Mittwoch, November 27

Das Industrieunternehmen leidet unter der schwachen Nachfrage, das spiegelt sich an der Börse. Ausserdem: Es bleibt kompliziert am Windmarkt, das bekommt auch Gurit zu spüren. Derweil steigt am Flughafen Zürich die Stimmung.

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Wonach sieht dieser Chart für Sie aus?

Nach Euphorie sicher nicht.

Es ist der Aktienkurs von Bossard – und die verhaltene Aufwärtsbewegung seit Anfang 2024 reflektiert meiner Meinung nach ziemlich schön, in welcher Lage sich die Konjunktur in Europa und in Asien befindet: Die Erholung dauert deutlich länger als erwartet, im frühzyklischen Geschäft von Bossard macht sich gerade erst eine Bodenbildung bemerkbar.

Das sind keine guten Vorzeichen für andere konjunktursensitive Unternehmen, die im Jahresverlauf auf eine Verbesserung der Auftragssituation gehofft hatten. Zuletzt haben gleich mehrere Firmen in der Schweiz und in Deutschland die Börse mit Gewinnwarnungen aufgeschreckt. Ein wiederkehrendes Problem sind die vollen Lager der Kunden. Allen voran im Automobilsektor bleiben die Produktionshallen der Zulieferer leer, so auch bei Komax. Düster ist die Stimmung auch beim Spezialisten für Blechbearbeitung Bystronic, wohl noch immer sind Mitarbeitende in der Produktion in Kurzarbeit.

Besondere Erwartungen an ein besseres zweites Halbjahr hatte noch im ersten Quartal das Management von Georg Fischer. Ein Blick auf die Kursperformance zeigt nun: Unter den Investoren sind die Hoffnungen auf eine baldige Besserung der operativen Perspektiven geschwunden. Die Titel befinden sich seit Wochen in einer Abwärtsbewegung.

Nachdem das erste Halbjahr für das Industrieunternehmen eher schwierig ausgefallen ist, hat sich nun der Ausblick nicht wirklich aufgehellt. Der Bausektor in Europa leidet weiterhin unter einer sehr niedrigen Nachfrage, in Deutschland etwa sind laut dem Statistischen Bundesamt im April erneut markant weniger Baugenehmigungen erteilt worden als im Vorjahresmonat. Das trifft das Rohrleitungsgeschäft und insbesondere die Tätigkeit der unlängst akquirierten Uponor.

Für das Gesamtjahr erwarten etwa die Analysten der Baader Bank, dass der Umsatz stabil bleiben dürfte, die Profitabilität aber stehe unter Druck. Damit gerät Georg Fischer in Gefahr, die für 2024 ausgegebenen Ziele nicht zu erreichen. Das Unternehmen hatte im März angekündigt, dass die Marge auf Stufe Ebit mittelfristig zwischen 10 und 12% zu liegen kommen soll – und dass dieses Band schon im laufenden Jahr erreicht werden könnte. In der Folge hoben viele Beobachter ihre Gewinnschätzungen an. Zuletzt sind diese Erwartungen etwas zurückgekommen, liegen laut Bloomberg-Daten aber immer noch klar über dem Niveau von Anfang Jahr.

Kurz- bis mittelfristig ist das Aufwärtspotenzial der Aktien damit begrenzt. Langfristig sehe ich Georg Fischer aber gut positioniert, um von strukturellen Wachstumstreibern zu profitieren. Etwa im Bereich der Wasserinfrastruktur: Hochwertigen Durchflusslösungen kommt bei der Bekämpfung von Wasserverlust und -knappheit eine wachsende Bedeutung zu, hier hat sich der Schweizer Konzern mit Uponor deutlich verstärkt. Der Umsatzanteil der Rohrleitungsaktivitäten sei von 50 auf rund 70% gestiegen, so Baader.

Anfang Juni kam etwas Bewegung in die Aktien von Gurit, der Kurs löste sich aus dem anhaltenden Abwärtstrend. Beobachter machten einen Silberstreifen am Horizont aus. Doch mittlerweile ist die Avance verpufft, die Titel notieren praktisch wieder auf Jahrestief.

Der Aktienkurs des Schweizer Zulieferers im Bereich der Windenergie war seit Anfang Jahr den Gewinnschätzungen gefolgt: Wiederholt sind diese von Analysten nach unten revidiert worden. Auch bei den Kunden, den grossen Turbinenherstellern Nordex, Siemens Energy, GE Vernova zeigt der Trend bei den Erwartungen an das operative Geschäft im laufenden Jahr klar nach unten. Anders als bei Gurit halten sich die Titel im Vergleich zum Jahresbeginn aber gut bis sehr gut, Siemens Energy ist gar die beste Aktie im deutschen Leitindex Dax.

Da liegt etwas in der Luft.

Hoffnung machen zum einen Unternehmensnews, angefangen mit einem guten Bestellungseingang bei Nordex im ersten Quartal, insbesondere aus Deutschland. Bei Siemens Gamesa, Windtochter von Siemens Energy, ist CEO Jochen Eickholt per Ende Juli von seinem Posten zurückgetreten, er wird für die operativen Schwierigkeiten und wiederkehrenden Qualitätsprobleme der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht. Der Konzern treibt derweil die Restrukturierung voran. Rund 15% der Stellen bei Siemens Gamesa sollen abgebaut werden.

Künftig will sich das Unternehmen neben dem lukrativen Geschäft mit Gas und Stromnetzen auf den Bau von Turbinen für die USA und Europa konzentrieren. Und die Deutschen haben rekordverdächtige Pläne: Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg wollen sie eine riesige Windturbine mit einer Leistung von 21 Megawatt (MW) bauen – üblich sind an Land bis zu 6 Megawatt, im Meer bisher maximal 15 MW. Das hören sie bei Gurit sicher gerne.

Ausserdem sorgten Stimmen, wonach der immense Strombedarf der Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz nur mithilfe eines markanten Ausbaus der erneuerbaren Energien gedeckt werden könne, für etwas Euphorie im Clean-Energy-Sektor. Im Vergleich zu Solaraktien reagierten die Kurse von Unternehmen im Windbereich aber zögerlicher.

Der Windenergiemarkt bleibt eben kompliziert. Da ist zum einen die Angebotsseite, noch immer haben sich die Kosten – anders als in der Solarindustrie – nicht von den Verwerfungen in den Jahren 2021 und 2022 erholt, als die Lieferketten verrückt spielten. Ein Faktor ist dabei der lange Investitionszyklus von der Planung bis zur tatsächlichen Realisierung der Parks, ein anderer ist der Umstand, dass die Herstellung von Windturbinen in der Hand einiger grosser Unternehmen aus Europa und aus den USA liegt und China eine bedeutend kleinere Rolle spielt als bei Solarpanels, deren Preise deutlich runtergekommen sind.

Gleichzeitig hinkt der Bau von Windanlagen ausserhalb Chinas deutlich hinter den Projektionen hinterher. Auch das hat unterschiedliche Gründe: Die grossen staatlichen Subventionsprogramme sind ausgelaufen, bereits geplante Windenergieanlagen werden nun durch Regulierung eher ausgebremst. Und lokaler Widerstand gegen Windparks ist oft grösser und besser organisiert als gegen den Ausbau von Solarenergie, zumal er auch medial mehr hergibt. Gleichzeitig ist die Wahl des Standorts für Windenergie entscheidender als bei Solar.

Und der politische Gegenwind dürfte noch zunehmen: In Frankreich hat die grosse Siegerin der Europawahlen, Marine Le Pen, bereits mehrmals erklärt, den Bau von Windrädern im ganzen Land verbieten zu wollen. Donald Trump, der laut den Quoten der Wettbüros gute Chancen hat, im November erneut zum US-Präsidenten gewählt zu werden, verkündete unlängst, er werde am ersten Tag nach seiner Wahl, alle Offshore-Windprojekte in den USA stoppen.

Der Flughafen Zürich ist wieder auf dem Niveau von vor der Coronakrise angekommen. Im Mai 2024 reisten 2% mehr Flugpassagiere über Zürich als im selben Monat vor der Pandemie. Dies zwar auch, weil die verlängerten Wochenenden um Auffahrt, Pfingsten und Fronleichnam in diesen Monat fielen, anders als 2019 als die Feiertage etwas später im Jahr stattfanden. Aber laut Angaben des Managements liegen die Zahlen über den Prognosen und das Ziel, dass sich die Passagierzahlen bis 2025 vollständig erholen, ist damit in Griffnähe.

Der Flughafen Zürich hinkt anderen internationalen Flughäfen zwar bei der Erholung der Abfertigungszahlen etwas hinterher. Punkto Umsatz hat das Unternehmen die Delle aber wettgemacht. Bereits 2023 resultierte mit 1,2 Mrd. Fr. ein Erlös auf dem Niveau von 2019, unter dem Strich blieb mit 305 Mio. Fr. ein etwas niedrigerer Gewinn. Der operative Cashflow lag 2023 mit 668 Mio. Fr. aber deutlich über den knapp 500 Mio. Fr. von vor der Pandemie, und dieses Jahr dürfte die Profitabilität gemäss Analystenschätzungen einen Rekordwert erreichen. Die Dividende soll nochmals deutlich steigen.

Dank seiner Diversifikationsstrategie ist der Flughafen Zürich längst nicht mehr so abhängig vom Heimatstandort wie noch vor wenigen Jahren. Insbesondere die Beteiligung an internationalen Flughäfen und die Investition in Immobilienprojekte haben zur schnellen Erholung und zur Verbesserung der Rentabilität beigetragen. Am Montag meldete das Unternehmen, den Flughafen Noida im Grossraum Delhi, Indien im April 2025 eröffnen zu wollen.

Die Aktien dagegen notieren auf dem Niveau von Anfang 2020; das Allzeithoch bei fast 2025 im Jahr 2017 ist noch ein ganzes Stück entfernt. Der Aufwärtstrend ist dabei intakt.

Klimawandel und schlechter Konsumstimmung zu Trotz, auch das strukturelle Wachstum in der Fliegerei zeigt klar nach oben. Bis Ende 2030 rechnen die Experten des Beratungsunternehmens Bain mit einem Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Flügen von gegen 40% – selbst wenn die CO2-Kosten weiter steigen sollten. Zusammen mit dem positiven Momentum sprechen diese Fundamentaldaten für einen guten Sommer.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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