Auch das 0:2 gegen Winterthur im Cup legt nahe, dass sich der FC Zürich verloren hat. Neu hat er zwei Co-Cheftrainer, aber in den Medien spricht vor allem deren Vorgesetzter Milos Malenovic.
Man kann dem FC Zürich nicht vorwerfen, dass es ihm an Ideen mangle. Als vor fast drei Wochen Bo Henriksen nach Mainz wechselte, hatte er zum Beispiel die Idee, ohne Cheftrainer weiterzumachen. Und er erfand den Begriff «Co-Cheftrainer» für Henriksens Assistenten Murat Ural und den bisherigen U-19-Trainer Umberto Romano. Die Logik: Zwei Co-Cheftrainer ergeben einen Cheftrainer. Mehr ist mehr. Eins plus eins ergibt eins.
Solch schönen Ideen muss man Sorge tragen. Diese Aufgabe hat der Sportchef Milos Malenovic. Er passt auf, dass die Gleichung aufgeht. An den Spielen sitzt Malenovic auf der Trainerbank zwischen den beiden Co-Cheftrainern und gibt «Inputs», wenn er «danach gefragt» werde. So sagt er das. Das Präsidentenpaar Canepa wolle, dass er auf der Bank nah an der Mannschaft sei. Als eine Art Supervisor der Co-Cheftrainer. Ganz sicher ist man sich dann doch nicht, wie schön die neue Idee ist.
Einmal redet der eine Co-Trainer, dann der andere – aber immer redet der Sportchef
Mit ihr ist viel mehr verbunden als die Lösung in der Not, wenn der Cheftrainer fortgeht. Hinter ihr steckt: «Philosophie». Philosophie ist etwas viel Grösseres als eine Idee, es klingt nach Universität, nach Platon und Sokrates oder wenigstens nach Pep Guardiola und seinem Fetisch für dominanten Ballbesitz-Fussball. Philosophie klingt gut.
Malenovic nutzt das Wort gern. «Hoch pressen, viel laufen, dominant spielen, mit technischer Präzision alles geben», sagt er etwa über «die neue FCZ-Philosophie». Nach ihr muss sich von der Pampers-Abteilung bis zur ersten Mannschaft alles ausrichten. Malenovic kennt auch die «Montessori-Philosophie». Sie werde bei ihm zu Hause angewandt, sagte er vor kurzem, als ihm vorgeworfen wurde, einen FCZ-Junior unfreundlich behandelt zu haben.
Murat Ural wäre der Co-Cheftrainer, der vielleicht etwas konkreter aus dem Alltag der Umsetzung der neuen Philosophie berichten könnte. Ural ist ein interessanter Trainer. Vor vierzehn Monaten hat ihn der damalige Sportchef Marinko Jurendic als Assistent zum FCZ geholt. Der 36-jährige Ural leitete bald unter den Augen von Henriksen die Trainings, unterdessen kennt er die Mannschaft gut. Ural ist Jurist und hat bereits die Uefa-Pro-Lizenz.
Bevor Ural zum FCZ wechselte, war er U-21-Trainer im FC Winterthur gewesen, wo er als Junior die Spielerkarriere begonnen hatte. Sie führte ihn nie ganz an die Spitze, aber immerhin in den GC-Nachwuchs, ins U-21-Nationalteam, zu St. Gallen, Servette, Vaduz oder nach Schaffhausen. Im FC Winterthur galt er als kluger, talentierter Ausbildner. Worauf kommt es an, wenn er im FCZ nun den nächsten Schritt macht vom Assistenten zum Co-Chef – und vielleicht noch weiter?
Leider will der FCZ nicht, dass Ural ausserhalb von Pflichtterminen mit einem Journalisten redet. Vielleicht könnte er das streng gehütete Geheimnis der FCZ-Gleichung «Eins plus eins ergibt eins» verraten? Als am Freitag der Pflichttermin vor dem Match gegen YB ansteht, lautet die Frage, was sich seit dem Weggang von Henriksen verändert habe. «Nicht viel, wir arbeiten noch enger zusammen», lautet die Antwort.
Sie stammt nicht von Ural, sondern vom anderen Co-Cheftrainer, Umberto Romano. Pech gehabt, die Co-Cheftrainer wechseln sich manchmal ohne Ansage ab, wenn wieder einer spricht. Malenovic aber spricht immer, «damit keine Gerüchte aufkommen oder Missverständnisse», sagt er. Zum Beispiel über den U-15-Trainer, der gerade den FCZ verlassen hat. Oder die «harzigen» Vertragsverhandlungen mit dem U-21-Stürmer Labinot Bajrami, den Malenovic einst beraten haben soll. Er sagt: «Vergangenheit ist Vergangenheit.»
Es passt hinten nicht, es passt vorne nicht
Auch die 0:2-Niederlage im Cup gegen Winterthur ist Vergangenheit. Aber sie ist noch so frisch, dass man nun «gegen die Enttäuschung vor allem im Mentalen» arbeite. Gegen YB am Sonntag will Romano «den Bock umstossen». Malenovic weiss, «dass der Ball endlich einmal reingeht und der FCZ gewinnt». Das sind die Rezepte für eine Mannschaft, die sich in den letzten Wochen zunehmend abhandengekommen ist.
Man sieht es an den 7 Toren, die der FCZ in den letzten 11 Spielen geschossen hat, man sieht es an den gewonnenen 9 Punkten in den letzten 10 Meisterschaftsspielen. Und man sieht es, wenn man dem FCZ zuschaut im Spiel. Der Angriff passt nicht zur Abwehr, hinten nicht zu vorne, dazwischen ist ein Loch, in dem die Spieler versinken in Planlosigkeit.
Als der FCZ am 25. November mit einer begeisternden Leistung, die über seinen natürlichen Grenzen lag, die Young Boys 3:1 besiegt hatte, fragte die NZZ, ob für die Zürcher wie 2021 ein Meister-Coup möglich sei – Frage und Antwort haben sich erledigt, der FCZ verfolgt neue Ideen. Wohin sie führen, ist noch ein Rätsel.