-Ausstatter seinen Kurs binnen zehn Jahren knapp vervierfacht. Er bringt Unternehmenskunden in die Daten-Cloud und legt so die Basis für die KI-Nutzung. Beim Wachstum übertrifft er sogar seine Hardwarelieferanten, die Überflieger HP und Dell.

Die absehbar starke Nachfrage nach Servern für Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz beflügelt die Aktienkurse von Herstellern wie Dell, HP und Hewlett Packard Enterprise (HPE). Der Kurs der vom HP-Konzern abgespaltenen Firmenkundensparte sprang allein am 6. Juni um 15% auf ein Rekordhoch von mehr als 20 $. Der Quartalsbericht hatte die Erwartungen der Analysten klar übertroffen: Der Umsatz kletterte 3%, und der Auftragsbestand für Server ist gross. Der Aktienkurs von Dell wiederum hat sich in anderthalb Jahren fast verdreieinhalbfacht.

Von der starken Nachfrage dürfte in Deutschland ein MDax-Unternehmen profitieren, das zu den grössten Kursgewinnern der vergangenen Dekade gehört: Bechtle. Der IT-Ausrüster ist einer der wichtigsten Verkäufer der Produkte von Dell, HP und HPE an Unternehmenskunden. «Bechtle schafft es seit Jahren, um mehrere Prozentpunkte schneller zu wachsen als ihre Lieferanten, weil sie Marktanteile gewinnt», konstatierten die Analysten von Barclays.

Zwei Drittel des Umsatzes entfallen auf das Systemhausgeschäft. Hier verkauft Bechtle IT-Hardware und IT-Dienstleistungen an kleine und mittelgrosse Gesellschaften. Diese Kundengruppe macht die Hälfte des Segmentumsatzes aus. Etwas mehr als ein Drittel des Systemhausgeschäfts erzielt das Unternehmen mit der öffentlichen Verwaltung, die einen grossen Nachholbedarf bei der Digitalisierung hat. Die restlichen 15% des Umsatzes stammen von Grossunternehmen.

Immerhin ein Viertel des Hardwaregeschäfts von Bechtle entfällt auf Rechenzentren und Netzwerkausrüstung. Hier sind die Margen höher als beim Verkauf von PC oder Zubehör.

Der E-Commerce stellt das übrige Drittel des Gesamtumsatzes von Bechtle. Hier vertreibt sie Hard- und Software über das Internet in vierzehn europäischen Ländern.

Starker Trend sorgt für auskömmliches Wachstum

Das Unternehmen profitiert vom Digitalisierungstrend. Der deutsche Markt für IT-Services, Hardware und Software soll von 2023 bis 2026 durchschnittlich fast 5% pro Jahr wachsen, schätzen der Branchenverband Bitkom und die Analysten von Berenberg.

Bechtle hat in den zurückliegenden zehn Jahren das Marktwachstum im Durchschnitt um drei Prozentpunkte übertroffen. Kann sie dieses Tempo halten, ergibt das für die angesprochene Periode eine Umsatzsteigerung von 8% per annum.

Bechtle-Chef Thomas Olemotz bestätigte beim Aktionärstreffen am 11. Juni die Prognose für das laufende Geschäftsjahr: «Wir wollen Geschäftsvolumen, Umsatz und Vorsteuerergebnis erneut deutlich steigern, was einer Grössenordnung zwischen 5 und 10% entspricht.» Die EBT-Marge solle auf Vorjahresniveau liegen. 2023 betrug sie 5,8%.

Wachsen mit Cloud und KI

Die Nachfrage nach IT-Ausrüstung und -Dienstleistungen dürfte mittelfristig eher zunehmen. Mit Hardware und Beratung unterstützt Bechtle die Kunden bei der Migration von Daten und Software in die Cloud.

Die Analysten von Barclays gehen davon aus, dass die Kunden ihre IT-Systeme zunächst von den eigenen Servern in die Cloud verlagern müssen, bevor sie die sich rasant entwickelnden KI-basierten Anwendungen nutzen können. Der Rückenwind durch den Cloud-Wachstumstrend werde weiter anhalten, so die Prognose. Das eigene Cloud-Portal von Bechtle erweitere das Angebot und sei ein Wettbewerbsvorteil, sagt Analyst Andreas Wolf von Warburg Research.

Marktführer rollt fragmentierte Branche auf

Übernahmen kleinerer IT-Systemhäuser treiben seit Jahren das Wachstum von Bechtle an. Der deutsche Markt ist fragmentiert: Obwohl sie klarer Marktführer ist, liegt der Marktanteil je nach Schätzung zwischen 2% (Berenberg) und 3% (Warburg Research).

Allein seit 2020 hat Bechtle achtzehn IT-Systemhäuser und IT-Dienstleister gekauft. Die Zielländer waren Deutschland, Österreich, Belgien, die Niederlande, Grossbritannien, die Schweiz, Frankreich und Spanien. Der Anteil des internationalen Geschäfts am Umsatz ist von 2020 bis 2022 von 35 auf 38% geklettert. Seit der Gründung 1983 haben die Heilbronner sogar mehr als hundert Gesellschaften akquiriert.

In den vergangenen Jahren ist es dem Unternehmen gelungen, die Ebitda-Marge deutlich zu steigern. Bei der Profitabilität hat es den kleineren Rivalen Cancom überholt. Die Grösse ermögliche es Bechtle, mit ihren Niederlassungen nah bei den Kunden zu sein und niedrigere Preise zu bieten als kleinere Wettbewerber, sagt Berenberg-Analystin Nicole Winkler. Dabei helfen auch Mengenrabatte der Hardwarehersteller.

Auch Cancom ist jahrelang stark gewachsen, unter anderem durch Zukäufe. Seit 2021 verprellte das Management um CEO Rüdiger Rath die Anleger jedoch mit mehreren Gewinnwarnungen. Die Prognosesenkung im August 2023 begründete Cancom auch mit den Kosten für die Integration von K-Businesscom. Der zweitgrösste IT-Dienstleister Österreichs mit mehr als 0,5 Mrd. € Umsatz verwässere mit seiner Ebitda-Marge von lediglich 5,4% die Cancom-Marge von damals 8,1%, warnten die Berenberg-Analysten kurz nach der Übernahme. Tatsächlich ist die Marge von Cancom da eingeknickt.

Gründerfamilie und ihre Vertrauensleute halten Wache

Das Risiko einer missglückten Grossübernahme ist bei der auf Akquisitionen basierenden Wachstumsstrategie auch bei Bechtle grundsätzlich gegeben. Risikomindernd wirkt, dass das Managementteam über langjährige Erfahrung verfügt und bisher bei seinen Käufen Augenmass bewiesen hat. Thomas Olemotz ist seit 2010 CEO. Noch ein Jahr länger amtiert Chief Operating Officer Michael Guschlbauer. In dieser Zeit hat Bechtle die Brutto-Rechnungseinnahmen auf 7,8 Mrd. € verfünffacht.

Über die Strategie wacht Klaus Winkler, seit 2018 Vorsitzender des Kontrollgremiums. Der ehemalige Bankmanager war bereits 1999 erstmals in das Unternehmen eingetreten, nach einer vierjährigen Pause kehrte er 2018 zurück. Hinter ihm stehen die Nachkommen des Firmengründers Gerhard Schick, vertreten durch seine Tochter Karin. Die Familie hält 35% der Anteile.

Lieblingstitel der deutschen Nebenwertefonds

Die Bechtle-Valoren gehören zu den Favoriten vieler Fondsmanager. Ein Blick in die Portfolios von gut einem Dutzend Fonds für deutsche Nebenwerte zeigt, dass keine andere Aktie so häufig in den Top Ten vertreten ist wie Bechtle. Im DWS Concept Platow, im Allianz Nebenwerte Deutschland, im Lupus Alpha Smaller German Champions und im Warburg Small & Midcaps gehört sie zu den zehn Favoriten.

«Bechtle haben wir seit rund zehn Jahren im Fonds», sagt einer der Fondsmanager, der von seiner Fondsgesellschaft angewiesen ist, nicht öffentlich über einzelne Titel zu sprechen. Er schätzt das Unternehmen als Konsolidierer, der durch Übernahmen noch stärker wächst als die von der Digitalisierung getriebene Branche.

Das Unternehmen gehörte in der vergangenen Dekade zu den stärksten Wertsteigerern am deutschen Aktienmarkt. Es hat sowohl den Nebenwerteindex MDax (hier wegen der besseren Vergleichbarkeit in der Kursvariante, ohne Dividenden) als auch den Rivalen Cancom weit hinter sich gelassen. Die Zinswende und der Kursrutsch von Wachstums- und Tech-Unternehmen hinterliessen jedoch auch bei der Bechtle-Aktie tiefe Spuren im Chart.

Finanzkräftig und nicht zu teuer

Das Geschäft generiert auskömmliche Kapitalflüsse. Daher dürfte sich die geringe Nettoverschuldung von 92 Mio. € bis Ende 2024 in eine Nettoliquidität von mehr als 50 Mio. € verwandeln. Dies bietet finanziellen Spielraum für weitere Akquisitionen.

Angesichts der Stabilität des Geschäftsmodells, der Kapitalrendite von 15% (gemessen am Return on Capital Employed, ROCE), der Finanzkraft und der Wachstumsaussichten wirkt die Bewertung moderat. Verglichen mit der eigenen Börsenhistorie sind die Bechtle-Aktien derzeit eher günstig.

Die eher kurz- bis mittelfristigen Risiken für den Aktienkurs fassen die Analysten von Barclays zusammen. Sie haben Bechtle Mitte Februar mit einer Verkaufsempfehlung («Untergewichten») in ihr Research aufgenommen. Grundlage war eine Vergleichsstudie des gesamten europäischen Sektors.

Das Barclays-Team erwartete einen Rückgang der Hardwareverkäufe. Deshalb empfahl es statt Bechtle andere IT-Ausrüster, die einen grösseren Teil ihres Geschäfts mit dem Verkauf von Software oder mit Beratungsleistungen machen, so wie Bytes und Softcat. Die für die Analysten unerwartet starken Quartalsergebnisse von Hewlett Packard Enterprise und auch von Dell legen allerdings nahe, dass die Branchenbeobachter zu skeptisch waren. Für langfristig orientierte Anleger dürfte sich ein Einstieg bei Bechtle weiterhin lohnen.

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