Donnerstag, Februar 13

Seit dem Ukraine-Krieg wird über das Kriegsmaterialgesetz gestritten. Bei ausserordentlichen Umständen soll die Regierung künftig vom restriktiven Gesetz für Kriegsmaterialexporte abweichen können. Die Rüstungsindustrie zweifelt an der Wirkung dieser Ausnahmeklausel.

Einen «Fingerzeig» nannte der Rüstungschef Urs Loher den Entscheid aus Deutschland, in der Schweiz nicht einmal mehr Tarnnetze zu kaufen. Er hoffe, dass diese Warnung «hier alle verstanden» hätten. Denn Länder wie Deutschland sind enorm wichtig für die Schweizer Rüstungsindustrie. Bestellen sie weniger oder im schlimmsten Fall gar nichts mehr, hat das grosse Auswirkungen. 2023 war Deutschland mit fast 25 Prozent des gesamten Ausfuhrwertes der grösste Abnehmer von Schweizer Kriegsmaterial.

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Das Parlament ringt seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges um eine Lösung, um das restriktive Gesetz zu lockern. Das Parlament hat vor zwei Jahren entschieden, dass der Bundesrat eine Option auf Abweichung erhalten soll. Am Mittwoch hat die Regierung einen Vorschlag verabschiedet. Eine ähnliche Kompetenz betreffend Abweichung hatte der Bundesrat bereits vor der Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes 2021.

Im Gegensatz zu damals hat das Parlament aber eine Zusatzklausel eingefügt: Die Ausnahmeregel soll in jedem Fall lediglich befristet gelten. Die Industrie glaubt aus diesem Grund nicht, dass diese neue Regelung den Vertrauensverlust von Ländern wie Deutschland wieder wettmachen kann. «Das Problem bleibt, wenn die Ausnahmeregelung nach einigen Jahren vom Parlament wieder rückgängig gemacht werden kann», so lautet die Überzeugung von Matthias Zoller, dem Generalsekretär des Schweizer Rüstungssektors. Denn grundsätzlich bleibt der Export von Kriegsmaterial im Krisenfall verboten.

Ausgangspunkt dieser Debatte war die Korrekturinitiative einer Mitte-links-Allianz im Jahr 2021. Sie verlangte, dass künftig Volk und Stände über Anpassungen im Kriegsmaterialgesetz (KMG) entscheiden. Exporte in Bürgerkriegsländer sollten damit verhindert werden. Ein konventioneller zwischenstaatlicher Krieg auf europäischem Boden schien damals unwahrscheinlich.

Bundesrat und Parlament zeigten Verständnis für das Anliegen, obschon die Schweiz schon zu dieser Zeit im europäischen Vergleich eine strenge Bewilligungspraxis hatte. Das Parlament einigte sich auf einen Gegenvorschlag: Der Passus, der für den Bundesrat eine Ausnahmeregelung vorsah, wurde gestrichen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin warnte vergeblich vor der Streichung. Er erklärte, der Bundesrat brauche diese Möglichkeit, wenn es um «die Wahrung von übergeordneten Interessen der Schweiz» gehe.

Im Februar 2022 griff Russland die Ukraine an. Seither versucht insbesondere die bürgerliche Mehrheit im Parlament, das verschärfte KMG wieder zu lockern. Dies, weil immer mehr Nato-Länder die Schweizer Rüstungsindustrie meiden. Sollte nämlich ein Nato-Land in einen Konflikt hineingezogen werden, sind alle Mitglieder aufgrund der Beistandspflicht faktisch Kriegspartei. Die Schweiz dürfte in so einem Fall kein Nato-Mitgliedsland mehr mit Kriegsmaterial beliefern.

Zahlreiche Vorschläge für eine Lockerung wurden bereits ad acta gelegt. Angenommen wurde ein Vorstoss aus der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates. Sie will dem Bundesrat erneut mehr Kompetenzen geben. Unter zwei Bedingungen: wenn erstens ausserordentliche Umstände vorliegen und zweitens die Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes dies erfordert.

Der Bundesrat dürfte jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum von den Bewilligungskriterien abweichen, nämlich für höchstens vier Jahre. Danach müsste er die Ausnahmeregelung dem Parlament vorlegen.

Matthias Zoller, Generalsekretär des Schweizer Rüstungssektors, begrüsst grundsätzlich, dass das Kriegsmaterialgesetz gelockert werden soll. Doch diese Lösung mit befristetem Zusatz sei zu unberechenbar für andere Staaten: «Andere Staaten wollen sich nicht auf den Goodwill von Bundesrat und Parlament verlassen, wenn es um ihre Sicherheit geht. Denn die Länder planen langfristig. Das heisst, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Parlament nach vier Jahren einen bundesrätlichen Entscheid umstossen kann, werden Schweizer Rüstungsgüter weiter gemieden.» Der Vertrauensverlust anderer Länder sei heute bereits immens, nachdem der Bundesrat beispielsweise Deutschland verboten habe, Schweizer Gepard-Munition an die Ukraine weiterzugeben.

Doch die Regierung und das Parlament wollen mit dieser Ausnahmeregelung insbesondere das Überleben der heimischen Rüstungsindustrie sichern. Denn wenn die Schweizer Rüstungsindustrie umfangreich von anderen Staaten gemieden wird, kann sie auf Dauer nicht überleben. Damit wäre die Schweizer Armee komplett angewiesen auf ausländische Zulieferer.

Die ausgearbeitete Botschaft des Bundesrates geht nun zurück ins Parlament für dessen Zustimmung und Ergänzungen oder Anpassungen.

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