Donnerstag, November 14

Um die US-Wahl ist der Aktienkurs der Tochter T-Mobile US weiter gestiegen. Das US-Geschäft macht nun fast den gesamten Börsenwert des Konzerns aus. Das deutsche Stammgeschäft und Europa erhalten Anleger fast kostenlos dazu. Die Verzerrung bietet einen Risikopuffer gegen Bewertungsrückschläge in Übersee.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Die Finanzmärkte werden beherrscht von elektronischen Handelsstrategien. In Sekundenbruchteilen reagieren sie auf Unternehmensveröffentlichungen und Kursveränderungen, um jede erdenkliche Renditechance auszunutzen. Trotzdem oder gerade deswegen stosse ich gelegentlich auf geradezu kuriose Missverhältnisse an der Börse.

Die relative Bewertung von Deutsche Telekom und ihrer kotierten US-Tochter T-Mobile US gehört dazu. Am Donnerstag rapportierte Deutsche-Telekom-Finanzchef Christian Illek einmal mehr erfreuliche Geschäftszahlen. Der Aktienkurs stieg bis zum Mittag mehr als 3% auf fast 28 €. Das ergibt einen Börsenwert von fast 139 Mrd. €.

Kurse von Deutsche Telekom und T-Mobile US im Vergleich

Fast den gesamten Börsenwert des Konzerns macht inzwischen aber der 50,7%-Anteil an T-Mobile US aus. Der US-Telekommunikationsanbieter hat einen Börsenwert von umgerechnet 265 Mrd. €. Für das gesamte übrige Geschäft von Deutsche Telekom bleibt rechnerisch gerade einmal ein Börsenwert von 4,6 Mrd. €.

Schon nach meiner Kaufempfehlung für Deutsche Telekom vom 11. Oktober fragte mich ein Leser, was wohl besser sei: Die T-Mobile-US-Aktien zu kaufen, weil das US-Geschäft zwei Drittel des Konzerngewinns einbringt und viel Wachstum, oder die Deutsche-Telekom-Aktien, wo der Anleger das übrige Geschäft fast gratis dazubekomme?

Welche Gründe Finanzchef Illek für die Unterbewertung sieht

Bei der Telefonkonferenz am Mittwoch habe ich Finanzchef Illek gefragt, warum Investoren dem übrigen Geschäft so wenig Wert beimessen und wie er dieses Bewertungsverhältnis beurteilt. «Wir müssen für den Wert des übrigen Geschäfts werben, weil es viel mehr wert ist als das», antwortete Illek. Auf der Basis der genannten Bewertung sei Deutsche Telekom an der Börse weniger wert als manch deutlich kleinerer Wettbewerber. Er verwies auch auf den zuletzt erneut starken Anstieg des T-Mobile-US-Kurses. «Das hat mit der Trump-Wahl zu tun», sagte er. Der künftige US-Präsident Donald Trump habe angekündigt, die Steuern eher zu reduzieren. Ausserdem werde das Regulierungsumfeld mit der neuen Regierung eher einfacher.

Illek fügte hinzu, dass der Wert des übrigen Deutsche-Telekom-Geschäfts in der Vergangenheit «zwischen 0 und 20 Mrd. €» geschwankt sei. Das ist zwar richtig, unterschlägt aber den seit Frühjahr 2023 deutlich ausgeprägten Abwärtstrend.

Börsenwert Deutsche Telekom ex US-Geschäft sinkt unter 5 Mrd. €

In den vergangenen zwei Jahren schwankte der Börsenwert des Ex-US-Geschäfts meist zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. €, bis er seit Sommer 2024 stark zurückging.

Nicht nur der absolute Wert ist stark gesunken, sondern auch die Bewertung relativ zum Gewinn. Noch Anfang 2023 wurde der Unternehmenswert von Deutsche Telekom ohne US-Geschäft rechnerisch mit mehr als dem Fünffachen des Ebitda bewertet (Kennziffer: EV/Ebitda), kalkulieren die Analysten der UBS. Zuletzt betrug die Bewertung nicht einmal mehr das Dreifache des Ebitda.

Sowohl Illek als auch der Durchschnitt der Analystenschätzungen prognostizieren für das Ex-US-Geschäft im Jahr 2024 ein Ebitda von 14,5 Mrd. €. In den USA werden rund 28,5 Mrd. € Ebitda erwartet. Das übrige Geschäft in Deutschland und den USA erzielt also immerhin rund ein Drittel des Gewinns, auf Basis des Umsatzes lag der Anteil 2023 noch etwas darüber.

Bei Deutsche Telekom bekommt der Anleger tatsächlich das Geschäft ausserhalb Europas fast gratis dazu. Ein Geschäft, das für rund ein Drittel des Umsatzes und des Gewinns steht. Dabei handelt es sich um wertvolle Mobilfunk- und Festnetzinfrastruktur sowie Rechenzentren, die nicht leicht und nur mit hohen Kosten ersetzbar wären und noch dazu die Basis der Digitalisierung darstellen.

Allerdings müssen Anleger bei dieser Betrachtung einbeziehen, wie belastbar die Bewertung von T-Mobile US ist. Diese ist innerhalb eines Jahres 50% gestiegen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis basierend auf dem für die kommenden zwölf Monate geschätzten Gewinn beträgt 23. Der Zehnjahresvergleich ist durch den Anstieg während der Pandemie stark verzerrt. Allerdings lag die Kennziffer 2018 und 2019 meist unterhalb von 20.

Analysten schätzen die Wachstumschancen von T-Mobile US weiterhin als gut ein. Wer in dieses Wachstumsgeschäft investieren möchte, bekommt bei den Aktien von Deutsche Telekom dazu noch das übrige Geschäft als Risikopuffer gegen die recht hohe Bewertung der US-Aktivitäten. The Market hält die Titel weiterhin für attraktiv.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Mark Böschen

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