In Pristina hat man sich vergeblich Hoffnung auf einen baldigen Beitritt zum Europarat gemacht. Die westlichen Verbündeten wollen zuerst Vorleistungen sehen. Das ist bezeichnend für den Vertrauensverlust gegenüber Kosovo.

Kosovo erfüllt die Bedingungen für die Aufhebung der Visumspflicht im Schengenraum seit 2018. Frei reisen dürfen die Bürger des jüngsten europäischen Staates aber erst seit diesem Jahr. Immer wieder war der Schritt zuvor blockiert worden. Erst als der russische Angriff auf die Ukraine in Europa die Einsicht in Erinnerung rief, dass die Integration des westlichen Balkans auch eine strategische Notwendigkeit darstellt, war ein Durchbruch möglich.

Wichtige Einigung mit Mönchen

Nun rückt für Pristina erneut ein aussenpolitischer Meilenstein ausser Reichweite, nachdem alle Hürden bereits überwunden schienen. Noch vor wenigen Wochen war die Hoffnung gross, dass Kosovo am 17. Mai, dem Jahrestreffen der Aussenminister des Europarats, zum jüngsten Mitglied in Europas ältester zwischenstaatlicher Organisation werden könnte.

Doch dazu ist es nicht gekommen. Dass mit Deutschland, Frankreich und Italien hierfür traditionelle Fürsprecher Kosovos verantwortlich sind, ist bezeichnend für das angespannte Verhältnis zwischen Pristina und dem Westen. Doch der Reihe nach.

Im März hatte die Regierung von Kosovo einen jahrelangen Landstreit mit dem serbisch-orthodoxen Kloster Visoki Decani beigelegt. Dies war eine Bedingung gewesen, damit der Beitrittsprozess zum Europarat fortgeführt werden konnte.

Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ist für das Land, das nur von gut der Hälfte aller Staaten der Welt anerkannt wird, von grosser Bedeutung. Obwohl der Regierungschef Albin Kurti gegenüber dem Kloster stets eine harte Linie vertreten hatte, rang er sich deshalb zähneknirschend zu einem Entgegenkommen durch.

Und tatsächlich stimmte darauf die Parlamentarische Versammlung des Europarats am 16. April mit 131 zu 29 für die Aufnahme. Die notwendige Zweidrittelmehrheit am Ministertreffen, dem anderen Entscheidungsgremium, schien damit gesichert.

Streitfrage Gemeindeverband

Deutschland deutete aber früh an, dass man Kosovos Beitritt zwar unterstütze, aber auch Fortschritte beim sogenannten serbischen Gemeindeverband erwarte. Pristina hatte sich bereits 2013 unter europäischer Vermittlung verpflichtet, den mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden eine Teilautonomie zuzugestehen.

Aus Sorge vor einem Konstrukt, über das Belgrad schädlichen Einfluss nehmen kann, wurde dieser Schritt aber nie umgesetzt. Als abschreckendes Beispiel gilt Bosnien-Herzegowina, wo die Führung des serbischen Landesteils die Zugehörigkeit zum Gesamtstaat ablehnt und die nationale Politik oftmals gezielt paralysiert.

Im Januar 2023 präsentierte die der deutschen Sozialdemokratie nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung mit einer Denkfabrik einen Entwurf für einen Gemeindeverband, der diese Sorgen aufgriff. Pristina wies den Entwurf jedoch zurück. Im Herbst legte die EU einen weiteren Vorschlag vor.

Gemeinsamer Brief von Scholz, Meloni und Macron

Am Mittwoch, zwei Tage vor dem Ministertreffen, unterstrichen Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Giorgia Meloni in einem gemeinsamen Brief an Kurti nochmals ihre Unterstützung für diesen Vorschlag. Am Donnerstag dann schrieb Kosovos Aussenministerin Donika Gervalla-Schwarz an den Europarat, ihre Regierung werde bis Ende des Monats einen eigenen Entwurf erarbeiten. Dieser solle sich aber am Vorschlag der Ebert-Stiftung orientieren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die deutsche Botschaft in Pristina ohnehin schon mitgeteilt, dass die Ankündigung von Gervalla-Schwarz in letzter Minute nicht ausreiche. Kosovo müsse konkrete Schritte vorweisen. Zu einer Abstimmung über das Beitrittsgesuch kam es deshalb nicht.

Wenig Druck auf Serbien

Die Episode ist bezeichnend für den westlichen Vertrauensverlust gegenüber Pristina. In den Aussenministerien ist man der Überzeugung, dass sich Albin Kurti nur unter grossem Druck bewegt. Der Gemeindeverband hat mit dem Europarat eigentlich nichts zu tun, sondern ist Gegenstand der Verhandlungen zwischen Kosovo und Serbien. Dort will der Westen unbedingt Fortschritte erzielen.

Kurti hat kein Vertrauen in diesen Prozess und versucht stattdessen, mit brüsken Alleingängen Fakten gegenüber Serbien zu schaffen. Das Vorgehen gegen die Verwendung des serbischen Dinar in Kosovo gehört dazu oder, vor wenigen Tagen, das Einreiseverbot gegen den serbischen Patriarchen.

Damit stösst er nicht nur Belgrad, sondern auch seine westlichen Verbündeten regelmässig vor den Kopf, die mit der Kfor-Schutztruppe letztlich die Sicherheit des Landes garantieren. Besonders deutlich äusserte im Frühjahr Washington seinen Frust. Derartige Verstimmungen mit den wichtigsten Verbündeten sind für einen Staat, der so stark auf internationale Unterstützung angewiesen ist, ein grosses Problem.

Mit seiner harten Linie gegenüber Kosovo läuft der Westen allerdings auch Gefahr, den Anschein zu erwecken, ungleiche Massstäbe anzuwenden. Eigentlich hat sich Belgrad verpflichtet, Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht länger zu behindern. Dennoch tut Präsident Aleksandar Vucic genau dies bei jeder Gelegenheit, ohne spürbaren Gegenwind zu bekommen. Von Vucics demonstrativer Nähe zu China und Russland ganz zu schweigen.

Und falls es beim Gemeindeverband tatsächlich um den Schutz der Serben in Kosovo geht, sollten sich sowieso alle Seiten für einen raschen Beitritt zum Europarat einsetzen. Als Bürger eines Mitgliedsstaats könnten Vertreter der Minderheit ihre Rechte auch vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof einklagen.

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