Lange beherrschten seine Werke die Konzertprogramme, doch heute stellt ein reiner Mozart-Abend höchste Anforderungen an das Stilempfinden der Interpreten. Zürichs Musikdirektor lässt sich diese Woche mit dem Tonhalle-Orchester auf das Abenteuer ein.

Der Dirigent ist erschöpft. So ein Programm mit den letzten drei Mozart-Sinfonien – das sei anstrengender als eine ganze Mahler-Sinfonie, seufzt er und kippt erst einmal mehrere Gläser Mineralwasser in sich hinein. Paavo Järvi kommt am Mittwochmittag direkt von der Generalprobe zu den Tonhalle-Konzerten dieser Woche an die Präsentation der neuen Saison 2025/26. Aber in Gedanken ist er anfangs noch ganz bei den Wunderwerken, die er am Abend dem Publikum präsentieren will. So erfüllend sei diese Musik, schwärmt er, aber auch so immens fordernd.

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Tatsächlich trauen sich führende Orchester und Dirigenten inzwischen auffallend selten, ein ganzes Programm mit Werken von Mozart zu bestreiten – ein kurioser Umstand, bedenkt man, dass der Wiener Klassiker bis ins späte 20. Jahrhundert im Zentrum des Konzertrepertoires stand. Doch zum Leidwesen vieler Musikfreunde kann davon schon länger keine Rede mehr sein. Wenn sich Ensembles heute exklusiv mit Mozart auseinandersetzen – wie es vor ein paar Tagen auch das Lucerne Festival Orchestra mit Igor Levit im KKL tat –, müssen sie wirklich Exklusives bieten. Denn jedermann erwartet sich ein Fest.

Konzertierte Auffrischung

Mit dem Ausnahmerang der Werke, den niemand bestreitet, hat die Zurückhaltung der Orchester denn auch wenig zu tun. Vielmehr hat die Mozart-Interpretation durch den Siegeszug der historisch informierten Aufführungspraxis die Unschuld verloren: Man kann diese Stücke heute nicht mehr einfach aufs Pult stellen, sie spielen lassen – und fertig. Stattdessen bedarf es zahlreicher Vorüberlegungen: zur Grösse der Besetzung, zur Stimmung, zur Auswahl der richtigen Instrumente – also etwa, ob man, wie jetzt in Zürich, mit herrlich rumpelnden Kesselpauken und den zur Mozart-Zeit noch ventillosen Hörnern und Trompeten Akzente setzt.

Järvi ist mit solchen Fragen tief vertraut, vor allem durch seine jahrelange Arbeit mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Auch für das Tonhalle-Orchester ist «Originalklang» seit der Ära von David Zinman kein Neuland mehr. Aber es scheint an der Zeit, dass diese Tradition nun einmal aufgefrischt wird. Denn am Mittwochabend dauert es bei der eröffnenden Es-Dur-Sinfonie eine Weile, bis man zu einem einheitlichen Ansatz gefunden hat. Dem Klang fehlen anfangs der Kern und vor allem jene Klarheit, die für diese detailreiche, vor Einfällen sprudelnde Musik unabdingbar ist.

Nähe zur Oper

Weil bei Mozart alles offenliegt und wirklich jeder Ton zählt, hört man zudem jeden noch so geringfügig unscharfen Einsatz, minimale Verschiebungen beim Zusammenspiel, ja selbst noch ein unachtsames Ausklingen einzelner Töne. Romantisches Repertoire, die Kernkompetenz heutiger Sinfonieorchester, ist da duldsamer. Aber die Tonhalle-Musiker erinnern sich erfreulich rasch an die Präzision und zunehmend auch an das Paradox einer substanzreichen, doch immer spielerischen Leichtigkeit, die hier gefragt sind.

Spätestens mit der berühmten g-Moll-Sinfonie gelingt Järvi auch die Balance zwischen der klassisch strengen äusseren Form und den teilweise wild zerrissenen Stimmungen, die Mozart hier beschwört, auch wenn das Stück weniger fatalistisch klingt als beim späten Harnoncourt. Noch stärker wird Mozarts Nähe zur Oper in der «Jupiter-Sinfonie» greifbar, die so dramatisch, aber stellenweise auch so gesanglich-innig tönt, als wäre sie ein Seitenstück zum «Don Giovanni». Die polyfonen Kunststücke des Finalsatzes, äusserst virtuos gespielt, krönen dann nicht nur diese letzte Sinfonie Mozarts, sie bringen auch den gesamten gut neunzigminütigen Zyklus schlüssig zum triumphalen Abschluss.

Weitere Aufführungen: 5. und 6. Juni, Zürich, Tonhalle, Grosser Saal.

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