Beim Einstand als Roma-Trainer zittert sich die Klubikone Daniele De Rossi zum Sieg gegen das vom Abstieg bedrohte Hellas Verona. Sein Problem könnte werden, dass sein Stil zu sehr jenem des Vorgängers José Mourinho ähnelt.
In der Fankurve der AS Roma weiss man zurzeit nicht, wen man zuerst feiern soll. «Mou, uno di noi» – «Mourinho, einer von uns» – stand am Samstag auf einem Spruchband im Stadio Olimpico, wo der Hauptstadtklub das Ligaspiel gegen Hellas Verona 2:1 gewann. Der von den Anhängern gepriesene Startrainer José Mourinho sass jedoch nicht mehr auf der Bank; er war wenige Tage zuvor entlassen worden.
Ausschlaggebend für die Trennung vom schillernden Portugiesen waren die Niederlage bei der AC Milan und das Ausscheiden im Cup gegen den Lokalrivalen Lazio. Und die statistische Bilanz ist für Mourinho-Verhältnisse miserabel. Mit der Roma ist er erstmals in seiner Trainerkarriere bei der Zahl der Siege unter der 50-Prozent-Marke geblieben. In seinen Zeiten bei Inter Mailand und Chelsea lag «Mou» bei einer Quote von 62 Prozent an gewonnenen Matches, bei Real Madrid und dem FC Porto gar bei 71 Prozent.
Aber diese Zahlen waren nicht Grund genug, dem Coach die Zuneigung zu verweigern. Immerhin hatte er für die Roma 2022 mit dem Gewinn der Conference League den ersten internationalen Cup an den Tiber geholt seit dem Messestädte-Pokal 1961 und damit seinem Ruf als «Special One» eine Auffrischung verpasst. Daher hing am Samstag auch ein Banner in der Fankurve mit der Aufschrift: «Du hast unsere Roma verteidigt, uns die Siege gebracht – José Mourinho, ewige Glorie».
Kann ein Trainer, der geschasst wird, grösser gefeiert werden? Wohl kaum. Und so verdrückte Mourinho wahrscheinlich auch deshalb Tränen, als er das letzte Mal das Trainingsgelände in Trigoria verliess. Einer der Fans draussen vor dem Tor fragte ihn besorgt: «Bist du enttäuscht?»
De Rossis Einfluss in Italiens Nationalmannschaft beim Gewinn des EM-Titels beschränkte sich auf Motivationskünste
Mourinhos Nachfolger wurde allerdings nicht weniger gefeiert. Immer wieder wurde am Samstag der Name von Daniele De Rossi skandiert. 18 Jahre hatte er einst für die AS Roma gespielt; er war zuerst «capitan futuro» im Schatten des ewigen Francesco Totti, später selbst der unumstrittene Captain. 616 Pflichtspiele machte De Rossi für die Roma, 63 Tore gelangen dem Defensivspezialisten. Und so hiess es nun von der Tribüne: «Du hast uns mit einem Versprechen verlassen. Jetzt finden wir uns wieder, um es einzulösen. Wir sind alle Daniele De Rossi.»
Zwar gab es für den Rückkehrer beim Debüt einen Sieg; die AS Roma führte gegen das vom Abstieg bedrohte Hellas zur Pause dank schnellem und konzentriertem Umschaltspiel 2:0. Doch im Rest der Partie überzeugten die Giallorossi nicht. Am Ende mussten sie zittern, Hellas hatte unter anderem einen Penalty vergeben. De Rossi kritisierte die gemächliche Ballzirkulation seines Teams. «Wir schläfern uns ein. Man spielt langsamer, wenn im Kopf nicht klar ist, was man mit dem Ball machen will.»
Als Trainer hat De Rossi bis dato nicht überzeugen können. Beim Zweitligaklub Spal Ferrara kam er in der letzten Saison in einer Art Feuerwehreinsatz auf nur 3 Siege in 17 Matches, Erfolgsquote 17 Prozent. Und sein Einfluss in Italiens Nationalmannschaft als Assistent des Cheftrainers Roberto Mancini beim Gewinn des EM-Titels 2021 hatte sich primär auf Motivationskünste beschränkt. De Rossis Credo damals: «Es gibt ganz viele Wissenschafter, aber die grossen Meister wie Mancini machen den Fussball einfach.» Man kann für die Roma nur hoffen, dass sich De Rossi, der einst rustikale Willensmensch, nicht komplett modernen Analysemethoden verwehrt.
Für jene, die Mourinho schmerzlich vermissen, könnte es einen kleinen Trost geben
Sein Einstand ist wenigstens nicht misslungen. Und: Das wichtigste Saisonziel, das Erreichen der Champions-League-Ränge, ist noch nicht ausser Reichweite geraten. Viel hängt davon ab, ob es De Rossi schafft, mit seinen Plänen in die Köpfe der Spieler zu gelangen. Diese wirkten in jüngerer Zeit recht ausgelaugt nach zweieinhalb Jahren Stress unter dem Dauermotivator Mourinho.
Und es sind durchaus Zweifel darüber angebracht, ob De Rossi das geeignete Gegengift hat als Reaktion auf die Praktiken Mourinhos. Denn die Vorstellungen der beiden Trainer scheinen sich sehr zu ähneln; sie setzen eher auf Willenskraft als auf Spielideen. Immerhin aus Sicht der AS Roma sind die Tifosi fürs Erste besänftigt, weil sie einen alten Liebling wiederhaben.
Und für jene, die Mourinho schmerzlich vermissen, könnte es einen kleinen Trost geben: Die wilden Wechselspiele im Weltfussball könnten zu einem schnellen Wiedersehen mit dem Portugiesen führen, weil dieser mit dem saudischen Klub al-Shabab in Verbindung gebracht wird. Auf diesen trifft die Roma am Mittwoch in einem Testspiel.